Berlin – „Die Testung von Frauen und Patientinnen auf eine BRCA Genmutation ist derzeit dem Zufall überlassen. Dies ist eine höchst unbefriedigende Situation, die wir dringend ändern müssen. Zudem wird jede zweite Frau mit Eierstockkrebs in Deutschland falsch behandelt. Deshalb ist die Sensibilisierung von Patientinnen, Ärzten und anderen gesellschaftlichen Schichten wie der Politik von großer Notwendigkeit“, so Professor Dr. Jalid Sehouli, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs und Direktor der Frauenkliniken der Charité- Campus Virchow Klinikum und Campus Benjamin Franklin.
Am vergangenen Samstag diskutierte der bekannte Experte für Eierstockkrebs mit fünf weiteren Podiumsteilnehmern zum Thema „Die Rolle von BRCA bei Eierstockkrebs“ im Kino Arsenal am Potsdamer Platz. Trotz sommerlicher Temperaturen folgten viele Gäste der Einladung und erlebten neben der Premiere des Aufklärungsfilms „Stilles Erbe oder Zufall?“ eine vielseitige und teils kontroverse Diskussion zum Thema BRCA Genmutation, zu den Chancen und Möglichkeiten einer Testung auf BRCA Genveränderungen den aktuellen therapeutischen Entwicklungen bei Eierstockkrebs und den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen.
Das wachsende Interesse der Bevölkerung zum Thema BRCA Genveränderung zeigte die Anwesenheit der vielen Patientinnen, Angehörigen und Ärzte an der Veranstaltung.
Werden Frauen mit der Erkrankung Eierstockkrebs konfrontiert, stellt sich auch die Frage nach dem Auftreten einer möglichen BRCA Genveränderung. Gehäuftes Auftreten von Brust- und/oder Eierstockkrebs in der Familie kann ein Zeichen auf eine familiäre Vererbung sein. Mehr als 15 % der Frauen mit Eierstockkrebs weisen eine sogenannte BRCA Genmutation auf, die entweder spontan vorkommen oder erblich bedingt auftreten kann. Ein BRCA Gentest kann diese Frage beantworten.
Der große Aufklärungsbedarf zu diesem Thema wurde in der Podiumsrunde unter den Vertretern aus Medizin, Betroffenenverbänden und Politik deutlich. Dr. Dorothee Speiser vom Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs an der Charité: „Wir beraten zum einen viele Ratsuchende, bei denen Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie vorkommen und sie selbst noch nicht von einer Erkrankung betroffen sind. Zum anderen Familienangehörige, bei denen eine BRCA Genveränderung bereits in der Familie nachgewiesen wurde. Es geht zudem in den Beratungen meist auch um die Möglichkeit von Tests, Früherkennung und prophylaktischen Maßnahmen.“ Allein in dem Beratungszentrum an der Charité wuchs die Zahl der betreuten Familien in den vergangenen Jahren von 600 auf über 2000. „Viele überschätzen jedoch ihr tatsächliches Risiko und somit sind viele Frauen am Ende keine Trägerin einer BRCA Genveränderung“, so Dr. Dorothee Speiser weiter.
Andrea Hahne arbeitet ehrenamtlich als Vorsitzende für das BRCA-Netzwerk Deutschland. „Wir ergänzen mit unseren 22 Gesprächskreisen deutschlandweit die Beratungsarbeit aus der Perspektive der Betroffenen. Unser Angebot richtet sich an Interessierte, die sich dieser Thematik erst einmal langsam nähern wollen.“ Auch Andrea Hahne wünscht sich noch mehr Unterstützung seitens der Politik. „Durch Angelina Jolie und ihren offenen, differenzierten Umgang mit diesem Thema ist viel bewirkt worden. Leider werden die Gentests im Sozialgesetzbuch als Prävention eingestuft und stehen somit nicht allen Versicherten zur Verfügung. Da bedarf es einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen.“, so die Vertreterin des BRCA-Netzwerkes in der Diskussion weiter.
Thomas Isenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: „Bei all der Diskussion zu Tests und Recht auf Wissen sollte man aber auch über das Recht auf Nichtwissen sprechen. Denn mit dem Recht auf Wissen, muss man auch der Frage zu den Konsequenzen nachgehen. Es ist zudem gesellschaftspolitisch wichtig, dass die Rahmenbedingungen für genetische Beratungen und die Tests in Expertenhände und an spezielle Zentren gehören. Wir sind da erst am Beginn der Diskussion.“
Eierstockkrebs und die Bedeutung der BRCA Genveränderungen müssen gesellschaftlich an Präsenz gewinnen – deshalb wurde zum Welteierstockkrebstag am 08. Mai das erste deutschlandweit erhältliche Patientinnen-Magazin „MammaMia! Eierstockkrebs – Special“ vorgestellt. Es bietet eine umfassende Übersicht zu allen Themen dieser Erkrankung. Die langjährig erscheinende Zeitschrift „Die zweite Stimme“ der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs fokussiert in der aktuellen Ausgabe das Thema der BRCA Genveränderungen. „Es ist sehr wichtig, dass die Patientinnen ernst und mit ins Boot genommen werden. Eine fundierte Aufklärungs- und Informationsarbeit schafft für Patienten wie Ärzte eine gute Basis“, so Prof. Sehouli. Der neue Aufklärungsfilm „Stilles Erbe oder Zufall?“ ergänzt das bisherige Informationsangebot mit dem Schwerpunkt BRCA Genmutation.
Die Deutsche Stiftung Eierstockkrebs und der forschende Arzneimittelhersteller AstraZeneca GmbH hatten gemeinsam zur Filmpremiere und dem anschließenden interdisziplinären Podiumsgespräch geladen. Die Veranstaltung moderierte die TV-Medizinexpertin Dr. Yael Adler. Sowohl der Film als auch die Expertenrunde erhielten am Ende viel Applaus und zeigen die Wichtigkeit, die Themen BRCA und Eierstockkrebs in den Fokus von Öffentlichkeit zu rücken.
„Stilles Erbe oder Zufall?“- Informationsfilm mit 3D-Animationen, 20 Minuten unter www.stiftungeierstockkrebs.de