BERLIN/EUSKIRCHEN – Vom 5. bis 9. November 2012 findet bundesweit zum dritten Mal die Aktionswoche der berufsbedingten Hauterkrankungen statt. In diesem Jahr steht die Hautgesundheit der Menschen im Mittelpunkt, die in der Altenpflege arbeiten. Die jährliche deutsche Kampagne “Haut&Job” ist Teil der gesamteuropäischen Initiative „Healthy Skin@work“ der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV).
Am Anfang juckten die Hände. Vor allem, wenn der Stress groß war, berichtet Altenpflegerin Sonja K. (Name von der Redaktion geändert). Kratzen brachte nur kurze Zeit Entlastung. Der Juckreiz wurde schlimmer und die junge Altenpflegerin fand selbst im Schlaf keine Ruhe mehr. Von Monat zu Monat wurde die Haut an den Händen empfindlicher, trockener und rissig. Morgens waren die Hände dann blutig und vor Sonja K. lag ein stressiger Arbeitstag: 4.30 Uhr aufstehen, um 6.30 Uhr pflegte sie ihren ersten Patienten.
Die Hauterkrankung wurde immer schlimmer. Erst nach monatelangen Schmerzen ging sie zu ihrer Hautärztin. Die riet ihr, die Berufsgenossenschaft einzuschalten und einen Allergietest machen zu lassen. „Das habe ich aber erst einmal verweigert.“ Und das, obwohl auch ihr Vorgesetzter sie dazu ermutigte. „Ich wollte nicht krank sein.“
Sonja K. ist keine Ausnahme. Handekzeme zählen zu den häufigsten berufsbedingten Erkrankungen in Deutschland. „Die ambulante und stationäre Altenpflege ist durch die demographische Entwicklung eine Boombranche mit Wachstumsraten beim Personalbestand, wie wir sie sonst nur aus der IT-Branche kennen. Leider boomt auch die Zahl beruflicher Hauterkrankungen”, erläutert Prof. Swen Malte John, Initiator und Entwickler der europaweiten Kampagne „healthyskin@work” und dem deutschen Ableger der Aktionwoche Haut&Job.
Von einem Handekzem ist nach einschlägigen Studien jeder fünfte in der Altenpflege Beschäftigte im Laufe seines Berufslebens betroffen. Doch Experten rechnen mit einer wesentlich höheren Dunkelziffer.
Altenpflegerin Sonja K. weiß aus eigener Erfahrung, dass viele ihrer Kollegen versuchen aus Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder Angst vor Umschulung, ihre Hauterkrankung zu verheimlichen. Ein Fehler, denn: „Hauterkrankungen lassen sich am leichtesten im Anfangsstadium behandeln”, erläutert Björn Kähler von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Angst sei ein schlechter Ratgeber. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zahlen bei berufsbedingten Hauterkrankungen die Behandlung. Und: „Wer möchte, kann angeben, dass sein Arbeitgeber nicht informiert werden soll”, so Kähler.
Prof. John hat für Betroffene eine beruhigende Botschaft: „Studien zeigen, dass sogar 80 Prozent der Arbeitnehmer mit schweren Ekzemen in ihrem Beruf bleiben können, wenn sie frühzeitig Hilfe annehmen.“
„Auch häuslich Pflegende stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung”, spricht Stefan Boltz von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) einen anderen, in der Öffentlichkeit kaum bekannten Aspekt an. Bedingung sei, dass die Pflege regelmäßig, nicht gewerbsmäßig und in der häuslichen Umgebung stattfindet.
„Die vielen hautbelastenden Tätigkeiten im feuchten Millieu und das häufige Desinfizieren können die Haut überfordern und schädigen”, erläutert Prof. Dr. Vera Mahler, Vorsitzende der Deutschen Kontaktallergie-Gruppe. Wird die Haut geschwächt, trocken und rissig, sei sie besonders anfällig, eine Kontaktallergie zu entwickeln.” Das gilt für Profis in Altenpflegeeinrichtungen ebenso wie für die Pflege im familiar-häuslichen Rahmen.
Sonja K. quälte sich über zwei Jahre. Jeder Handgriff wurde zur Tortur: Das häufige Händewaschen, Desinfektionsmittel, und das ständige An- und Abziehen der Handschuhe, auf die sie auch noch allergisch reagierte. Hinzu kam der ständige Stress. Es wurde immer schlimmer. Erst als sich die erste Hautschicht an ihren Händen ablöste, war sie endlich bereit, die BG einzuschalten und einen Allergietest machen zu lassen. Diagnose: berufsbedingtes Kontaktekzem. Sie wurde zunächst einmal krankgeschrieben, erhielt eine Lichttherapie und – kurzzeitig – ein kortisonhaltiges Medikament.
Gegen eine Allergie können sich Betroffene heute wirksam schützen. „Schwierig ist es nur, wenn die Krankheitsursache nicht erkannt wird oder Betroffene das Problem nicht wahrhaben wollen”, beschreibt Prof. John die Problemlage aus medizinischer Sicht. Deshalb appellieren die Veranstalter der Aktionswoche an Betroffene, frühzeitig zum Arzt zu gehen.
Es gebe keine unschuldigen Hautveränderungen in der Altenpflege, so John. Hautschutz zur Vorsorge, sowie im Ernstfall eine frühzeitige Diagnose und Therapie könnten ernsthafte gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Konsequenzen einer Hautschädigung am Arbeitsplatz verringern.
„Hauterkrankungen waren 2010 die am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten”, unterstreicht Dr. Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Das sei einerseits erschreckend, andererseits ein Ausdruck erfolgreicher Aufklärung. So soll die Aktionswoche Haut&Job vom 5. bis 9. November helfen, die Dunkelziffer an erkrankten Altenpflegern weiter zu senken.
Für Sonja K. ist heute klar: „Ich kann nur jedem raten, der in der Altenpflege arbeitet und unter Hautproblemen leidet, sich so schnell wie möglich helfen zu lassen.“
Hintergrund:
Träger der Aufklärungskampagne Haut&Job sind:
• die Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie (ABD)
• der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD)
• die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
• die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
• die Deutsche Kontaktallergie-Gruppe (DKG)
Unterstützt wird die Initiative darüber hinaus von der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz.