Berlin – Geht es nach dem Willen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dann sind die durch sie vertretenen Kliniken die einzigen Nutznießer der politisch gewollten Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Versorgungsbereich. Den ambulant operierenden Praxen, Ambulante Operationszentren (AOZ) und Praxiskliniken hingegen spricht die DKG die fachliche Kompetenz ab und streut Zweifel, dass die darin arbeitenden niedergelassenen Vertragsärzt*innen den Sicherstellungsauftrag aufrechterhalten können. Anders ist das jüngst publik gewordene DKG-Positionspapier zur Ambulantisierung im stationären Versorgungsbereich und zur Einführung von Hybrid-DRG und ambulant-klinischen Leistungen nicht zu verstehen.
Der Präsident des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO), Dr. Christian Deindl, warnt daher: „Schon viel zu oft ist es der DKG vortrefflich gelungen, die Öffentlichkeit mit ihren Äußerungen zu täuschen. Es war nicht zuletzt auch ihr Verhalten, das unser Gesundheitssystem in die gegenwärtige komplexe Schieflage gebracht hat.“ Das am 1. April 2022 vorgelegte Gutachten des Berliner IGES-Instituts und der daraus resultierende neue Katalog ambulanter und stationsersetzender Leistungen (AOP-Katalog) sollte eigentlich dazu beitragen, das Gesundheitswesen aus eben dieser Schieflage zu befreien.
„Die DKG legt dieses Gutachten allerdings nach eigenem Gutdünken aus“, kritisiert Dr. Deindl, „sie zimmert sich sogar einen eigenen dritten, sogenannten ambulant-klinischen Sektor zurecht, statt endlich einer sektorenverbindenden Patientenversorgung und den hierfür erforderlichen Kompromissschritten zuzustimmen.“ Denn aus dem DKG-Positionspapier geht hervor, dass die Krankenhausgesellschaft nur diesem neugeschaffenen Sondersektor die Abrechnung mit Hybrid-DRG zugesteht, während die vermeintlich banalen ambulanten Eingriffe in Praxen, ambulanten OP-Zentren und Praxiskliniken sowie in Krankenhäusern weiterhin nach bisherigen EBM-Maßstäben durchgeführt und honoriert werden sollen.
Diese Haltung der DKG ist auch für den stellvertretenden BAO-Präsident, Dr. Axel Neumann, völlig inakzeptabel. Er kritisiert insbesondere, dass die DKG die Einführung des sogenannten Kontextfaktoren-Modells strikt ablehnt, das auch Ausgangsbasis für die gesetzlich geforderte Schweregraddifferenzierung und für ein noch zu entwickelndes neues Vergütungssystem sein soll. „Der einzige Grund für diese Ablehnung ist, dass die Kontextfaktoren ökonomischen Interessen der Krankenhäuser widersprechen – ein unhaltbarer, öffentlicher Affront gegen die von allen ärztlichen Akteuren in Klinik und Praxis und vor allem von den Patientenvertretern geforderte Fokussierung der Patientensicherheit!“, mahnt Dr. Neumann. „Die IGES-Gutachter*innen haben sich erfreulich präzise und propädeutisch dazu geäußert“, meint Dr. Neumann, „genau dieses Modell ist ein wichtiges und unverzichtbares Qualitätsmerkmal einer wirklich gelungenen Ambulantisierung. Es darf auf keinen Fall geopfert werden.“
Es zeugt nach Auffassung des BAO zudem von Hybris und Selbstüberschätzung, wenn die DKG mehrmals von ihrem multiprofessionellen Hintergrund spricht. „Ein solcher ist zweifelsfrei in großen klinischen Versorgungseinheiten und Universitätsklinika gegeben. Zuweisende kooperierende niedergelassene Fachärzt*innen sowie ihre Patient*innen wissen diese Tatsache im Versorgungsalltag zu schätzen – doch ansonsten herrscht Mangel“, erklärt Dr. Neumann: „Was wissenschaftlich begründet sein soll, ist im Prinzip eine gezielte Kampagne gegen niedergelassene Spezialist*innen, die unabhängig und nicht durch Steuergelder finanziert die ambulante Gesundheitsversorgung schon jetzt flächendeckend sicherstellen.“
Dr. Deindl und Dr. Neumann legen daher Wert auf die Feststellung, dass es den Kliniken kaum gelingen dürfte, den ambulanten Sicherstellungsauftrag zu übernehmen: „Wenn sich Fachkräfte im großen Stil aus ihrem Beruf verabschieden, dann handelt es sich vor allem um das Pflegepersonal in den Kliniken – begleitet von leitenden spezialisierten Fachärzt*innen aller Disziplinen, die kein Interesse mehr finden an mangelhafter Versorgung unter dem ökonomischen Diktat von Konzern-Geschäftsführern“, erklären die beiden BAO-Vertreter. „Und gerade deshalb ist aus Sicht unserer Patient*innen die sektorenverbindende Versorgung schon längst das Gebot der Stunde – losgelöst von den ausschließlich ökonomischen Interessen der DKG. Die Chefärzt*innen sehen ohnehin längst diesen Reformbedarf und fokussieren dabei ebenso die Patient*innen.“
Für die BAO-Spitze ist deshalb klar: „Offensichtlich hat die DKG mit dem Vertragspartner KBV bereits komplett abgeschlossen, weil sie bei der Umsetzung des Gutachtens und AOP-Kataloges explizit auf sich selbst und die gesetzliche Krankenversicherung verweist – der Wille des Gesetzgebers wird damit öffentlich schamlos konterkariert. Vor allem aber wird die Zukunftsfähigkeit der sogenannten gemeinsamen Selbstverwaltung dadurch erneut vorsätzlich zerstört – im Vertrauen darauf, dass ein SPD-Gesundheitsminister auf Ersatzvornahmen zu Lasten von Krankenhäusern im Allgemeinen verzichten wird.“
Der BAO vertritt mit den assoziierten Verbänden der Zukunftsgruppe Ambulantes Operieren 2022 zirka 3.000 Fachärzt*innen.