Wiesbaden – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) setzt sich dafür ein, virtuelles Funktionstraining als Kassenleistung zu etablieren. Die Hertie-Stiftung fördert das Kooperationsprojekt von DMSG Hessen und Hochschule Fresenius mit 120.000 Euro.
Bewegung und sportliches Training sind sehr wirksame Präventionsmaßnahmen und eignen sich bei guter Abstimmung als therapeutische Intervention bei zahlreichen Krankheitsbildern. Auch für neurodegenerative Krankheitsbilder liegen inzwischen evidente Erkenntnisse aus der Forschung vor, die Bewegung und gezieltes Training befürworten. „Insbesondere für Menschen mit Multiple Sklerose spielt die Art des Trainings sowie dessen Dosierung eine sehr große Rolle. Deshalb setzen wir uns im Forschungskonsortium seit vielen Jahren mit der Auswahl geeigneter Trainingsmaßnahmen auseinander“, sagt Prof. Dr. Christian T. Haas, Direktor des Instituts für komplexe Systemforschung an der Hochschule Fresenius, der die Maßnahmen wissenschaftlich begleitet und untersucht.
Das Funktionstraining für Menschen mit Multiple Sklerose ist ein noch junges Projekt in der Gesundheitsversorgung. Unter den Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie hat die DMSG Hessen einen Onlinezugang zum Training aufgebaut, der in vierzehn Gruppen ein systematisches Training ermöglicht. „In der Pandemie müssen besonders MS-Erkrankte, die zur Risikogruppe gehören, auf viel verzichten. Das Funktionstraining bietet die Möglichkeit körperlich aktiv zu sein, trotz Social Distancing und unter qualifizierter Anleitung“, erklärt Dagmar Spill, Vorsitzende DMSG Hessen.
Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung fördert nach der Pilotphase das Transferprojekt mit 120.000 Euro, so dass die DMSG das Funktionstraining bundesweit ausbauen kann. „Wir sind vom Konzept und Aufbau des Funktionstrainings – in Präsenz und virtuell – überzeugt und unterstützen die Zusammenarbeit von DMSG und Hochschule Fresenius“, sagt Dr. Eva Koch, Leiterin der Multiple Sklerose Projekte der Gemeinnützigen Hertie Stiftung.
Online – Funktionstraining auf Rezept
„Die Unterstützung der Krankenkassen muss für das virtuelle Funktionstraining auch nach dem Ende der Pandemie möglich bleiben. Es sollte Teil der Regelversorgung werden“, betont Prof. Dr. med. Judith Haas, Vorsitzende DMSG Bundesverband e.V.: „MS-Erkrankte aus ländlichen Regionen oder weniger mobile Patienten, profitieren ganz besonders von diesem Bewegungsangebot.“
Prof. Dr.med. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): „Aus medizinischer Sicht ist das Funktionstraining von enormer Wichtigkeit für MS-Patienten. Es geht hier nicht um ein Fitnesstraining zum Konditionsaufbau, sondern darum, gezielt krankheitsbedingten Funktionsverlusten entgegenzuwirken. Dafür benötigen die Patientinnen und Patienten eine professionelle Anleitung. Das virtuelle Funktionstraining als flächendeckendes Angebot auch nach der Pandemie auszubauen und so Patienten Teilhabe zu ermöglichen, die sonst aufgrund ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben Präsenzangebote wahrzunehmen, ist eine sinnvolle Forderung, welche die DGN als wissenschaftliche Fachgesellschaft vollumfänglich unterstützt.“
Hintergrund:
Der DMSG-Bundesverband e.V., 1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge.
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und derzeit 820 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, 4.000 engagierten ehrenamtlichen Helfern und 250 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG rund 44.000 Mitglieder.
Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.
MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.