Expertengespräch: Typische Männerkrankheiten wie erektile Dysfunktion oft mit Tabu behaftet – Aufklärung und niederschwellige Therapieangebote für eine bessere Männergesundheit notwendig
Die bundesweite RoundTable-Reihe des Instituts für Gendergesundheit mit dem Titel „Was kann Mann machen – Prävention und Versorgung männerspezifischer Erkrankungen“ fand am Donnerstag (20. Juni) in Düsseldorf ihre Fortsetzung. Im Zentrum der Reihe, die in einer Abschlussveranstaltung in Berlin mündet, steht die Frage, wie Männer besser für Prävention erreicht werden können und welche Versorgungsstrukturen gebraucht werden, um typische Männererkrankungen künftig früher entdecken und besser behandeln zu können. Die Veranstaltung am 20. Juni nahm insbesondere die Rolle der Urologinnen und Urologen bei den Themen Entstigmatisierung und Früherkennung in den Fokus.
„Männer haben eine durchschnittlich geringere Lebenserwartung als Frauen, nehmen vergleichsweise weniger Präventionsangebote wahr und gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen“, so die Leiterin des Instituts für Gendergesundheit, Frau Dr. Martina Kloepfer. Hier sei nach zugrundeliegenden Faktoren sowie nach Kommunikationspotenzialen und Versorgungsmodellen zu fragen, so Dr. Kloepfer. Ihr ausdrücklicher Dank geht dabei auch an den Sponsor der Veranstaltungsreihe, dem globalen Gesundheitsunternehmen Viatris.
Veranstaltung in Düsseldorf mit dem Thema „Entstigmatisierung und Früherkennung: Die Urologin und der Urologe als Schlüsselakteure in der Männergesundheit“
Zwei Impulsreferenten führten dieses Mal in die Thematik ein: PD Dr. Tobias Jäger, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V., betonte die besondere Herausforderung, der sich die Akteure beim Thema „Männer und Prävention“ gegenübersehen: Männer sind Vorsorgemuffel, hier herrscht eher eine Reparaturmentalität als ein Präventionsgedanke“, so Jäger, der auch seine Erfahrungen aus der Urologischen Praxisklinik in Essen in die Diskussion einbrachte. Dies werde auch durch die Ausgaben der Krankenkassen für Vorsorgeuntersuchungen belegt: „Im Jahr 2022 betrugen die Vorsorgeleistungen der Kassen für Männer 59 Mio. Euro im Vergleich zu 520 Mio. Euro für Frauen.“ Der Urologe wies darauf hin, dass zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr über 70% der Frauen die Vorsorgeangebote in Anspruch nehmen, wohingegen der Anteil der Männer in dieser Altersklasse bei gerade einmal 20% lag.
Olaf Theuerkauf, Vorstand der Stiftung Männergesundheit, bestätigte in seinem Impuls die Erfahrungen und die Zahlen des Mediziners: „Männer“, so Theuerkauf, „reden nicht gerne über ihre eigene Gesundheit. Besonders dann nicht, wenn es um die eigene Sexualität geht und sie nicht wie erwünscht‚ funktioniert‘“. Während sich bei Mädchen und Frauen der regelmäßige Frauenarztbesuch etabliert habe, bei dem auch Fragen zur Sexualität zur Sprache kommen können, fehle es an Angeboten für Jungen und junge Männer, die auch immer häufiger schon von einer erektilen Dysfunktion betroffen sind. Bereits im Pubertätsalter sollten spezifische Präventions- und Bewusstseinsprogramme bei jungen Männern greifen, um sie so früh wie möglich für ihre Gesundheit und die Möglichkeiten der Vorsorge und der Behandlung zu sensibilisieren. Insbesondere der Übergang von der Kinder-/Jugendärztin bzw. Kinder-/Jugendarzt zum Haus-/Fachärztin bzw. Haus-/Facharzt, wie z. B. Androloginnen und Andrologen, müsse hierbei besser gefördert werden. Das sei ein wichtiger Schritt für eine bessere Männergesundheit.
In der Diskussion gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lebhaft auf die Impulse ein: Vor allem sollten junge Männer schon in der Schulzeit an Gesundheitsthemen herangeführt werden, so eine wichtige Erkenntnis aus der Runde. Hierzu müssten auch neue und soziale Medien zum Einsatz kommen, die inzwischen die Hauptinformationsquelle junger Männer seien. Nicht selten seien dabei auch Rückkoppelungen mit den Vätern zu beobachten, die im familiären Umfeld von ihren Söhnen auf ihre neuen Erkenntnisse angesprochen würden. In der urologischen Praxis wäre es darüber hinaus wichtig, dass es dort auch männliche medizinische Fachangestellte (MFA) gäbe, weil gerade schambehaftete Themen, wie die erektile Dysfunktion, im Kontakt mit einer weiblichen MFA nicht thematisiert würden. Dies könnte ein wichtiger Weg sein, um Urologinnen und Urologen frühzeitig als „Männerärztin/Männerarzt“ zu etablieren.
Durch die medizinischen und gesellschaftlichen Veränderungen seien immer mehr Männer, gerade auch junge Männer, von erektiler Dysfunktion betroffen – häufig unbehandelt. „Um die Versorgung zu verbessern, können Apotheken als Anlauf- und Beratungsstellen eine wichtige Rolle spielen und Männern zu einem niederschwelligen Therapiezugang verhelfen. Entsprechende abgetrennte Beratungsräume, über die die meisten Apotheken verfügen, können das unter Umständen schambehaftete Gespräch erleichtern“, ergänzte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, im Rahmen der Diskussion.
„Die Ergebnisse unseres dritten RoundTables werden natürlich ebenfalls in unsere abschließende wissenschaftliche Publikation einfließen“, so Dr. Kloepfer. Diese wird durch Prof. Dr. Volker Amelung (MHH | Institut für angewandte Versorgungsforschung – inav) betreut.
Gemeinsam mit den Beteiligten sah sich Dr. Martina Kloepfer auch bei der dritten Veranstaltung der Reihe „Was kann Mann machen – Prävention und Versorgung männerspezifischer Erkrankungen“ von den Ansätzen des Instituts für Gendergesundheit und des Sponsors der Reihe bestätigt: „Urologische Versorgung setzt im Prinzip viel zu spät und als reine ‚Reparaturmedizin‘ in den Versorgungsalltag des Mannes ein. Vor allem bei psychischen und somatischen Erkrankungen jenseits der Onkologie wären wir gut beraten, Urologinnen und Urologen als erste Präventionspartner des Mannes deutlich früher zu etablieren“, so die Institutsleiterin.