Berlin – Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) sieht Hinweise auf eine Klientelpolitik der Bundesregierung zugunsten der privaten Krankenversicherung. Langfristig drohe eine Aushöhlung der Grundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Kurzfristig drohen deutliche Mindereinnahmen der GKV aufgrund der geplanten Neuregelung zum Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV). “Die geplante Verkürzung der Wartezeit für einen Wechsel in die PKV wird im Jahr 2011 zu Mindereinnahmen bis weit über 500 Millionen Euro führen”, betonte Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des vdek.
Nach Plänen der Bundesregierung sollen freiwillig versicherte Mitglieder schon dann ihre Krankenkasse in Richtung PKV verlassen können, wenn das regelmäßige Jahreseinkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze des laufenden Jahres übersteigt. Die Krankenversicherungspflicht endet damit bereits mit Ablauf des ersten Jahres nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze (derzeit 4.162 Euro monatlich). Ein Wechsel wäre demnach schon zum 1.1. des nächsten Jahres möglich. Bislang ist der Wechsel erst nach einer Drei-Jahres-Frist möglich.
Die im Gesetzentwurf zur Finanzierungsreform der GKV (GKV-FG) vorgenommene Schätzung von 200 Millionen Euro Verlust jährlich ist deutlich zu niedrig angesetzt. Allein wenn die Zahl der PKV-Wechsler wieder auf das Niveau von vor 2007 ansteigt, wären dies bei durchschnittlich pro Jahr wechselnden 55.000 Versicherten mit einem positiven Deckungsbeitrag von rund 6.000 Euro finanzielle Verluste für die GKV von jährlich etwa 300 Millionen Euro. Zu Beginn der Neuregelung können auch Personen wechseln, die sich nach dem geltenden Gesetz noch in der dreijährigen Wartephase befinden; dadurch werden im Jahr 2011 die Ausfälle bei weit über 500 Millionen Euro liegen.
Ballast betonte, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Bundesregierung mit dieser Regelung den “alten Rechtszustand” vor 2007 wieder herstellen wolle. Die Jahresfristen zum Wechsel seien von der alten Bundesregierung ja gerade deshalb eingeführt worden, um den Mitgliederbestand der GKV zu stabilisieren und Entsolidarisierungseffekte und Rosinenpickerei durch die PKV zu vermeiden. “Solidarität in der GKV kann nur funktionieren, wenn es eine vernünftige Balance zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Mitgliedern gibt. Versicherte, die unter Umständen jahrzehntelang als beitragsfreie Familienversicherte oder als Auszubildende oder Berufsanfänger mit geringem Einkommen von der Solidargemeinschaft profitiert haben, können nach der neuen Regelung wieder ohne Einschränkungen in die PKV wechseln. Das hat mit fairem Wettbewerb nichts zu tun.”
Hinzu komme, dass fast ausschließlich gesunde Versicherte in die PKV wechseln, weil für kranke Versicherte höhere Prämien gelten würden. “Dadurch wird die Solidargemeinschaft ein zweites Mal geschwächt”, so Ballast weiter.
Kritisiert werden zudem die Bestrebungen, Einschränkungen bei den Wahltarifen vorzunehmen und bestimmte Zusatzversicherungen, wie zum Beispiel Auslandskrankenversicherung, Chefarztbehandlung, Zahnersatz etc., nur noch den privaten Krankenkassen zu überlassen. “Die Versicherten vertrauen ihrer Krankenkasse und sind dankbar für entsprechende kostengünstige und qualitätsgesicherte Zusatzangebote, die ihre gesetzliche Krankenkasse anbietet. Von einer Neuregelung würden daher lediglich die PKV-Unternehmen profitieren, nicht aber die Versicherten selber. Es ist nicht verständlich, warum an die PKV derartige Wohltaten verteilt werden, die zwangsläufig die Handlungsmöglichkeiten der GKV zulasten der Versicherten weiter einschränken werden”, so Ballast abschließend.
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist Interessenvertretung und Dienstleistungsunternehmen aller sechs Ersatzkassen, die zusammen mehr als 24 Millionen Menschen in Deutschland versichern.
– BARMER GEK – Techniker Krankenkasse – Deutsche Angestellten-Krankenkasse – KKH-Allianz – HEK – Hanseatische Krankenkasse – hkk
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist die Nachfolgeorganisation des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK), der am 20. Mai 1912 unter dem Namen “Verband kaufmännischer eingeschriebener Hilfskassen (Ersatzkassen)” in Eisenach gegründet wurde. Sein Hauptsitz mit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern befindet sich seit dem 29.6.2009 in Berlin, Askanischer Platz 1.
In den einzelnen Bundesländern sorgen 16 Landesvertretungen und eine Geschäftsstelle in Westfalen-Lippe mit insgesamt weiteren 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die regionale Präsenz der Ersatzkassen.