Berlin – Zum Weltaidstag erklären Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Menschenrechtspolitik, Uwe Kekeritz, Sprecher für Gesundheit in Entwicklungsländern, und Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention und Patientenrechte:
Die Prävention von HIV und die Situation der Menschen mit HIV und AIDS muss wieder auf die Tagesordnung der Politik.
Die sozialen Sicherungssysteme müssen die besonderen Lebensumstände der Menschen mit HIV und AIDS besser berücksichtigen und müssen deshalb angepasst werden. Noch nie lebten so viele Menschen mit HIV und Aids in Deutschland. Dies liegt vorwiegend an der besseren Therapierbarkeit und dem längeren Überleben der Betroffenen. Dazu im Kontrast steht die materielle Situation der schon seit längerem infizierten und erkrankten Menschen. Viele davon haben ihre Arbeit verloren und sind auf Rente und Grundsicherung angewiesen. HIV-Infizierte, die wieder arbeiten können und wollen, erleben verschiedenste Schwierigkeiten, wenn sie wieder in das Berufsleben zurückkehren. Nur wenige trauen sich ihre Infektion am Arbeitsplatz offen zu legen, weil sie immer noch mit Diskriminierungen rechnen müssen. Die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit führt zu erheblichen Nachteilen bei der Rente, weshalb dieser Schritt oft unterbleibt. “Arbeit auf Probe” wäre eine gute Möglichkeit, um die eigene Leistungsfähigkeit, abhängig von der gesundheitlichen Situation testen zu können.
In Deutschland stagniert die Zahl der HIV-Neuinfektionen mit rund 3000 Menschen jährlich erfreulicherweise auf niedrigem Niveau. Die niedrigen Infektionsraten dürfen nicht dazu führen, dass die erfolgreichen Wege der Prävention aufgegeben werden. Gruppen mit besonderen Risiken (wie etwa Schwule, Drogengebraucher, Frauen, Migranten aus Hochprävalenzländern) müssen an der Entwicklung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen beteiligt werden.
Obwohl zwei Drittel der Menschen mit HIV arbeiten, müssen immer noch Diskriminierungen in der Arbeitswelt beseitigt werden. Arbeitgeber, Gewerkschaften und Repräsentanten des öffentlichen Lebens sind besonders gefordert.
Weltweit sind im Kampf gegen HIV/AIDS echte Erfolge zu verzeichnen. Die neuesten von UNAIDS vorgelegten Zahlen zeigen sowohl einen Rückgang der Neuinfektionen als auch der Todesfälle durch AIDS. Trotzdem gibt es keinerlei Anlass, sich auf diesen Zwischenerfolgen auszuruhen. Die Zahl der HIV-infizierten Menschen steigt weiterhin an und immer noch erhält die Mehrheit der Menschen mit HIV/AIDS keine Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten.
Deutschland muss die für die HIV-Bekämpfung bereitgestellten Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit weiter erhöhen und dazu auch innovative Finanzierungsinstrumente nutzen. Zielgruppenorientierte Präventionsmaßnahmen müssen weltweit aufrecht erhalten und ausgebaut werden. Der Zugang zu antiretroviralen Medikamenten muss weiterhin sichergestellt und auf alle behandlungsbedürftigen Menschen ausgeweitet werden. Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern müssen gestärkt werden, damit öffentliche Gelder möglichst effizient eingesetzt werden können.
Der Ausschluss von Schwulen aus der Primärprävention und der Gesundheitsversorgung in den Programmen vieler Länder muss überwunden werden.
Die Regierung muss sich auf europäischer Ebene dafür einsetzten, dass die Lieferung von Generika in Entwicklungsländer nicht durch die Beschlagnahmung von Medikamenten im Transit durch die EU behindert wird . In der EU-Handelspolitik muss die Regierung darauf dringen, dass Entwicklungsländer die Flexibilität des TRIPS-Abkommens in Bezug auf die Herstellung von Generika voll nutzen können. Patente dürfen für Menschen in Entwicklungsländern keine Barrieren darstellen, die HIV-Medikamente unerreichbar machen. Dies gilt insbesondere auch für neue, verbesserte Präparate.