Heidelberg – Körperlich aktive Frauen haben nach einer Brustkrebsdiagnose ein geringeres Sterblichkeitsrisiko – das konnten frühere Studien bereits belegen. Wissenschaftlerinnen vom DKFZ und von der Harvard-Universität zeigten nun, dass dieser positive Effekt bereits bei moderater Aktivität auftritt: Brustkrebspatientinnen, die etwa drei Stunden pro Woche flott spazieren gingen, hatten eine signifikant niedrigere Sterblichkeit als Betroffene, die kaum aktiv waren. Und ganz unabhängig davon, wieviel sich eine Frau vor ihrer Brustkrebserkrankung bewegt hat: Bereits eine moderate Steigerung der körperlichen Aktivität nach der Diagnose ging mit einer Reduktion der Sterblichkeit um fast ein Drittel einher.
Dass körperliche Aktivität den Verlauf einer Krebserkrankung günstig beeinflussen kann, haben bereits mehrere internationale Studien belegt, insbesondere bei Brustkrebs und Darmkrebs. Doch nach wie vor mangelt es an präzisen Daten darüber, wieviel Aktivität notwendig ist, um den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen, welche Art der Aktivität am wirksamsten ist und ob dies für alle Betroffenen gleichermaßen gilt.
Ein Forscherteam unter der Federführung von Renée T. Fortner (DKFZ und Norwegisches Krebsregister) und Heather Eliassen (Harvard TH Chan School of Public Health and Brigham and Womens Hospital) untersuchten diese Zusammenhänge nun an den Daten der Nurses Health Studie. Diese 1976 gestartete Untersuchung zählt zusammen mit der 1989 initiierten Nurses Health II-Studie zu den weltweit größten Forschungsvorhaben zu Krankheitsrisikofaktoren bei Frauen. Fast 240.000 Krankenschwestern aus verschiedenen US-amerikanischen Bundesstaaten wurden in die beiden Studien rekrutiert.
Das Team um Fortner und Eliassen identifizierte bei den Nurses Health-Teilnehmerinnen 13.371 Fälle von invasivem Brustkrebs. Während der bis zu 30 Jahre dauernden Nachbeobachtung gaben 9.308 der betroffenen Frauen alle zwei Jahre Auskunft über Dauer und Art ihrer sportlichen Freizeit-Aktivitäten nach der Krebsdiagnose.
Um die verschiedenen Arten körperlicher Aktivität miteinander vergleichen zu können, rechneten die Epidemiologinnen zunächst in die gebräuchliche Maßeinheit “metabolische Äquivalente pro Stunde”, kurz “MET/hr” um. Dabei entsprechen drei MET/hr etwa dem Energieverbrauch von einer Stunde flottem Gehen.
Je aktiver die Frauen nach ihrer Diagnose waren, desto günstiger verlief ihre Erkrankung: Bereits bei einem Aktivitätsniveau, das etwa drei Wochenstunden zügigem Spazierengehen (etwa 9 MET/hr) entsprach, sank die Gesamtsterblichkeit um etwa 27 Prozent.
“Das zeigt, welches Potenzial schon vergleichsweise moderate körperliche Aktivität hat. Frauen müssen keinen Marathon laufen oder sich nicht im Fitnessstudio völlig verausgaben”, sagt Renée Fortner. “Sie profitieren schon von Trainingseinheiten, die jede in ihren Alltag einbauen kann.”
Besonders ausgeprägt war die Assoziation zwischen Aktivität und Sterblichkeit beim häufigen “Rezeptor-positiven” Brustkrebs, dessen Zellen auf die weiblichen Geschlechtshormone reagieren. Diese Unterart betrifft in Deutschland etwa Dreiviertel aller Patientinnen. Bei Brustkrebserkrankungen, die erst nach den Wechseljahren diagnostiziert wurden, wirkt sich körperliche Aktivität ebenfalls besonders günstig aus.
Die Forscherinnen glichen die Ergebnisse auch mit dem Body Mass Index der Teilnehmerinnen ab und stellten dabei fest, dass die günstigen Effekte der körperlichen Aktivität nicht allein durch das Körpergewicht zu erklären sind.
Und einen weiteren, ermutigenden Aspekt entdeckten Fortner und Eliassen. Sie untersuchten, welchen Einfluss eine Veränderung des Aktivitätsniveaus vor und nach der Diagnose hat. Das Ergebnis: Selbst eine eher geringfügige Steigerung nach der Brustkrebsdiagnose von 3 bis 9 MET/hr pro Woche reduzierte die Gesamtsterblichkeit um rund 30 Prozent – ganz unabhängig vom Ausgangsniveau der körperlichen Aktivität.
“Bewegt Euch!” – das ist der Rat der Studienleiterinnen Fortner und Eliassen für Frauen mit einer Brustkrebs-Erkrankung. “Wandern oder Radfahren, Tanzen oder Krafttraining: Jede Frau kann auswählen, was ihr am meisten liegt und damit ihre eigene Erkrankung günstig beeinflussen.”
Renée T. Fortner, Kristen D. Brantley, Shelley S. Tworoger, Rulla M. Tamimi, Bernard Rosner, Maryam S. Farvid, Michelle D. Holmes, Walter C. Willett, A. Heather Eliassen:
Physical activity and breast cancer survival: Results from the Nurses’ Health Studies
JNCI Cancer Spectrum 2023, DOI: 10.1093/jncics/pkac085
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.