Mainz / Bonn – Der 13. Oktober ist der Geburtstag von Rudolf Virchow, der vor über 100 Jahren in Berlin maßgeblich zum Verständnis der Thrombose beigetragen hat und er wird seit 2014 als Weltthrombosetag gefeiert. Die tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ist danach keine typische Alterserscheinung, sondern eine vermeidbare Erkrankung.
Eine Thrombose oder Lungenembolie kann jeden treffen und es gibt eine Reihe von prominenten Opfern. Gerhard Tötschinger, langjähriger Wegbegleiter von Christiane Hörbiger, starb im Alter von 70 Jahren an einer Lungenembolie.
Die bekannte Tennisspielerin Serena Williams, langjährige Weltranglistenerste, erlitt eine Thrombose und Lungenembolie. Der Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder verstarb an einer Lungenembolie.
Eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie ist die Folge eines zufälligen Zusammentreffens mehrerer Risikofaktoren, wie mangelnde Bewegung, eine Veränderung der Blutgerinnung und eine Operation oder andere internistische Erkrankung. Viele weitere Faktoren wie Übergewicht, die Einnahme von Hormonen oder Zytostatika, Schwangerschaften oder entzündliche Darmerkrankungen können das individuelle Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie beeinflussen.
Die effektivste Therapie der Thrombose und der Lungenembolie ist die Antikoagulation. Gerade damit aber haben viele Ärzte und Patienten ihre Probleme. Die klassische Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten erfordert eine engmaschige Kontrolle mit regelmäßigen Blutabnahmen, unterschiedlichen Tagesdosen und Einschränkungen bei bestimmten Lebensmitteln. Anders ist dies bei den neuentwickelten direkten oralen Antikoagulantien. Sie hemmen nicht in der Leber die Synthese von Gerinnungsfaktoren, sondern wirken direkt auf den Faktor II (Faktor zwei) oder den Faktor X (Faktor zehn) und bedürfen keiner regelmäßigen Gerinnungskontrolle.
Als diese Medikamente 2011 in Deutschland erstmals auf den Markt kamen war die Zurückhaltung groß. Sie waren teurer als die bisherigen Vitamin-K-Antagonisten und eine Antikoagulation ohne regelmäßige Kontrollen der Gerinnung wurde als gefährlich angesehen. Dies hat sich mittlerweile geändert.
Die deutschen Ärzte verordnen seit 2012 immer weniger Vitamin-K-Antagonisten und immer mehr der neuen direkten oralen Antikoagulantien. Wie die regelmäßig von den gesetzlichen Krankenkassen publizierte Listen über die verordneten Arzneimittel berichten (www.gkv-gamsi.de) ist dabei Rivaroxaban (Xarelto®) das mit weitem Abstand am häufigsten verordnete Medikament. Ärzte und Patienten vertrauen dem Sicherheitsprofil dieses Antikoagulans und schätzen die gut verträgliche und effektive gerinnungshemmende Wirkung. Rivaroxaban hat mehr als 100 Jahre nach dem Wirken von Rudolf Virchow die Therapie der tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie revolutioniert und sicherer gemacht.
Sitzen oder Stehen – Was ist gefährlicher für die Thrombose?
Diese Frage bekam der bekannte Friseur Jens Dagné aus Worms oft gestellt und er hat sich deswegen schon viele Jahre mit den Auswirkungen des langen Stehens in seinem Beruf beschäftigt. Es gibt Untersuchungen zum potenziellen Zusammenhang zwischen körperlicher Arbeitsbelastung und langfristigen Krankschreibungen. So konnte eine dänische Studie mit 11.908 Lohnempfängern für die Jahre 2000 bis 2005 zeigen, dass, wenn man 25 Prozent oder mehr der gesamten Arbeitszeit in einer gebückten oder verdrehten Körperhaltung verbringt, das Risiko für eine langfristige Krankschreibung (mindestens 3 aufeinander folgenden Wochen) um das 1,6fache steigt. Hocken oder Knien steigert das Risiko um das 1,3fache. Auch wenn man dabei die Unterschiede im Alter, Geschlecht, psychosozialen Arbeitsumfeld, Lebensstil, Muskel-Skelett- und psychischen Störungen berücksichtigt, blieb dieser Zusammenhang bestehen (Andersen 2016).
Wiederum eine dänische Studie konnte zeigen, dass arbeitende Menschen, die potenziell länger in ergonomisch ungünstigen Positionen sitzen, im Vergleich zu Menschen mit einer dynamischen körperlichen Aktivität ein signifikant höheres Risiko für eine Lungenembolie haben (Suadicani 2012).
Schon 2005 hatte eine neuseeländische Arbeitsgruppe den Terminus SIT (seated immobility thromboembolism) für die mit dem Sitzen verbundene venöse Thromboembolien als eine neue lebensstilassoziierte Erkrankung des 21. Jahrhunderts beschrieben (Beasley 2005).
Eine stehende berufliche Belastung, wie sie für das Friseurhandwerk typisch ist, geht laut Literatur mit keinem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse einher, aber mit der Verschlechterung einer Varikosis (Krampfaderleiden). Natürlich ist die Varikosis eine in der Allgemeinbevölkerung häufige Erkrankung, die mit dem Alter zunimmt. Eine aktuell iranische Studie konnte aber zeigen, dass bei Friseurinnen, das lange Stehen das Risiko für eine Varikosis mehr als verdoppelt (Ebrahimi 2015). Eine englische Arbeit kam zu dem Ergebnis, das bei Friseuren im Alter von 45 Jahren oder jünger, die Häufigkeit der Varikosis in der eigenen Familie der wichtigste Risikofaktor für eine Varikosis ist. Bei Friseuren über 45 Jahre aber stehen die Auswirkungen der beruflichen Belastung im Vordergrund.
Friseure, die über 45 Jahre alt sind und mehr als 260 Stunden pro Monat stehend arbeiten, haben ein 32fach erhöhtes Risiko für eine Varikosis. Friseurinnen, die mehr 30 Jahre stehend gearbeitet haben, ein 11fach erhöhtes Risiko. Jens Dagné empfiehlt seinen Friseurinnen vor allem, so oft es möglich ist, sich auf einen Rollhocker zu setzen, insofern kann sich dann der Beruf stehend und sitzend abspielen. Leider gibt es bis heute keine Therapie, eine Varikosis effektiv zu vermeiden.