Berlin – Obwohl immer mehr Ärzte auch Videosprechstunden anbieten, geben die meisten Deutschen an, noch keine eigene Erfahrung mit der Videosprechstunde gemacht zu haben. Viele wünschen sich allerdings mehr Informationen rund um die ärztliche Konsultation am Bildschirm. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kam eine aktuelle Befragung der Stiftung Gesundheitswissen zum Thema Videosprechstunden.
Es klingt so einfach: den Anfahrtsweg spart man sich, die Geduld im Wartezimmer auch und zum Termin setzt man sich einfach an den heimischen Küchentisch. Doch Videosprechstunden und Fernbehandlungen waren lange Zeit umstritten. Erst 2018 ebnete der Deutsche Ärztetag den Weg dafür. Nun bescherte die Corona-Pandemie dem Thema einen gehörigen Schub, nicht zuletzt aufgrund der Angst vor Ansteckung und Sonderregelungen, die eine unbegrenzte Anzahl an Videosprechstunden pro Quartal vorübergehend ermöglichten. So stieg laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) auch die Zahl von knapp 3000 Videosprechstunden im Jahr 2019 auf 1,4 Millionen allein im ersten Halbjahr 2020. Trotzdem bevorzugen die meisten Deutschen immer noch den persönlichen Kontakt, wenn es um ihre Gesundheit geht. Das zeigt eine repräsentative Befragung der Stiftung Gesundheitswissen. Zwar wissen die meisten um die Möglichkeit eines ärztlichen Gesprächs über den Bildschirm: 84 Prozent der Befragten bejahten die Frage, ob sie das Angebot grundsätzlich kennen – im Übrigen unabhängig vom Alter, denn auch bei der Altersgruppe 60 Jahre und älter gaben 83 Prozent an, von Videosprechstunden gehört zu haben. Aber nur vier Prozent der Befragten gaben an, auch schon einmal Patient oder Patientin in einer Videosprechstunde gewesen zu sein.
Mehr Informationen zu Funktion und Einsatzkontext gewünscht
Auch wenn die Möglichkeit einer Sprechstunde per Video bekannt ist: 44 Prozent der Befragten geben an, dass sie gern mehr zum Thema wissen würden, z. B. darüber, bei welchen Beschwerden sie genutzt werden kann, zur technischen Ausstattung oder wie eine solche Videosprechstunde abläuft. Dieses fehlende Wissen könnte ein Grund dafür sein, dass viele Deutsche noch keine eigenen Erfahrungen mit dem Arztgespräch über den Bildschirm gemacht haben. „Videosprechstunden sind eine Chance für die zukünftige Gesundheitsversorgung in Deutschland“, betont Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen. Doch laut Suhr könne man digitale Kompetenzen beim Thema Gesundheit nicht voraussetzen. „Auch wenn die Zahl an Online-Sprechstunden weiter steigt, bleiben für viele Menschen die Hürden zur Nutzung solcher Medien für die eigene Versorgung bestehen“, so Suhr. Denn Wissen in der Vielfalt des Online-Angebots zu finden, zu verstehen und es für sich einzusetzen, falle nicht allen gleichermaßen leicht. Gut verständliche Informationen auch zu aktuellen digitalen Gesundheitsthemen können dabei helfen, die Gesundheitskompetenz zu verbessern. „Nur so gelingt es, dass neue digitale Lösungen im Gesundheitsbereich von allen Seiten erfolgreich genutzt werden können“, erläutert Suhr.
Wie funktioniert die Videosprechstunde?
Informationen zum Thema Videosprechstunde und wie sie funktioniert sind auf dem Gesundheitsportal der Stiftung Gesundheitswissen gebündelt: www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/wie-funktioniert-die-videosprechstunde
Freie Termine, die Angst vor Ansteckung und Zeitersparnis als Gründe für eine Nutzung
Nur vier Prozent der Befragten gaben an, schon einmal Patient oder Patientin in einer Videosprechstunde gewesen zu sein. Für diese Patienten sind vor allem die Angst vor einer Ansteckung (31 %), ein früher verfügbarer Termin sowie die gesparte Anfahrt (beides mit 27 %) Gründe ihren Bildschirm dem Wartezimmer vorzuziehen. Darüber hinaus wird auch die Vermeidung von Wartezeiten, die Art des Anliegens (Routine) oder das Fehlen eines Facharztes in der Nähe genannt.
Zeitersparnis auch im Vordergrund bei den Erfahrungen mit digitaler Sprechstunde
Diejenigen, die schon einmal an einer Videosprechstunde teilgenommen haben, assoziieren überwiegend positive Aspekte damit. So wird die Alternative vor dem Bildschirm von den Patienten vor allem als zeitsparend (84 %) und zielführend (82 %) gesehen. Etwa die Hälfte von ihnen gab an, dass die Behandlung gleichwertig zu einer Sprechstunde vor Ort empfunden wurde. Den Eindruck, dass eine Videosprechstunde kompliziert ist, hatten 23 Prozent und 22 Prozent empfinden sie als unpersönlich.
Persönlicher Arztkontakt bleibt wichtig
Die Gründe, aus denen noch keine Videosprechstunde in Anspruch genommen wurde, sind vielfältig. Die meisten Befragten geben an, in der letzten Zeit keinen Anlass für einen Termin beim Arzt gehabt zu haben (39 %). Direkt dahinter folgt als Grund, dass man gesundheitliche Fragen doch lieber persönlich vor Ort in der Praxis bespricht (37 %). Vor allem die Gruppe der über 60-Jährigen gibt mit 46 Prozent an, deswegen keine Videosprechstunde vereinbart zu haben. Etwa ein Drittel der Befragten erklärt, dass sie bisher noch gar nicht auf die Idee gekommen sind, einen Arzttermin online wahrzunehmen. Dass ihr Arzt keine Videosprechstunde anbietet, ist für 30 Prozent die Hürde zum Online-Arztgespräch. Und auch hier gaben 13 Prozent der Befragten fehlende Informationen zum Ablauf als Grund für die Nichtnutzung einer Videosprechstunde an. 12 Prozent der Befragten wussten nicht, wie man eine Praxis mit Videosprechstunde findet. Die technische Ausstattung ist bei den wenigsten ein Problem (4 %).
Alle Ergebnisse und Grafiken der Erhebung im Überblick:
www.stiftunggesundheitswissen.de/Ergebnisse_Befragung_Videosprechstunde.pdf
Hintergrund zur Studienerhebung:
Die Daten für die Studie „Informationsstand und Nutzung von Videosprechstunden“ der Stiftung Gesundheitswissen sind in einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung erhoben worden. An ihr nahmen 1.015 Personen ab 18 Jahren teil. Sie wurde im Oktober/November 2021 von forsa durchgeführt.
Über die Stiftung Gesundheitswissen:
Die gemeinnützige, operative Stiftung Gesundheitswissen mit Sitz in Berlin will die Kompetenz von Menschen in Deutschland im Hinblick auf Gesundheit und Prävention stärken und die Informationsasymmetrien zwischen Arzt und Patient abbauen. Dazu erstellt sie u.a. laienverständliche Gesundheitsinformationen auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, zeigt Präventionsmöglichkeiten sowie Behandlungsalternativen auf und fördert das Gesundheitswissen im Allgemeinen. Stifter ist der Verband der Privaten Krankenversicherung.