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Wie geht es mit der außerklinischen Intensivversorgung weiter?

PRESSEMITTEILUNG

Freiburg – Das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG und die daraus folgenden Richtlinien haben gravierende Auswirkungen auf die Menschen mit Beatmung. Natürlich begrüßt es die Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., wenn nun bei jeder Entlassung aus der Klinik eine Potenzialerhebung verpflichtend ist, da viele Patient*innen in den vergangenen Jahren oft viel zu schnell entlassen wurden, um wieder freie Intensivbetten zu haben. Schon in der S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision 2017“ steht in Kapitel 6.3 zu der Frage, „was ist vor der Entlassung eines beatmeten Patienten in den außerklinischen Bereich zu beachten?“, dass „nachweislich“ die Möglichkeit einer Umstellung auf eine NIV bei Patienten mit erfolglosem Weaning nach Intensivtherapie“ versucht worden sein muss. Die DIGAB hat diese Leitlinie unter der Federführung der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) mitgeschrieben, denn natürlich sollen Menschen nicht unnötig von der Beatmung abhängig bleiben.

Aber da sind die 20 000 bis 25 000 Menschen mit außerklinischen Versorgungsbedarfen, die z.T. schon seit Jahrzehnten ohne Hilfsmittel wie Beatmungsmaschine, Trachealkanüle, PNS etc. nicht leben können. Die Personengruppe ist ausgesprochen heterogen und wird in verschiedenen Settings versorgt. Ein Teil von ihnen lebt selbstbestimmt in der eigenen Häuslichkeit, oft im Kreis der Familie, ist aktiv, oft auch berufstätig, und organisiert die Versorgung mit Hilfe von Assistenzkräften selbst. Die Beauftragte für Menschen mit Beatmung in der DIGAB, Maria-Cristina Hallwachs, ist hierfür ein beredtes Beispiel. Aufgrund eines Unfalls ist sie hoch querschnittgelähmt und wird deshalb nicht im Sinne von eigenständiger Atmung wieder genesen. Sie ist dennoch ungemein aktiv, unterrichtet an Krankenpflegeschulen, hält Fachvorträge und berät als ausgebildete Peer Counselorin Menschen, die das Schicksal einer Querschnittlähmung ereilt hat – sowie deren Angehörige. In einer schweren Situation, in der alle noch unter Schock stehen, ist Frau Hallwachs für sie da und macht mit ihrem eigenen Beispiel den Menschen Mut. Seit das GKV-IPReG verabschiedet wurde, berichtet sie der DIGAB, wie beunruhigt Menschen angesichts der neuen Rechtslage sind. Dem DIGAB-Vorstand ist dies bewusst, und er hat klar in den verschiedenen Stellungnahmeverfahren, die dem Gesetz und der AKI-Richtlinie vorgeschaltet waren, auf die Personengruppe hingewiesen, die Frau Hallwachs repräsentiert. Es geht um die Menschen, die außerklinisch zu Hause versorgt werden, und vor allem um diejenigen, die sich klar für diese Versorgungsform entschieden haben. Die DIGAB hat in früheren Stellungnahmen, so auch am 05.09.2019, darauf hingewiesen, dass es eine Patientengruppe gibt, die schon seit mehreren Jahrzehnten versorgt wird und in keiner Weise zur Eskalation der Versorgung in der außerklinischen Intensivpflege beigetragen hat. (Siehe https://digab.de/gkv-ipreg/)

Nun ist es aber so, dass ausnahmslos für alle Menschen mit einer Trachealkanüle und/oder Beatmungsversorgung eine Potenzialerhebung verpflichtend sein wird. Das Datum 30. Oktober 2023 ist für viele ein Termin, der sie mit großer Sorge erfüllt, weil sie nicht wissen, ob sie bis dahin einen von den Krankenkassen anerkannten Arzt gefunden haben, der fristgerecht eine Potenzialerhebung bei ihnen durchführt. Wo diese Ärzt*innen sind, können selbst die Krankenkassen nicht sagen. Die versprochene Liste auf dem nationalen Gesundheitsportal ist noch immer nicht veröffentlicht, sodass sich die Betroffenen selbst auf die Suche machen. Umgekehrt berichten Ärzt*innen, die ambulant in der außerklinischen Intensivversorgung tätig sind, dass auch ihnen die Krankenkassen mehr und mehr Steine in den Weg legen. So kürzt ihnen die Kassenärztliche Vereinigung das Kilometergeld, weil die Menschen doch Beatmung in ihrer Umgebung nach passenden Ärzt*innen suchen sollen.

Allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass es in der DIGAB viel zu tun gibt. Ganz zu schweigen von den DIGAB-Sektionen „Kinder und junge Menschen“ sowie „Selbstbestimmtes Leben mit Beatmung“, die eigene Stellungnahmen abgeben. Seit Januar bietet die DIGAB eine GKV-IPReG Sprechstunde an, weil es so viele Fragen zur Umsetzung des Gesetzes gibt, für die es offensichtlich ansonsten keine Ansprechpartner gibt. Als Hort der höchsten Pflegequalität wird den Menschen mit außerklinischen Intensivversorgungsbedarfen die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung empfohlen, und sie werden damit geködert, dass sie nicht, wie in Intensiv-Wohngemeinschaften, zu Zuzahlungen verpflichtet werden. Eine freie Wahl ist aber nur möglich, wenn man ihnen auch die anderen Versorgungsformen, wie die 1:1 Versorgung oder die WG-Versorgung anbietet. Dies ist oft, wie Betroffene berichten, nicht mehr der Fall.

Kay Wilke-Schultz vertrat als Vorstandsmitglied die DIGAB bei der Veranstaltung “Quo vadis außerklinische Intensivversorgung? – Wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet werden?“ am 28. Februar 2023 in Berlin, wo er mit Corinna Rüffer (Bündnis 90 / Die Grünen), Hans-Joachim Fritzen (stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost), Laura Mench (Aktivistin und Beraterin bei aktiv und selbstbestimmt e.V.), Professor Dr. Michael Isfort (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung) und Dr. Kerstin Haid (leitende Ärztin – medizinischer Dienst Bund) und Julius Lehmann (Leiter der Abteilung „veranlasste Leistungen“ der kassenärztlichen Bundesvereinigung) diskutierte. Neben den 120 Teilnehmenden vor Ort hatten sich 100 Interessierte per Video zugeschaltet. Dies allein zeigt, wie hoch der Gesprächsbedarf ist.

Niemand hat etwas gegen eine Verbesserung der außerklinischen Intensivpflege, aber dies darf nicht dazu führen, dass eine Versorgungsform, die sich seit Jahrzehnten bewährt und vielen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, zerstört wird, um den Grundsatz „ambulant vor stationär“ auszuhebeln und die außerklinische Intensivversorgung faktisch abzuschaffen.