„Blutplasmaprodukte sind lebensnotwendig. Daher ist es ein erster wichtiger Schritt, dass der Rat der Europäischen Union die SoHo-Verordnung Anfang dieser Woche annahm. Mit der Verordnung schafft die EU eine erste Grundlage, um die Sicherheit und Qualität von Blut, Gewebe und Zellen in der Gesundheitsversorgung zu verbessern und die grenzüberschreitende Verarbeitung dieser Stoffe in der EU zu erleichtern“, sagt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). „Jetzt kommt es darauf an, die Verordnung pragmatisch umzusetzen, um die Versorgungssicherheit mit Blutplasmaprodukten auch langfristig zu gewährleisten“, betont Joachimsen.
Die neuen Regeln der SoHo-Verordnung legen fest, dass die Spende von Substanzen menschlichen Ursprungs freiwillig erfolgen soll, ohne direkte Anreize oder finanzielle Gegenleistung. Angemessene Aufwandsentschädigungen sind jedoch zulässig, um Spender nicht finanziell zu belasten. Gleichzeitig will die EU die Spendenbereitschaft in den Mitgliedstaaten fördern, wie zum Beispiel durch nationale Förderprogramme oder Kampagnen. Mitgliedstaaten sollen ihre Sammelkapazitäten erhöhen. Zudem wird der grenzüberschreitende Austausch von Substanzen humanen menschlichen Ursprungs erleichtert und die Zusammenarbeit nationaler Gesundheitsbehörden intensiviert. All diese Maßnahmen sollen darauf einzahlen, Abhängigkeiten zu reduzieren, so dass sich die EU weitgehend selbst mit Substanzen menschlichen Ursprungs versorgen kann.
Risiko von Lieferengpässen reduzieren
„In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das System der Blut- und Plasmaspenden sehr fragil ist. Die Corona-Pandemie führte aufgrund der Kontaktbeschränkungen zu einem deutlichen Rückgang der Spendenbereitschaft. Gleichzeitig bestehen große Abhängigkeiten ins europäische Ausland – circa 40 Prozent des in Europa benötigten Plasmas wird aus den USA importiert. Während der Bedarf an Blutplasmaprodukten aufgrund immer besser werdender Diagnosen und eines erweiterten Indikationsspektrums stetig steigt, führte der Mangel an notwendigem Plasma insbesondere in den Jahren 2021/2022 zu Lieferengpässen“, erklärt Joachimsen.
„Parallel nimmt die Anzahl der in Deutschland ansässigen Hersteller ab, die sich auf diese hochkomplexen Präparate spezialisiert haben. Hier spielen unter anderem Faktoren wie das Preismoratorium und Herstellerrabatte eine Rolle, die aufgrund massiv gestiegener Rohstoffpreise (Plasma) eine Produktion und marktgerechte Preisgestaltung nicht mehr zulassen. Das Ganze verschärft seither die Versorgungslage. Daher ist es unabdingbar, an weiteren Stellschrauben zu drehen“, betont Joachimsen.
Für eine langfristige Sicherstellung der Patientenversorgung mit Blutplasmaprodukten fordert der BPI zudem:
- verbesserte Rahmenbedingungen für Plasmasammelzentren
- Abschaffung der Parallelimportförderung
- Abschaffung von Rabattverträgen (wie bei den Impfstoffen)
- Verbot einer ausschließlich kostengetriebenen aut idem-Substitution für Blutplasmaprodukte
- marktgerechte Preisgestaltung durch Anpassung über den Inflationsausgleich zur Aufrechterhaltung internationaler Wettbewerbsfähigkeit
Bis die SoHo-Verordnung drei Jahre nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft tritt, setzt sich der BPI weiterhin für praxistaugliche Rahmenbedingungen ein, die eine Versorgungssicherheit von Blutplasmaprodukten im Sinne einer bedarfsgerechten, zuverlässigen und dem medizinischen Fortschritt angepassten Versorgung ermöglichen.
Hintergrund: Aus menschlichem Blutplasma werden Antikörper (Immunglobuline) sowie andere Proteine gewonnen. Daraus können wertvolle Arzneimittel hergestellt werden, die zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen, Immundefekten, Blutgerinnungsstörungen, Krebsleiden oder auch bei genetischen Erbkrankheiten Anwendung finden. Für viele Menschen sind diese Produkte überlebenswichtig. Laut der Weltgesundheitsorganisation gehören zum Beispiel Immunglobuline zu den versorgungsrelevanten ″Essential Medicines″, auch das Paul-Ehrlich-Institut hat sie mittlerweile als versorgungskritische Arzneimittel eingestuft. Die Herstellung von Blutplasmaprodukten ist hochkomplex und erfordert eine lange Produktionsvorlaufzeit von sieben bis zwölf Monaten. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Firmen, die diese lebensnotwendigen Präparate herstellen können.
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