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Werner-von-Siemens-Ring geht 2022 an BioNTech-Quartett und Wegbereiter der Superauflösungsmikroskopie Stefan Hell
Ugur Sahin, Özlem Türeci, Christoph Huber und Katalin Karikó (v. l. n. r.) erhalten im Dezember in Berlin gemeinsam den Werner-von-Siemens-Ring für ihre bahnbrechenden Leistungen in den technischen Wissenschaften. © BioNTech SE 2022, all rights.

Werner-von-Siemens-Ring geht 2022 an BioNTech-Quartett und Wegbereiter der Superauflösungsmikroskopie Stefan Hell

Pressemitteilung

Berlin – Die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring zeichnet in diesem Jahr gleich zwei bahnbrechende Leistungen in der Technik aus: Die Wissenschaftler unter dem Dach des Biotechnologieunternehmens BioNTech – Ugur Sahin, Özlem Türeci, Christoph Huber und Katalin Karikó – haben mit ihrer erfolgreichen Grundlagenforschung an mRNA-Wirkstoffen ein neues Zeitalter der Medizin begründet. Dem Physiker und Nobelpreisträger Stefan Hell wiederum ist es gelungen, mit einer neuartigen Technologie, der Superauflösungsmikroskopie, lebende Zellen auf molekularer Ebene zu beobachten. Der Blick ins molekular Kleine ermöglicht den Lebens- und Materialwissenschaften eine Vielzahl neuer Erkenntnisse. Das Votum des hochkarätig besetzten Rats der Stiftung war eindeutig: Für diese herausragenden Leistungen erhalten das BioNTech-Team und Stefan Hell im Dezember 2022 in Berlin den Werner-von-Siemens-Ring.

mRNA-Technologie: zukunftsweisender Meilenstein für die Krebsforschung und Corona-Impfstoff – ein neues Zeitalter der medizinischen Praxis

Sie sind die derzeit wohl bekanntesten Wissenschaftler Deutschlands: die BioNTech-Chefs Prof. Dr. med. Ugur Sahin und Prof. Dr. med. Özlem Türeci. Sie lernten sich in der Universitätsklinik des Saarlandes kennen und entwickelten dort gemeinsam ein Verfahren, das weltweit eingesetzt wurde, um für die Immuntherapie relevante menschliche Krebsantigene zu identifizieren. In den Jahren 2000/2001 rekrutierte Christoph Huber, damals Direktor an der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und international renommiert auf den Gebieten der Tumorabwehr, Onkologie und Stammzellentransplantation, die beiden Ausnahmetalente nach Mainz und begleitet sie seitdem als Mentor.

Neben dem herausragenden forscherischen Talent verbindet Ugur Sahin, Özlem Türeci und Christoph Huber auch unternehmerische Initiative, um die Entwicklung von Arzneimitteln voranzutreiben. Die 2001 von ihnen gegründete Firma Ganymed Pharmaceuticals, die sich auf die Entwicklung monoklonaler Antikörper zur Behandlung von Tumorerkrankungen spezialisierte, wurde 2016 unter großer internationaler Aufmerksamkeit an die Astellas Pharma Inc. veräußert. Die klinische Studie mit dem von Sahin, Türeci und Huber entwickelten Antiköper befindet sich aktuell in Phase 3 und somit in der letzten Phase vor einer möglichen Zulassung des Antikörpers als Arzneimittel. Im Jahr 2008 haben die drei Forscher das Unternehmen BioNTech ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die komplexe mRNA-Technologie bis zur Anwendungsreife für diverse Erkrankungen zu entwickeln.

Ugur Sahin und Özlem Türeci machten eine Reihe von bahnbrechenden Entdeckungen, die es ermöglichten, die Immunogenität von mRNA-Impfstoffen drastisch zu verbessern. Die von Sahin und Türeci entdeckten Verbesserungen ermöglichten es zum ersten Mal, dass geringste Mengen von mRNA verwendet werden können, um das Immunsystem zur Bekämpfung von Krebs und Infektionskrankheiten effektiv zu stimulieren. Damit wurde eines der Hauptprobleme von mRNA-Impfstoffen, ihre schwache Aktivität, überwunden.

2013 stieß eine weitere der wenigen mRNA-Forscher als Senior Vice President zum Team BioNTech hinzu: die Biologin Prof. Katalin Karikó, Ph.D. Ihr gelang eine weitere Herausforderung für die Anwendung von mRNA zu lösen. Sie modifizierte RNA-Moleküle so, dass sie weniger immunstimulierend, besser verträglich sind und somit in höheren Mengen verabreicht werden können.

Dass die ursprünglich für die Therapie von Krebserkrankungen entwickelte mRNA-Technologie auch als Plattform für die Entwicklung eines pandemischen Impfstoffs dienen könnte, erkannten Ugur Sahin und Özlem Türeci bereits in der Frühphase der Corona-Pandemie zu Beginn des Jahres 2020. Die über Jahre hinweg im Unternehmen aufgebaute wissenschaftliche Expertise in den Reihen des eigenen Unternehmens gepaart mit der unternehmerischen Weitsicht der BioNTech-Gründer machte die Neuentwicklung und klinische Testung eines Impfstoffes in weniger als einem Jahr möglich.

Die mRNA-Technologie bietet nicht nur zur Prävention und Behandlung von Viruserkrankungen enorme Entwicklungsperspektiven, sondern auch für die Therapie von Krebserkrankungen, die Behandlung von Autoimmunerkrankungen, die Induktion von Allergietoleranzen oder die Behandlung von Erbkrankheiten. Der Schritt der mRNA-Technologie von der Theorie in die Anwendung hat die Welt in ein neues Zeitalter der medizinischen Praxis katapultiert. Prof. Dr. Joachim Ullrich, Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring: “Ugur Sahin, Özlem Türeci, Christoph Huber und Katalin Karikó haben durch langjährige Grundlagenforschung an mRNA und durch ihren unternehmerischen Mut den Menschen einen neuartigen Wirkstoff mit enormem Potenzial verfügbar gemacht. Dafür erhalten sie gemeinsam den Werner-von-Siemens-Ring.”

Superauflösungsmikroskopie – ein unglaublicher Blick auf die molekularen Details der lebenden Welt

Prof. Dr. Dr. Stefan W. Hell ist der Wegbereiter der Superauflösungs-Fluoreszenzmikroskopie. Mit der Entwicklung des Superresolution STED-Mikroskops in den 90er Jahren hat er als Erster gezeigt, dass die Lichtbeugung, die der Lichtmikroskopie bis dahin eine unüberschreitbare Grenze in der Auflösung setzte, komplett umgangen werden kann. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (ehemals Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie) in Göttingen sowie am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg.

Das von Stefan Hell entwickelte Superresolution STED-Mikroskop (STimulated Emission Depletion Mikroskopie) zeigt biologische Strukturen in einer Auflösung, die vorher in der Lichtmikroskopie physikalisch nicht möglich schien. Beispielsweise kann durch das STED-Mikroskop beobachtet werden, wie Proteine auf der Nanoskala in der Zelle angeordnet sind und wie diese aufeinander wirken. Wissenschaftler können so die molekularen Mechanismen von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs besser verstehen. Auch die dynamischen Veränderungen von Neuronen-Strukturen im Gehirn, die sich zum Beispiel während Lernprozessen abspielen, lassen sich anhand seiner Fluoreszenzmikroskopie viel genauer verfolgen. 2016 gelang Stefan Hell ein weiterer Quantensprung auf dem Gebiet der superauflösenden Mikroskopie: Mit der MINFLUX-Methode, die sich eines schaltbaren fluoreszierenden Farbstoffes zur Markierung von Molekülen bedient, wurde erstmals eine Trennschärfe von wenigen Nanometern erreicht, also hundertmal besser als die ehemals ‘unüberwindbare’ Beugungsgrenze. Heute ist mit dieser und der weiterentwickelten MINSTED-Methode sogar eine Auflösungsgrenze bis zur molekularen Dimension von einem Nanometer möglich. Die kleinsten lebenden Vorgänge unserer komplexen Welt werden durch die von Stefan Hell entwickelten Fluoreszenzmikroskopie-Methoden auf molekularer Ebene sichtbar.

Neben seinen bahnbrechenden Entwicklungen für die Mikroskopie ist es Stefan Hell gelungen, die von ihm entwickelten Methoden für die praktische Anwendung zur Verfügung zu stellen. Zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Dr. Gerald Donnert initiierte Stefan Hell die Gründung der Unternehmensgruppe Abberior. Die Nähe zwischen den Forschern am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und denen bei Abberior ermöglicht es, Erkenntnisse aus den Grundlagenwissenschaften schnell in einen technologischen Fortschritt umzusetzen. Die MINFLUX-Methode hat es in weniger als vier Jahren von der wissenschaftlichen Erstveröffentlichung bis zur Markteinführung geschafft.

“Stefan Hell verbindet in vorbildlicher Weise wissenschaftliche Exzellenz mit hoher Innovationskraft in technischen Entwicklungen”, stellt der Stiftungsratsvorsitzende Prof. Dr. Joachim Ullrich fest. “Die verschiedenen entwickelten Hochleistungssuperresolution-Mikroskope und Fluoreszenzlabel, die jetzt für alle Wissenschaftler verfügbar sind, stellen einen großen Durchbruch für die optische Mikroskopie dar. So können unter anderem der Bau und die Funktion von Synapsen im Nervensystem und die Zusammensetzung und die Dynamik von Zellmembranen auf molekularer Ebene sichtbar gemacht werden. Diese Techniken lassen weitere aufregende Entdeckungen und Einsichten in den Lebens- und Materialwissenschaften erwarten. Wir würdigen diese herausragende Lebensleistung von Stefan Hell in den technischen Wissenschaften mit der Verleihung des Werner-von-Siemens-Rings.”

Zur Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

Die Auszeichnung von Lebensleistungen in Technik- und Naturwissenschaften sowie die Förderung der aktuellen Technikforschung sind erklärte Ziele der Stiftung. Der Werner-von-Siemens-Ring und die mit dem Ring ausgezeichneten Persönlichkeiten sind seit über 100 Jahren wichtige Orientierungspunkte und Motivation immer neuer Generationen von Forscherinnen und Forschern in den Technik- und Naturwissenschaften. Dafür engagieren sich im Stiftungsrat sowohl Ringträgerinnen und Ringträger als auch hochrangige Vertreterinnen und Vertreter technisch-naturwissenschaftlicher Fachgesellschaften: der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, des Bundesverbands der Deutschen Industrie und des Deutschen Verbands Technisch-Wissenschaftlicher Vereine. Der Werner-von-Siemens-Ring gilt als die höchste deutsche Auszeichnung für Personen, die durch ihre Leistung technische Wissenschaften wesentlich vorangebracht oder als Forschende neue technische Wege erschlossen haben. Der Werner-von-Siemens-Ring wird seit 1916 überreicht.

Stefan Hell wird im Dezember in Berlin für seine Lebensleistung in der Technik mit dem Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet. Copyright: © Irene Böttcher-Gajewski / Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften