Berlin, 15. September 2020 – Datenauswertung des ALM e.V. zur SARS-CoV-2-Testung der Labore in KW 37: Labore an der Belastungsgrenze.
Zwar tritt heute die „Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ in Kraft. Für die Akkreditierten Labore in der Medizin – ALM e.V. bedeutet das jedoch noch keine Zeit zum Durchatmen: „Wir sind froh, dass die Bundesregierung zur ursprünglichen Teststrategie zurückkehrt“, räumt Dr. Michael Müller ein. Bis sich dies auf die Testzahlen in den Laboren niederschlage, werde es allerdings noch dauern. Langsam aber stetig steige zudem der Bedarf an Diagnostik für andere Infektionen an. „Wir bereiten uns derzeit auf die beginnende Herbst- und Wintersaison mit dem sicher hohen Bedarf an breit angelegter PCR-Diagnostik für akute Atemwegserkrankungen vor“, so der 1. Vorsitzende des fachärztlichen Berufsverbandes.
Zwar hätten einige Bundesländer – wie zum Beispiel Bayern – bereits begonnen, ihre Teststrategie anzupassen, teilt der ALM e.V. mit. Doch die aktuellen Zahlen aus der KW 37 zeigen bundesweit ein unvermittelt sehr hohes Testgeschehen, was sicher auch auf die vermehrte Testung von Beschäftigten in Bildungseinrichtungen sowie Schülerinnen und Schülern zurückzuführen ist: So lag die Zahl der SARS-CoV-2-PCR-Tests in der vergangenen Woche mit 1.017.728 Tests erneut auf Rekordniveau. Der Auslastungsgrad der Labore liegt bundesweit bei nahezu 90 Prozent und in vielen Regionen deutlich darüber. Dies führt dazu, dass die Zahl der am Montag noch offenen Befunde, der sogenannte „Rückstau“, mit rund 32.400 Tests um etwa 9 Prozent höher liegt als in der Vorwoche.
„Die Teams in der Laboren arbeiten unvermindert am Anschlag, damit alle Proben so schnell wie möglich bearbeitet und die Ergebnisse übermittelt werden können“, so Müller. Dagegen hält sich die Positivrate noch immer bei unter einem Prozent (0,88 Prozent). Laut WHO-Papier vom Mai 2020 gilt die Covid-19-Pandemie dann als unter Kontrolle, wenn zum Beispiel die Positivrate unter 5 Prozent liegt. „Im weltweiten Vergleich sind wir eines der Länder, das die Pandemie mit einer hohen Testquote bislang besonders gut kontrolliert“, stellt Evangelos Kotsopoulos fest.
Der Vorstand im ALM e.V. rät deshalb eindringlich zur Besonnenheit: „Es ist nachvollziehbar, dass möglichst viele Menschen Klarheit und Sicherheit haben wollen und sich gerade, wenn sie mit vielen Menschen zusammenarbeiten, immer mal wieder testen lassen wollen. Viel wichtiger ist jedoch die konsequente Einhaltung der AHA-Regeln. Auch bringen mehr Tests de facto nicht mehr Sicherheit, denn jeder Test für sich gesehen ist nur eine Momentaufnahme im Augenblick der Abstrichentnahme, besonders dann, wenn keine Symptome vorliegen und auch kein weiterer Anlass für diese Untersuchung besteht“, so Kotsopoulos.
Dieser Auffassung ist auch Dr. Andreas Gassen, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): „Wir brauchen eine deutlich über die Maskenfrage hinausreichende Strategie, um einen erneuten flächendeckenden starken Anstieg von Infektionen zu vermeiden.“ Zu einer derartigen Strategie gehöre mehr „als möglichst vielen Menschen Wattestäbchen in die Nase zu stecken“, sagte Gassen anlässlich der Vertreterversammlung der KBV am vergangenen Freitag. Es müsse wieder mehr anlassbezogen getestet werden. Risikogruppen wie medizinisches Personal seien dabei besonders zu berücksichtigen. Mehr Tests führten zu mehr positiven Ergebnissen. Daraus lasse sich aber nicht automatisch eine erhöhte pandemische Aktivität ableiten.
Ein Element der von Gassen postulierten Strategie könnten nach Auffassung der Akkreditierten Labore in der Medizin die neuen, in Kürze für die Versorgung verfügbaren SARS-CoV-2-Antigen-Tests sein. Hinsichtlich ihrer diagnostischen Effizienz würden sie aktuell noch genauer untersucht, sodass sie für eine breite Zielgruppe einsetzbar seien, erläutert Prof. Jan Kramer. Bislang könnten sie, so der ALM-Vorstand und Sprecher der AG Versorgungsforschung, gegebenenfalls bei der Klärung spezifischer und zeitkritischer Fragestellungen hilfreich sein. Für einen Routineeinsatz bedürfe es aber noch einer praktischen Handlungsempfehlung auf Basis der laufenden Evaluation. „Wir hoffen, dass die Antigen-Tests bald auch eine größere Rolle im Rahmen der Gesamtstrategie spielen können“, so der Internist und Facharzt für Laboratoriumsmedizin.
Auch die Corona-Warn-App der Bundesregierung leiste einen wichtigen Beitrag, die Pandemie in Zaum zu halten. Es seien jedoch noch einige Hausaufgaben zu erledigen, mahnt Dr. Christian Scholz: „Dringend nötig ist eine bessere Aufklärung in den Testzentren und Abstrichstellen, damit die zu Testenden auch ihr Einverständnis in die pseudonymisierte Datenübermittlung geben“, so der ALM-Vorstand und Sprecher der AG IT. „Ohne diese Einwilligung ist das Mittel der digitalen Kontaktverfolgung weitgehend wirkungslos. Insgesamt jedoch funktioniert das Konzept, denn wir erhalten SARS-CoV-2-Aufträge aufgrund der Warnung durch die App, bei denen auch positive Befunde erhoben werden. So erfüllt die App den ihr zugedachten Zweck als ein Mittel zur Aufdeckung von Covid-19-Fällen.“
Nach Information des ALM e.V. warten einzelne Labore auch noch immer auf eine plattformunabhängige Anbindung durch die Telekom. „Wir tun gut daran, diese Lücken noch vor dem Herbst zu schließen“, rät Dr. Michael Müller. „Damit wir auch in Zukunft die Pandemie gut überstehen!“
Ein Hinweis in eigener Sache: Um insbesondere Landrät*innen und Bürgermeister*innen sowie Entscheider*innen für die labordiagnostische Versorgung vor Ort einen besseren Überblick zu geben, haben wir die Informationsseite „Corona Diagnostik Insights“ mit Laborfinder sowie Zahlen, Daten und Fakten zur Covid-19-Labordiagnostik eingerichtet. Diese erreichen Sie unter
www.corona-diagnostik-insights.de
Darüber hinaus finden Sie auf unserer Homepage www.alm-ev.de einen umfassenden Katalog an Fragen und Antworten zum Thema. Diesen aktualisieren wir regelmäßig. Bei weiteren Fragen freuen wir uns über Ihre schriftliche Anfrage an c.wanke@alm-ev.de.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die hier ermittelten Daten mit weiteren Daten am RKI zusammengeführt werden. Die daraus entstehenden Daten stellen das Gesamtbild über das Testgeschehen in Deutschland dar. Eine anderweitige Nutzung der Daten darf nur mit Hinweis auf die Erhebung des ALM e.V. als Quelle erfolgen.
Weitere Infos zum SARS-CoV-2 Virus und zu Covid-19 und zur aktuellen Lage finden Sie unter
www.rki.de / www.bmg.bund.de / www.kbv.de
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Über die Akkreditierten Labore in der Medizin – ALM e.V.
ALM e.V. ist der Berufsverband der Akkreditierten Medizinischen Labore (ALM) in Deutschland. Der Verband vertritt derzeit über 200 medizinische Labore mit 900 Fachärzten, rund 500 Naturwissenschaftlern und etwa 25.000 qualifizierten Mitarbeitern. Der Zweck des Vereins ist die Förderung und Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen labormedizinischen Patientenversorgung in Deutschland. Die Mitglieder des Verbandes sichern eine flächendeckende Patientenversorgung, auch in strukturschwachen Gebieten. Die Mitgliedslabore sind nach der höchsten Qualitätsnorm für medizinische Laboratorien (DIN ISO EN 15189) akkreditiert und erfüllen uneingeschränkt die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK). Die Aus- und Weiterbildung des ärztlichen und technischen Personals ist ein wesentlicher Aspekt ihrer täglichen Arbeit, um langfristig die zuverlässige Versorgung von Millionen von Patienten sicherstellen zu können. Der Verein strebt eine kollegiale Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Selbstverwaltung, den medizinischen Fachgesellschaften, Berufsverbänden und Vereinen an, um gemeinschaftlich die Zukunft der Labore in der medizinischen Diagnostik in Deutschland zu gestalten.