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„Wir werden unsere Katastrophen erleben!“

Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland/ Ausgabe Dezember

Essen – In der Dezember-Ausgabe setzt sich die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland, die monatlich mit einer Auflage von 1 Mio. Exemplaren erscheint und kostenlos in Apotheken erhältlich ist, erneut mit den Gefahren des Arzneimittelversands auseinander. Arzneimittelexperte Prof. Dr. Theodor Dingermann, Pharmazieprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, warnt im Interview energisch vor den mit diesem Vertriebsweg verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher:

Auf der Klausur des Österreichischen Apothekenverbandes in Bad Leonfelden haben Sie sich mit drastischen Worten zum Versandhandel mit Arzneimitteln geäußert. Wo sehen Sie die Gefahren konkret?

Prof. Dr. Dingermann: Ganz prinzipiell muss ich sagen, dass die Distribution von Arzneimitteln in die Hände und in die persönliche Verantwortung derer gehört, die unsere Gesellschaft für diesen Zweck unter Einsatz hoher Kosten und “unter Aufsicht” (Apotheker machen nicht etwa ein Diplom, einen Master- oder einen Magisterabschluss, sondern ein Staatsexamen!) ausbilden lässt. Diese Art der Distribution ist – oder muss man vielleicht demnächst sagen “war” – das letzte Glied in einem beispiellosen Sicherheitsmanagement, das der besonderen Ware “Arzneimittel” zugemutet wird. Nicht nur Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit haben zugelassene Arzneimittel umfänglichst zu belegen, sondern sie werden aus gutem Grund auch über exklusive Distributionswege von akademisch speziell geschultem Personal an Patientinnen und Patienten verteilt. Wird dieses System verlassen, indem man weitgehend anonymen Distributionskanälen mit kaum zu kontrollierenden Qualitätsstandards die Abgabe von Medikamenten gestattet, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Stichproben, die beispielsweise das Zentrallaboratorium der Deutschen Apothekerschaft genommen haben, belegen dies eindeutig. Zudem hat Prof. Schweim vom Lehrstuhl für Drug Regulatory Affairs in Bonn ein bemerkenswertes Experiment gemacht, indem er eine “Internet-Apotheke” mit dem eindeutigen Namen “Fake-Apotheke” konstruierte. Eindrucksvoll wird hier aufgezeigt, wie einfach es heute ist, Informationen zu fälschen. So wird es nicht ausbleiben, dass wir unsere Katastrophen erleben werden, auch weil man den Bürgerinnen und Bürgern suggeriert, dass man sich mit Medikamenten, die – wie alle wissen – heilen aber auch schaden oder gar töten können, sicher selbst versorgen kann.

Gibt es für den Endverbraucher keine Möglichkeit zu erkennen, ob es sich bei bestellten Arzneimitteln um echte oder gefälschte Produkte handelt?

Prof. Dr. Dingermann: Nein, wie denn? Zwar reden Politiker mittlerweile schon von “offiziell anerkannten Internet-Apotheken”. Ich finde das zynisch! Wen sollte das auch kümmern, wenn er sein Viagra oder sein Insulin billig(!) beziehen will? Zeigen nicht die Skandale in der Lebensmittelindustrie, welches kriminelle Potential geweckt werden kann, wenn der Wettbewerb über den Preis geregelt wird?

Warum ist der Endverbraucher vor Arzneimittelfälschungen geschützt, wenn er die benötigten Medikamente direkt in seiner Apotheke vor Ort bezieht?

Prof. Dr. Dingermann: Zum einen ist diese Distribution alles andere als anonym. Zum anderen steht der Apotheker (zumindest bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln) nicht in einem Preiswettbewerb. Dies ist in Deutschland, Gott sei Dank, noch verboten. Das richtige Verbot eines Preiswettbewerbs bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist im Übrigen ein Wettbewerbsnachteil der Deutschen Apothekerschaft zu den im Ausland ansässigen Internet-Apotheken. Es ist allerdings ein wertvoller Vorteil für die Patientinnen und Patienten, die ihre Medikamente in einer deutschen Präsenzapotheke kaufen, da sie nicht Gefahr laufen, dass man zu ihren gesundheitlichen Lasten hier skrupellose Geschäfte macht. Es hat sicherlich auch schon in öffentlichen Apotheken Fälle von Fälschungen gegeben. Allerdings ist die Zahl dieser Straftaten um Größenordnungen kleiner als wir sie schon jetzt im Internet-Handel beobachten können.

In Deutschland herrscht das so genannte Fremd- und Mehrbesitzverbot. D. h. ausschließlich Apotheker dürfen maximal vier Apotheken betreiben. Was hat der Endverbraucher für einen Nutzen von dieser Regelung?

Prof. Dr. Dingermann: Für den Endverbraucher ist leicht einsichtig, wem die Apotheke(n) gehört und wer somit die persönliche Verantwortung trägt. In einem Segment, das eine Ware vertreibt, deren Wert nicht daran abzulesen ist, wie viel Umsatz sie einspielt, sondern wie nützlich, gut und sicher sie ist, ist dies ein entscheidender Vorteil. Tritt eine Umsatzoptimierung an die Stelle einer strikten Bedarfsoptimierung, kann es lebensgefährlich werden. Mir fällt es nicht schwer, mir vorzustellen, dass sich Verkaufsstrategien ändern, wenn anonymes Kapital hinter den Apotheken steht. Im Übrigen werden diese Phantasien durch knallharte Fakten in Norwegen belegt.

In Deutschland gibt es Gegner dieser Regelung. So fordert z. B. Bündnis 90/Die Grünen eine Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Es gibt bereits einige euro-päische Länder, in denen statt eines Apothekers große Kapitalgesellschaften Apothekenketten betreiben. Zeigen sich dort negative Folgen für die Bevölkerung?

Prof. Dr. Dingermann: Es ist schon sehr überraschend, dass ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen auf diesem Sektor mit der Großindustrie “koaliert”. Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund des Engagements für gute Lebensmittel mit Frau Höhn als Frontfrau. Ich kann nur hoffen, dass wir bei den Arzneimitteln nicht durch eine ähnliche Erfahrungsperiode gehen müssen, wie bei den Lebensmitteln. Denn es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln. Bei Lebensmitteln ist es der Ekel, den man verspürt, wenn man sich über die Auswirkungen des Verdrängungswettbewerbs und des Preisverfalls im Klaren wird. Bei Arzneimitteln können die Auswirkungen lebensgefährlich werden. Ich möchte nicht soweit gehen, zu sagen, dass sich in Norwegen, wo Kapitalgesellschaften Apothekenketten betreiben, bereits negative Folgen für die Bevölkerung zeigen. Allerdings staunt man dann doch, wenn man liest, dass weit über 45 % des in einer der drei norwegischen Ketten vertriebenen Arzneimittelaufkommens von dem konzerneigenen Generika-Hersteller stammt. Dieser Konzern wiederum erwirtschaftet 73 % seines Umsatzes in Norwegen in den Apotheken, die der “konzerneigenen” Kette angehören. Kann man hier unabhängige Beratung vermuten? Wohl kaum, oder? Aber es mag billig sein – noch, möchte man hinzufügen.