Berlin – Im Rahmen der neu ins Leben gerufenen Reihe „Dialogwochen“ der Deutschen Hirnstiftung wird zum Welt-MS-Tag am 30. Mai 2022 um 15:30 Uhr im Berliner Filmtheater Babylon der Film „Balanceakt“ gezeigt. Im Anschluss findet dann eine Informationsveranstaltung der Deutschen Hirnstiftung zum Thema MS statt. Betroffene, Angehörige und Interessierte haben dann die Gelegenheit, mit Expertinnen und Experten ins Gespräch zu kommen und ihre Fragen zu stellen. Das Programm hält u. a. einen Vortrag zu Ergebnissen aus der MS-Forschung und Therapieentwicklung bereit. Außerdem wird die neue Patientenleitlinie MS vorgestellt und über Selbsthilfeangebote in Berlin informiert.
Mit der Bereitstellung unabhängiger wissenschaftlicher Informationen zu neurologischen Erkrankungen möchte die Deutsche Hirnstiftung (DHS) Betroffenen und ihren Angehörigen ermöglichen, eine informierte Therapieentscheidung zu treffen. Ein weiteres Anliegen ist, neurologische Erkrankungen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Thema der zweiten Veranstaltung innerhalb der neuen Reihe „Dialogwochen“ ist am 30. Mai die Multiple Sklerose.
Den Auftakt bildet der Film „Balanceakt“. Der österreichisch-deutscher Fernsehfilm erzählt die Geschichte von Marie, einer Architektin, die mit der Diagnose MS konfrontiert wird. Im Anschluss findet die Informationsveranstaltung zum Thema statt – mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten. Neben einem Überblick von Prof. Dr. Kathrin Reetz, stellv. Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung, zur Arbeit der Stiftung wird Prof. Dr. Klemens Ruprecht, Charité Berlin, in seinem Vortrag „Was gibt es Neues aus Forschung und Therapie zur MS?“ die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über aktuelle Entwicklungen informieren. Dr. Insa Schiffmann, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wird die neue Patientenleitlinie vorstellen. Karin May, Geschäftsführerin der unabhängigen Selbsthilfeorganisation Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Berlin e. V., zeigt am Beispiel der Selbsthilfeangebote in Berlin, wie man lernen kann, mit dieser chronischen neurologischen Erkrankung umzugehen.
In Deutschland sind etwa 250.000 Menschen von MS betroffen. Es handelt sich um eine bislang unheilbare chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der es zum Untergang von Nervenzellen im Gehirn kommen kann. Die genauen Ursachen sind noch nicht hinreichend geklärt, vermutet wird ein Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren. Wie Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, betont, habe sich viel in Sachen Therapie getan. „Bei kaum einer Erkrankung lässt sich ein so schneller Forschungsfortschritt beobachten. Im Vergleich zur früher ist die MS heute gut beherrschbar!“
Viel wurde in der vergangenen Dekade vor allem durch innovative Medikamente erreicht. So sind z. B. sogenannte verlaufsmodifizierende MS-Immuntherapien (DMT/„disease modifying therapies“) in der Lage, die Schubrate und die messbare Krankheitsaktivität der MS deutlich zu senken. Diese neuen Medikamente „modulieren“ das fehlgeleitete und überaktive Immunsystem und können es über verschiedene Wirkmechanismen wieder in Balance bringen. Kontrovers wird derzeit die „richtige“ Strategie beim Einsatz der DMT diskutiert: Langsam einsteigen und bei Bedarf die Dosis steigern („treat to target“) oder frühzeitig die Maximaldosis geben („hit hard/smart and early“). Noch gibt es keine eindeutige Evidenz für die Überlegenheit einer der beiden Strategien, zurzeit widmen sich aktuelle Studien dem Vergleich beider Ansätze.
Auf Basis der aktuellen Datenlage wurde im vergangenen Jahr eine überarbeitete und erweiterte, konsensbasierte S2k-Leitlinie der AWMF und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie der MS erarbeitet und publiziert [1]. Sie soll die Studienergebnisse möglichst schnell in die klinische Routine implementieren und mit zunehmendem Erkenntnisgewinn regelmäßig als „living guideline“ angepasst und weiterentwickelt werden. Die Patientenleitlinie, die auf der Veranstaltung vorgestellt wird, übersetzt das Wissen der Leitlinie in laienverständliche Sprache und ermöglicht Betroffenen so eine aktive Partizipation und Teilhabe an Therapieentscheidungen.
So möchte die Veranstaltung vermitteln, wie man die Krankheit im Rahmen der eigenen Möglichkeiten proaktiv in die Hand nehmen und aktiv werden kann. Sie lässt viel Raum für Fragen und Diskussionen und den Austausch mit den Expertinnen und Experten. Die Betroffenen erhalten konkrete Hilfen zur Alltagsbewältigung, Informationen über Therapieoptionen, zu Medikamenten und Nebenwirkungen sowie zu allen Fragen rund um MS.
Die Patientenveranstaltungen der Deutschen Hirnstiftung stehen grundsätzlich jedem offen und sind kostenfrei (auch der Kinofilm). Aufgrund begrenzter Platzkapazität ist es aber in jedem Fall ratsam, sich vorab anzumelden unter www.hirnstiftung.org/veranstaltungen/2022-berlin
Literatur
[1] Hemmer B et al. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 10.05.2021)