Berlin – Das Gehirn ist mit dem Nervensystem als „Schaltzentrale“ unseres Denkens und Tuns das wohl faszinierendste Organ – und irgendwie auch eines der größten: Allein im Gehirn gibt es etwa 86 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die wiederum zigfach miteinander verbunden sind und ein komplexes Netzwerk bilden, das es zu schützen gilt. Mit dem diesjährigen Thema „Brain Health for all” soll am 22. Juli die Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, dass viele neurologischen Krankheiten vermeidbar sind – vor allem durch das individuelle Verhalten, doch nicht nur: auch die medizinische Versorgungslage, Umweltfaktoren, Pandemien oder Kriege nehmen negativ Einfluss.
Neurologische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für Behinderung und die zweithäufigste Todesursache. Auch sind sie sehr häufig, man geht davon aus, dass bei etwa jedem dritten Menschen eine neurologische Erkrankung vorliegt. Ein Teil davon könnte verhindert werden, so sind beispielsweise etwa 40% aller Fälle von Demenz – weltweit gibt es übrigens 50 Millionen Betroffene – vermeidbar. Von den Schlaganfällen, mit deren Folgen weltweit 15 Millionen Menschen leben, wäre sogar ein Großteil vermeidbar gewesen. Aber auch bei Erkrankungen wie Epilepsie oder Parkinson weiß man heute, dass ein nennenswerter Anteil der Fälle durch eine gesündere Lebensführung oder bestimmte Verhaltensweisen verhindert werden könnte. Bei Kindern zählen beispielsweise traumatische Hirnverletzungen zu den häufigsten Krankheits- und Todesursachen – und auch diese Zahl ließe sich durch Schutz und bessere Vorkehrungen senken.
Mit dem „World Brain Day“ soll diese Präventionsbotschaft in die Breite getragen werden, denn das Wissen darüber, wie Gehirn und Nervensystem gesunderhalten werden können, ist noch nicht allgemein bekannt. „Der ‚World Brain Day‘ verfolgt somit eines der Ziele, die wir uns als Deutsche Hirnstiftung gesteckt haben: Den Schutz von Gehirn und Nervensystem und den Erhalt der Gesundheit. Daher unterstützen wir diesen Aktionstag und möchte ihm im deutschsprachigen Raum zu einer größeren Bekanntheit verhelfen“, erklärt Prof. Dr. Katrin Reetz, stellv. Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung. „Es ist wichtig, dass Menschen erfahren, wie sie die zentrale Schaltstelle ihres Körpers warten und pflegen können.“
Was also hält das Gehirn gesund? Regelmäßige körperliche Aktivität, guter Schlaf sowie eine ausreichende, aber vor allem auch gesunde Ernährung mit gemüse- und obstreicher Kost. Dann natürlich das Vermeiden von bekannten gesundheitlichen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, hohem Blutzucker, erhöhten Blutfette, Übergewicht oder Stress. Aber eben auch: Soziales Engagement, saubere Luft, Zugang zu sauberem Wasser und eine gute gesundheitliche Versorgung, die bei neurologischen Erkrankungen eine frühzeitige Diagnose und rechtzeitige Therapie ermöglicht.
„Gerade der Einfluss einer gesunden Umwelt und einer guten medizinischen Versorgung wird diesbezüglich unterschätzt. Global gesehen stehen wir hier vor besonderen Herausforderungen“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung. Am Beispiel der Epilepsie illustriert er, was diese Faktoren ausmachen: 80% aller an Epilepsie erkrankten Menschen leben in Entwicklungs- oder Schwellenländern. Kriege und andere humanitäre Katastrophen verschärften die Lage weiter. Auch die Corona-Pandemie habe die Zahl neurologischer Erkrankungen ansteigen lassen, man müsse nur an die vielen Post-/Long-COVID-Fälle denken.
Gesundheitsprävention, insbesondere die Prävention von neurologischen Erkrankungen, gehe also weit darüber hinaus, als nur an jeden einzelnen zu appellieren, sich individuell gesund zu ernähren, Abstand von ‚Alltagsgiften‘ wie Alkohol oder Nikotin zu nehmen und sich ausreichend zu bewegen. „Wir müssen uns ebenso für eine gesunde Umwelt, für eine gute medizinische Versorgung, eine bessere Ernährungslage in der Welt sowie für eine effiziente Seuchenprävention einsetzen, gleichzeitig aber auch jeden einzelnen ermuntern, sein eigenes Leben so ‚gehirngesund‘ wie möglich zu leben“, erklärt Prof. Erbguth. „Interessant ist, dass die ‚World Federation of Neurology‘ als Faktor für einen solchen auch das soziale Engagement auflistet. Jeder, der sich für die oben genannten ‚großen‘ Ziele einsetzt, tut somit auch etwas für seine eigene Gesundheit.“