Frankfurt – (Frankfurt/Main) In einer Resolution des Deutschen Schmerz- und Palliativtages in Frankfurt/Main erklären rund 2000 Schmerzforscher, Ärzte, Schmerztherapeuten und Angehörige der Heil- und Pflegeberufe, dass die jüngsten Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen das grundgesetzlich garantierte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in eklatanter Weise verletzen. Stark wirksame Schmerzmittel (Opioide) dürften nicht einer Austauschpflicht durch den Apotheker infolge von Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern unterliegen. Ebenso sei eine Verpflichtung zur Umstellung von stark wirksamen Opioiden auf Morphin aus rein ökonomischen Gründen unter wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten nicht vertretbar.
Auf dem heute in Frankfurt/Main zu Ende gehenden Deutschen Schmerz- und Palliativtag wenden sich die rund 2000 Teilnehmer gegen gesetzgeberische Maßnahmen und Vereinbarungen, die nach ihrer Meinung das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit von Patienten verletzen.
Seit April 2007 können Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern durch Rabattverträge Preisnachlässe aushandeln. Schließt der Arzt es nicht ausdrücklich auf dem Rezept aus – was nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme sein sollte – muss der Apotheker ein Präparat abgeben, mit dessen Hersteller die Krankenkasse des betroffenen Patienten einen Rabattvertrag geschlossen hat. Aus diesen Gründen erhalten Patienten statt ihrer vertrauten Medikamente Generika – Arzneimittel, die den gleichen Wirkstoff in gleicher Dosierung enthalten wie ein Originalpräparat, aber billiger sind.
Diese Regelung gilt auch für stark wirksame Schmerzmittel, sogenannte Opioide der WHO-Stufe III, die Ärzte zur Behandlung stärkster Schmerzen einsetzen und die dem Betäubungsmittelrecht unterliegen. Die individuell erforderliche Dosis muss jeweils sehr genau ermittelt und der Patient dann darauf eingestellt werden.
“Jeder Austausch von Betäubungsmitteln innerhalb einer Substanz oder unterschiedlicher Substanzen untereinander erzeugt für den Patienten neue vom Arzt zu begleitende Risiken, die in ihren Anforderungen einer Neueinstellung entsprechen. Diese Haftung kann nicht auf den Apotheker übergehen, selbst wenn der Apotheker ein dem Arzt nicht bekanntes Produkt abgibt, z.B. im Rahmen von ökonomischen Einsparpflichten. Die Haftung verbleibt beim Arzt”, heißt es in der Resolution.
Selbst bei gleicher Substanz und Substanzmenge unterschiedlicher Präparate bestünden jedoch für den Patienten spürbare Unterschiede. “Die Bedeutung dieser Unterschiede belegt die weltweit erste und einzige Untersuchung* zur Auswirkung von Umstellungen stark wirksamer Opioide an 424 Patienten”, so die Experten. Bei dieser Untersuchung war für 85 Prozent der zuvor gut eingestellten Patienten die Umstellung mit einer signifikanten Schmerzzunahme und gravierenden Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Im Gegensatz dazu ist die immer wieder aufgestellte Behauptung, eine Umstellung auf wirkstoffgleiche Medikamente sei problemlos, in keiner einzigen Untersuchung belegt.
Daher fordern die Unterzeichner der Resolution, dass stark wirksame Opioide der WHO-Stufe III zur Therapie starker Schmerzen nicht einer Austauschpflicht aus ökonomischen Gründen unterliegen dürften. Diese Austauschpflicht ist in einem Rahmenvertrag zwischen den Spitzzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband festgelegt. Ebenso halten die Unterzeichner eine Verpflichtung zur Umstellung von Stufe-III-Opioiden auf Morphin ausschließlich aus ökonomischen Gründen unter wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten für nicht vertretbar, da sich Opioide wesentlich voneinander unterscheiden.
*Überall, M.A. (2008): Querschnittsbefragung zu den psychosozialen Folgen einer Umstellung von Originalpräparaten auf Generika bei chronisch schmerzkranken Menschen im Rahmen einer stabilen/zufrieden stellenden Behandlungssituation. Deutsche Schmerzliga.