München – Das Bundesministerium für Gesundheit geht von 40.000 bis 170.000 Behandlungsfehlern in Deutschland pro Jahr aus. Allerdings existiert bis heute kein bundesweites Behandlungsfehlerregister. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Anfang 2014 Mindeststandards für Risiko- und Fehlermanagement verbindlich festgelegt. Die Gesundheitsnorm DIN EN 15224 – basierend auf der EN ISO 9001 – hat sich in seinen elf Qualitätsmerkmalen unter anderem der Patientensicherheit gewidmet und legt einen Fokus auf das klinische Risikomanagement. Die Experten von TÜV SÜD empfehlen Einrichtungen des Gesundheitswesens, sich an den elf Qualitätsmerkmalen der Norm zu orientieren, um ihr Qualitätsmanagementsystem insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit der Patienten weiter zu entwickeln.
Die elf Qualitätsmerkmale sehen eine “angemessene, richtige Versorgung” des Patienten vor. Das bedeutet, dass eine medizinische Fachperson über die richtige Versorgung urteilt. Möchte ein Patient beispielsweise ein neues Hüftgelenk, weil er Schmerzen hat, muss der Arzt abwägen, ob diese Behandlung notwendig ist oder ob eine konservative Behandlung z.B. mit Physiotherapie ausreicht. Die Art der Behandlung soll auch unter dem Aspekt der “auf den Patienten, einschließlich der körperlichen und geistigen Unversehrtheit ausgerichtete Versorgung” geschehen. Das heißt: Die Behandlung soll ausschließlich auf den Patienten ausgerichtet sein und nicht auf die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung. Trotzdem ist bei der Versorgung auf “Effizienz” zu achten. Ein bestmögliches Verhältnis zwischen Ressourceneinsatz und Ergebnis ist das Ziel.
Bei Entscheidungen über Behandlungsmethoden wird außerdem die “Einbeziehung des Patienten” gefordert, da dieser über alle Möglichkeiten informiert werden soll. Gibt es Alternativen bei der Heilmethode, muss der Arzt den Patienten darüber aufklären und dessen Wunsch im Entscheidungsprozess mit berücksichtigen.
Bei der Behandlung des Erkrankten sollte eine “Kontinuität der Versorgung” gewährleistet sein. Idealerweise werden dem Patienten lückenlose Verlegungs- und Versorgungsberichte mitgegeben, damit eine nahtlose Betreuung möglich ist – von der ersten Diagnose beim Hausarzt über Krankenhaus und Reha bis nach Hause. Das erfordert ein gutes Zusammenspiel aller beteiligten Einrichtungen und deren Fachpersonal.
Ein wichtiger Punkt bei der Versorgung ist auch die “Gleichheit”. Bei gleichem Schweregrad der Erkrankung ist die gleiche Behandlung zu gewährleisten unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, Religion, Berufsstatus oder medizinisches Vorwissen des Patienten. Eine gute Versorgung ist auch von “Rechtzeitigkeit und Zugänglichkeit” sowie von “Verfügbarkeit” abhängig. “Rechtzeitigkeit und Zugänglichkeit” bedeutet, dass die Behandlung in angemessener Zeit, dem Zustand und der Schwere der Krankheit angepasst, geschehen sollte. Ein Patient mit Herzinfarkt hat dadurch beispielsweise in der Notaufnahme Vorrang vor einem Patienten mit einer unkomplizierten Fraktur des Handgelenks. “Verfügbarkeit” bedeutet, dass Arztpraxen für den Patienten passende Öffnungszeiten, Not- und Bereitschaftsdienste anbieten. Dieses Merkmal gilt auch im Sinne der Erreichbarkeit, dass beispielsweise Praxen und Krankenhäuser für gehbehinderte Patienten zugänglich sind.
Bei der Wahl der Behandlungsmethode sollte stets die “Wirksamkeit” berücksichtigt werden, sicherlich eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale. Voraussetzung ist hier, dass der Arzt alles dafür tut, dass die Wahrscheinlichkeit der Heilung bzw. Schmerzlinderung steigt oder eintritt. Darüber hinaus sollte die Wirksamkeit der Heilmethode durch beispielsweise Studien bewiesen sein. Dafür steht das Merkmal der “evidenzbasierten/ wissensbasierten Versorgung”. Dieses sieht vor, dass die Diagnostik und Behandlung den Vorgaben der Leitlinien der Fachgesellschaften folgt. Über das Wissensmanagement ist zu gewährleisten, dass das Personal stets auf dem neuesten Stand ist.
Um eine gute Versorgung zu gewährleisten, ist ein besonderes Augenmerk auf “Patientensicherheit” unerlässlich. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkung eines Risikos müssen evaluiert und ausgewertet werden. Daraus sind Maßnahmen zu entwickeln, um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu verringern. Vor einem chirurgischen Eingriff zum Beispiel an einem Bein, sollte der behandelnde Arzt vor der Operation gemeinsam mit diesem das Bein markieren – eine simple Maßnahme, um eine verheerende Fehlbehandlung zu vermeiden. Fehlbehandlungen haben nicht nur oft drastische Auswirkungen für den Patienten, sondern sind auch unwirtschaftlich für die Einrichtung und können die Reputation massiv beschädigen.
Generell dienen die elf Qualitätsmerkmale der Gesundheitsversorgung als hilfreicher Leitfaden für Krankenhäuser und Arztpraxen. Sie gehen auf das Qualitätsmanagement in solchen Institutionen besonders ein und bieten nützliche Informationen um dieses zu verbessern.
Weitere Informationen unter www.tuev-sued.de/management-systeme/gesundheitswesen/din-en-15224