Heidelberg – Wachsen Prostatakrebszellen trotz des Entzugs männlicher Geschlechtshormone, so ist die Erkrankung nur noch schlecht unter Kontrolle zu halten. In der aktuellen Ausgabe des International Journal of Cancer (IJC) beschreiben japanische Forscher eine Virustherapie als mögliche Behandlungsoption für dieses Krebsstadium. Weitere Themen im aktuellen Heft: neu entdeckte Erbgutveränderungen beim Lynch-Syndrom sowie der Einfluss des Wachstumsfaktors PDGF bei der Entstehung von Hirntumoren. Die Druckversion des IJC 124 (10) erscheint am 15. Mai.
Prostatakrebs spricht zu Beginn fast immer gut auf Entzug der männlichen Geschlechtshormone (Androgene) an. Mit der Zeit jedoch beginnt ein Teil der Tumorzellen, trotz der Androgenblockade zu wachsen. Damit verliert eine der wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten ihre Wirksamkeit.
An der Universität Osaka ließen Yoshifumi Kawaguchi und Kollegen hormonunabhängig wachsende Prostatakrebs-Zelllinien des Menschen in Mäusen zu Tumoren heranwachsen. In diese Tumoren injizierten die Forscher das Sendaivirus HVJ-E. Die Viren regten in den Krebszellen die Bildung des Immunbotenstoffs Interferon an, wodurch die Krebszellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) getrieben wurden. Nach dieser Behandlung waren 85 Prozent der Mäuse tumorfrei. Die Autoren zeigten, dass das Virus HVJ-E bevorzugt hormonunabhängig wachsende Prostatakrebszellen infiziert, Zellen aus gesundem Prostatagewebe werden durch die Behandlung kaum geschädigt. Die Forscher planen nun klinische Studien, um die Methode genauer zu prüfen.
Das Lynch-Syndrom, eine Form des erblichen Darmkrebses (HNPCC), ist durch Veränderungen einzelner Erbgutbausteine in einer Reihe von Genen gekennzeichnet, die bei der Reparatur von Erbgutschäden eine Rolle spielen. Bei einigen Patienten jedoch, deren klinische Symptome auf das Lynch-Syndrom schließen lassen, sind diese charakteristischen Mutationen nicht nachweisbar.
Annette Gylling und Kollegen von der Universität Helsinki entdeckten bei einem Teil dieser Patienten den Verlust großer DNA-Bereiche. Bei anderen Kranken stellten sie so genannte epigenetische Mutationen fest: Hier waren die DNA-Reparaturgene durch chemische Modifikationen stumm geschaltet. Die Autoren schlagen vor, bei Verdacht auf das Lynch-Syndrom neben dem Nachweis der klassischen Punktmutationen auch nach den DNA-Verlusten und epigenetischen Veränderungen zu fahnden, um eine vererbte Anfälligkeit für Krebs möglichst frühzeitig zu erkennen.
Gliome, die häufigsten und auch die gefährlichsten Hirntumoren, gehen aus Stützgewebe des Gehirns, der so genannten Glia, hervor. In dieser heterogenen Gruppe von Krebserkrankungen hat das Glioblastom die schlechteste Prognose – mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von weniger als einem Jahr gilt es als die aggressivste aller Krebserkrankungen des Menschen. Eine Gemeinsamkeit nahezu aller Gliome sind Defekte im Signalweg des Wachstumsfaktors PDGF (platelet derived growth factor). Neuronale Vorläuferzellen der Maus können durch die Gabe von PDGF zu Gliomzellen umprogrammiert werden.
Irene Appolloni und Kollegen im italienischen Nationalen Krebsforschungsinstitut in Genua untersuchten daher die Wirkung des Wachstumsfaktors auf neuronale Vorläuferzellen. Die Forscher “zwangen” unreife Vorläuferzellen, aus denen normalerweise alle verschiedenen Zelltypen des zentralen Nervensystems hervorgehen können, zur Produktion großer Mengen von PDGF. Überraschenderweise gehörten die entstehenden Krebszellen alle demselben Gewebetyp an und wiesen nicht die erwartete Heterogenität auf. Die Forscher vermuten, dass PDGF die Vorläuferzellen alle in eine bestimmte Richtung programmiert. Interessanterweise lässt PDGF ausschließlich die Zellen, in denen es gebildet wird, zu Krebs entarten, hat aber keinen Einfluss auf die Nachbarzellen.
Kawaguchi et al. Efficient eradication of hormone-resistant human prostate cancers by inactivated Sendai virus particle DOI: 10.1002/ijc.24234
Gylling et al. Large genomic rearrangements and germline epimutations in Lynch syndrome DOI: 10.1002/ijc.24230
Appolloni et al. PDGF-B induces a homogeneous class of oligodendrogliomas from embryonic neural progenitors DOI: 10.1002/ijc.24206
Weitere Artikel sind unter folgendem Link verfügbar: http://www3.interscience.wiley.com
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