Erfurt – In einer Regierungserklärung vor dem Thüringer Landtag forderte heute die Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Christine Lieberknecht, ein Umdenken in der Sozial- und Gesundheitspolitik.
Lieberknecht: Das Gesundheits- und Sozialwesen in Thüringen ist zwar in einem generell sehr guten und ausbaufähigen Zustand, dies kann jedoch nur die Basis für weitere Anstrengungen sein. Auf einem Symposium im November werde man die erforderlichen Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte erörtern.
Ministerin Lieberknecht machte deutlich, dass die Anstrengungen des Staates allein nicht ausreichen, um langfristig das hohe Niveau der sozialen Sicherheit in Thüringen und Deutschland zu gewährleisten. Sie kritisierte das Auseinanderdriften von sozialverantwortlichem Handeln und Anspruchsdenken in Wirtschaft und Gesellschaft. Oft sei in Vergessenheit geraten, dass zu jedem Recht auch eine Pflicht gehöre. Der Staat könne die an ihn gestellten Anforderungen nur erfüllen, wenn er sich auf eine aktive Solidargemeinschaft stützen könne, in der die Bereitschaft zur Mitverantwortung für sich und den Nächsten lebendig sei.
Die Thüringer Sozialministerin wird im kommenden Jahr den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz übernehmen. Sie kündigte an, dieses Amt offensiv und selbstbewusst zu nutzen, um eine grundlegende Reform der Sozialversicherungs-systeme voran zu treiben. Hier habe sich unter ihrem Vorsitz bereits eine entsprechende länderübergreifende Arbeitsgruppe gebildet.
Ein wichtiger Diskussionsansatz sei der Vorschlag, ein Solidarisches Bürgergeld einzuführen. Weiter gelte es, die Angleichung des Rentenniveaus zwischen neuen und alten Ländern zu beschleunigen und Rahmenbedingungen für die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger zu erleichtern und zu verbessern, indem z.B. das Ehrenamt gestärkt und die Bedingungen für die häusliche Pflege deutlich verbessert würden. Auch müsse es gelingen, mehr junge Leute für das Ehrenamt zu gewinnen.
Die Ministerin kritisierte, dass die Einkommens- und Erwerbsbeteiligung der Frauen immer noch kein angemessenes Niveau erreicht hätten. Sie kündigte weiter an, sich intensiv gegen die Überschuldungstendenzen bei den Privathaushalten einzusetzen. Hier gelte es bundesweit aktiv zu werden, um die auch sozialpolitisch verheerende Inflation von Konsumkrediten einzudämmen. Erste Beschlüsse werde unter ihrer Beteiligung die Verbraucherschutzministerkonferenz in der kommenden Woche fassen.
Schließlich werde sie die Gesundheitliche Chancengleichheit zu einem weiteren Schwerpunkt ihrer Amtsführung machen. Bei der Bekämpfung des drohenden Ärztemangels seien erste Erfolge zu verzeichnen. Insbesondere die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung bedürfe in Thüringen weiterer flankierender Maßnahmen.
Dem Problem der Kinderarmut zu begegnen werde eines ihrer besonderen Anliegen sein. Im Herbst lägen Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegeben Studie vor, auf der sie aufbauen werde. Als ersten Baustein beabsichtige sie, die Kindercard einzuführen.
Thüringen sei traditionell Vorreiter bei zahlreichen sozialpolitischen Themen gewesen. Den guten Ruf habe man in den Jahren seit der Wende festigen und entwickeln können. An diese Tradition werde sie anknüpfen.
Ministerin Lieberknecht verwies auf das für andere Länder beispielgebende Landeserziehungsgeld, und weiter: “Thüringen ist Fröbelland! Wir müssen alles daran setzen, jeden und jede ‘mitzunehmen’ und durch gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fordern und zu fördern. Nur wenn wir hier erfolgreich sind, wird es uns auch gelingen, dem Problem der Armut nachhaltig zu begegnen.”
Einige weitere Aspekte aus der umfangreichen Regierungserklärung der Ministerin:
Bereits im kommenden Jahr könne die Familienförderung haushaltsunabhängig fast ausschließlich aus den Mitteln der Stiftung FamilienSinn erfolgen.
Es werde eine Konkretisierung bei der Jugendhilfeplanung und eine bessere Abstimmung bei der Jugendhilfe- und Schulnetzplanung geben.
Ein dringend erforderlicher Maßnahmenkatalog zum Kinderschutz sei u.a. mit zwei Gesetzesvorhaben in der Umsetzung.
Schon bald werde es in jedem Landkreis ein Mehrgenerationenhaus geben. Thüringen brauche gerade auch das Potential der Senioren dringender denn je.
Ministerin Lieberknecht: “12 % der sozialversicherungspflichtigen Thüringer arbeiten im Gesundheits- und Sozialwesen. Der Umsatz allein der in der LIGA zusammengeschlossenen Verbände beträgt weit über eine Milliarde Euro. Ein solch gravierender Wirtschaftsfaktor bedarf einer präzisen strategischen Sozialplanung, um das soziale Netz langfristig sichern zu können. Das durch eine große sozialpolitische Tradition ausgewiesene Thüringen stellt sich dieser Herausforderung mit staatlicher Umsicht und Verlässlichkeit und mit bürgerschaftlichem Engagement!