Berlin – Sucht und Drogenkonsum betreffen keine kleine Randgruppe der Gesellschaft erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung anlässlich der Veröffentlichung des Drogen- und Suchtberichts. Der Bericht zeigt, dass es trotz der Erfolge in der Drogen- und Suchtbekämpfung noch immer viel zu tun gibt. Vor allem der Alkoholkonsum von Jugendlichen bereitet den Experten Sorgen. Insbesondere das so genannte Binge Drinking, der exzessive Konsum von Alkohol, hat unter Jugendlichen stark zugenommen. Die Bundesregierung erarbeitet deshalb zurzeit ein nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention. Der Tabak- und Cannabiskonsum der Jugendlichen ist ebenfalls zurückgegangen, die Rauchverbote an Schulen und das Nichtraucherschutzgesetz scheinen somit Erfolg zu haben.
Anlässlich der Veröffentlichung des Drogen- und Suchtberichts erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing: “Sucht und Drogenkonsum betreffen keine kleine Randgruppe in der Gesellschaft. Auch wenn es in manchen Bereichen, wie bei Tabak- und Cannabiskonsum erfreuliche Rückgänge gibt, missbräuchlicher Konsum und Sucht betreffen immer noch eine große Zahl von Menschen. Wir dürfen nicht nachlassen, uns weiter gegen Missbrauch und Sucht einzusetzen: Denn noch immer raucht in Deutschland ein Drittel der Erwachsenen, 9,5 Millionen Menschen konsumieren Alkohol in riskanter Weise, etwa 1,3 Millionen sind alkoholabhängig, mehr als 1,4 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Etwa 600.000 vorwiegend junge Menschen missbrauchen Cannabis oder sind davon abhängig, weitere 200.000 Menschen konsumieren Opiate, Kokain, Amphetamine und Halluzinogene.”
Einerseits zeigen aktuelle Studien, dass der gelegentliche Konsum von Alkohol bei Schülerinnen und Schülern im Vergleich zu 2003 leicht zurückgeht. Der Konsum von Alkopops ist drastisch gesunken. Aber gleichzeitig sind die Konsummengen von Alkohol bei den Kindern und Jugendlichen stark angestiegen. Während die 12-17-Jährigen 2005 noch 34 g reinen Alkohol pro Woche zu sich nahmen, waren es 2007 schon 50 g. Auch das sog. “Binge Drinking” hat bei Jugendlichen stark zugenommen, d.h. der Konsum von fünf oder mehr alko-holhaltigen Getränken hintereinander. Während 2005 noch 20% der Jugendlichen ein Mal im letzten Monat “gebingt” hatten, “bingten” 2007 schon 26%. Auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen von 10-20-Jährigen wegen Alkoholvergiftungen hat sich von 2000 bis 2006 mehr als verdoppelt.
Dazu Sabine Bätzing: “Die Bundesregierung setzt in der Alkoholpolitik deshalb auch weiterhin auf ein Bündel verschiedener präventiver und gesetzlicher Maßnahmen. Derzeit bereiten wir ein nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention vor, das in den nächsten Monaten beraten wird. Dort werden auch die jugendlichen Konsumentinnen und Konsumenten besonders berücksichtigt. Ein Beispiel für gesetzliche Maßnahmen ist das im letzten Jahr eingeführte Alkoholverbot für Fahranfängerinnen und Fahranfänger in der Probezeit. Ebenso wichtig sind aber auch Aufklärungskampagnen.” Mit der Aktionswoche “Alkohol Verantwortung setzt die Grenze” vom 14. bis 18. Juni 2007 gelang es bundesweit, die Diskussion über den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol in alle Lebensbereiche der Gesellschaft zu tragen. “Wir müssen aber auch besonders nach den möglichen Ursachen für jugendlichen Alkoholkonsum schauen. Nicht zu unterschätzen ist hier der Einfluss der Alkoholwerbung, die teilweise ganz offensiv jugendliche Lebenswelten und Images anspricht. Die negativen Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums kommen darin nicht vor”, so Bätzing. “Ich setze mich daher für eine bessere Selbstkontrolle der Alkoholwerbung durch die Alkoholwirtschaft ein.”
Mit den Nichtraucherschutzgesetzen im Bund und in den Ländern ist es erstmals gelungen, einen flächendeckenden Nichtraucherschutz für öffentliche Innenräume zu schaffen. Noch vor wenigen Jahren hätte dies niemand für möglich gehalten, so Bätzing. Die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, wie Irland oder Italien, zeigen, dass sich die Menschen sehr schnell an die neue Situation gewöhnen und das Nichtrauchen in öffentlichen Einrichtungen und Gaststätten sehr schnell zum Normalfall wird. Ich bin überzeugt, dass das auch in Deutschland sehr bald der Fall sein wird. Eine große Akzeptanz zeichnet sich bereits jetzt ab. Nach einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts tnsemnid für den Bereich der Gaststätten begrüßen 71 % der Befragten die Rauchverbote. Die aktuelle Diskussion um die Ausnahmeregelungen bei den Gaststätten zeigt allerdings, dass wir nicht die Nichtraucherschutzgesetze überdenken müssen, sondern die Ausnahmeregelungen. Ich appelliere daher an die Länder, die Ausnahmeregelungen im Bereich der Gaststätten zu streichen! Sie schaffen Wettbewerbsverzerrungen und führen zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Kleingastronomen.
Eine sehr erfreuliche Entwicklung ist, dass immer weniger Jugendliche rauchen. Seit 2001 ist der Anteil der Raucher bei den Jugendlichen von 28 % (2001) auf 18 % (2007) heruntergegangen. “Das ist ein großer Erfolg für die Tabakpolitik in Deutschland”, so Bätzing. “Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind und unsere Präventionsmaßnahmen greifen, dass wir aber nicht nachlassen dürfen, den Tabakkonsum insgesamt weiter zu senken. Derzeit erarbeiten wir deshalb auch ein nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention.” Weiterhin zeigt sich: Je früher mit dem Rauchen begonnen wird, desto größer ist die Zahl der aktuell täglich konsumierten Zigaretten. Prävention ist daher bei Kindern und Jugendlichen besonders wichtig. Erste positive Wirkungen zeigen schon die Rauchverbote an Schulen. Nach einer jüngsten Studie aus Hamburg bewerteten die befragten Schüler das Rauchverbot an Schulen überwiegend positiv Ein Drittel der rauchenden Schüler gab an, deshalb das Rauchen im schulischen Kontext aufgegeben zu haben, 17 % sogar ganz.
Durch den Konsumrückgang beim Tabak ist erfreulicherweise auch der Cannabiskonsum bei den unter 18-Jährigen zurückgegangen. Denn je intensiver Tabak konsumiert wird, desto stärker verbreitet ist die Erfahrung im Umgang mit Cannabis. Wer nicht raucht, greift auch weniger zum “Joint”.
Allerdings: die Gruppe der “starken Kiffer” ist dagegen mit ca. 600.000 gleichbleibend hoch. “Der Konsumrückgang bei den jungen Konsumenten ist sehr erfreulich. Er zeigt, dass es gelungen ist, durch Aufklärung über die gesundheitlichen Gefahren von Cannabis die Jugendlichen zu erreichen”, so Bätzing.
Bei Heroinkonsumenten hat es im Jahr 2007 leider eine Trendwende gegeben. Die Zahl der Drogentoten ist im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 % angestiegen. Es verstarben 1.394 Menschen an den Folgen des Konsums illegaler Drogen. 2006 waren es noch 1.296 Menschen. Eine klare Ursache für diese Entwicklung kann noch nicht benannt werden, weil die Auswertungsergebnisse noch nicht vorliegen. Eine mögliche Ursache könnte die veränderte Alterstruktur bei den Abhängigen sein, weil sie inzwischen älter geworden sind, aber auch der körperliche Verfall voranschreitet. Aber auch die private oder berufliche Perspektivlosigkeit von Heroinabhängigen können drogenbedingte Todesfälle begünstigen.
“Auch grenzüberschreitend müssen wir die Sucht und all ihre negativen Begleiterscheinungen angehen.” so Bätzing. “Sucht und Drogen kennen keine Grenzen. Die Auswirkungen des internationalen Drogenhandels und anbaus sind auch hier in Deutschland spürbar. Deshalb haben wir die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 erfolgreich genutzt, um die internationale Kooperation in der Sucht- und Drogenpolitik voranzutreiben. Entscheidend für die Verringerung von Drogenanbau- und handel ist die Armutsbekämpfung, die Verbesserung der Bildungschancen und Lebensbedingungen sowie die Prävention zur Reduzierung des Drogenkonsums in den Anbauländern.”
Der Drogen- und Suchtbericht steht unter http://www.drogenbeauftragte.de als Download zur Verfügung.