Hannover – Antibiotika sind eine wichtige Errungenschaft der modernen Medizin im Kampf gegen Bakterien. Mit steigendem Einsatz von Antibiotika erhöht sich jedoch die Gefahr, dass Bakterien zunehmend unempfindlich auf die Medikamente reagieren. Das Ergebnis: Antibiotika werden immer wirkungsloser.
Niedersachsens Sozial- und Gesundheitsministerin Aygül Özkan: „Weniger ist manchmal mehr. Wenn alle mit Antibiotika verantwortungsvoll umgehen, dann können sie im entscheidenden Moment auch zukünftig helfen. Wir wollen nun erreichen, dass Ärztinnen und Ärzte, aber auch Patientinnen und Patienten besser über Antibiotika informiert werden. Nachdem wir mit der Landesverordnung zur Krankenhaushygiene in Niedersachsen seit April 2012 ein verbindliches Screening von Risikopatientinnen und Risikopatienten in Krankenhäusern eingeführt und Krankenhäuser sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen dazu verpflichtet haben, eine Hygienekommission einzurichten, ergreifen wir nun weitere Maßnahmen in einem sog. Fünf-Punkte-Plan.”
Der Fünf-Punkte-Plan im Detail:
- Fortbildungsinitiative: Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) ist beauftragt, gemeinsam mit der Ärztekammer Niedersachsen und einem Expertennetzwerk ab 2013 eine Fortbildungsinitiative für Ärztinnen und Ärzten bzw. Apothekerinnen und Apotheker zu starten, um sie zu Antibiotikabeauftragten zu qualifizieren, die in Krankenhäusern beratend zur Verfügung stehen.
- Antibiotika-Fibel: Der überwiegende Anteil der Antibiotika wird im ambulanten Bereich verschrieben. Deshalb entwickelt das NLGA aktuell eine Antibiotika-Fibel für die niedergelassene Ärzteschaft, die praxisnahe Tipps für eine zurückhaltende Antibiotikatherapie enthält.
- Informationsoffensiv: Mit einer Informationsoffensive sollen Patientinnen und Patienten bzw. die Eltern von erkrankten Kindern via Apotheken und Arztpraxen erreicht und über die Wirkung und Nichtwirkung von Antibiotika aufgeklärt werden.
- Webseite – www.antibiotikastrategie.niedersachsen.de: Auf einer Webseite werden Informationen für medizinisches Personal und für die Bevölkerung gezielt, umfassend und rund um die Uhr zur Verfügung gestellt.
- ARMIN: ARMIN (Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen) bietet Fachinformationen insbesondere für die Ärzteschaft sowie auch für interessierte Bürgerinnen und Bürger zur Resistenzlage in Niedersachsen. Dadurch besteht eine Grundlage für die Beratung zur Antibiotika-Therapie sowie die Möglichkeit, Entwicklungen über die Zeit zu beobachten und somit die Maßnahmen indirekt zu evaluieren.ARMIN dokumentiert kontinuierlich die Resistenzentwicklung ausgewählter Infektionserreger in Niedersachsen sowohl in den Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich. Damit ist ARMIN bundesweit eines der ersten Überwachungssysteme zur Antibiotikaresistenz, das eine umfassende Datenbasis liefert. Mit ARMIN wurden außerdem erstmals systematisch Resistenzdaten auf einer regional kleinräumigen Ebene erhoben. Inzwischen konnten 11 Labore gewonnen werden, die ihre Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen für Niedersachsen und Bremen zur Verfügung stellen.
„Durch die Bereitstellung von Informationen zur Situation der Antibiotikaresistenz in Niedersachsen und die Qualifizierung des medizinischen Fachpersonals leisten wir einen wichtigen Beitrag für einen verantwortungsbewussten und sachgerechten Umgang mit Antibiotika” sagt Dr. Matthias Pulz, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes. „Bei der Umsetzung des Aktionsplans arbeiten wir eng mit zahlreichen Partnern im Gesundheitswesen zusammen.”
Die Ärzteschaft beteiligt sich unter verschiedenen Aspekten an dem Programm zur Verminderung des Antibiotikaeinsatzes. „Zum einen liegt die Verantwortung für die Verordnung von Antibiotika grundsätzlich bei uns Ärzten. Somit gilt es in jedem Fall, die Verordnung kritisch zu hinterfragen, unabhängig davon, ob dies im ambulanten oder stationären Bereich geschieht. Die Ärztekammer Niedersachsen wird sich durch intensive Fortbildungsmaßnahmen diesem Thema stellen”, erklärt Dr. med. Gisbert Voigt, Vizepräsident der Ärztekammer Niedersachsen. „Andererseits mehren sich die Hinweise darauf, dass auch andere Faktoren außerhalb der Humanmedizin mit dafür verantwortlich sind, dass sich multiresistente Keime entwickeln. Beispielhaft möchte ich in diesem Zusammenhang auf den großen Antibiotikaverbrauch in der Tiermast verweisen. Dabei spielen vor allem die hohe Zahl von Kontaminationen des Fleisches mit multiresistenten Keimen eine bedeutende Rolle. Insofern begrüßen wir ausdrücklich die Pläne der Bundes- und Landesregierung, die den Antibiotikaverbrauch in der Tiermast reduzieren wollen. Angesichts zunehmender Resistenzen, hoher Kosten für aufwändige Behandlungen und einer steigenden Anzahl tödlich verlaufender Infektionen ist dieses ein wesentliches Anliegen der aktuellen Gesundheitspolitik”, so Dr. Voigt weiter.
Ministerin Özkan betonte, dass man neben dem zielgerichteten Einsatz von Antibiotika auch weiter die Krankenhaushygiene im Blick haben müsse. „Die Landesregierung hat auch hier u.a. mit der Niedersächsischen Hygieneverordnung bereits relevante Maßnahmen eingeleitet”, so Özkan. Mit der Niedersächsischen Hygieneverordnung wurde die Hygiene im Sinn eines Qualitätsmanagements zur Chefsache der jeweiligen medizinischen Einrichtung gemacht. Darüber hinaus sei auf Landesebene ein Expertengremium gegründet worden, das das Thema Hygiene auch im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen erörtere und überregionale Strategien abstimme. Entsprechende Netzwerke seien auch auf kommunaler Ebene gegründet. Das NLGA stehe außerdem mit seinem Arbeitsbereich Krankenhaushygiene in Fragen der Hygiene beratend zur Verfügung. Schließlich führe das Sozialministerium gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden unter der Koordination des NLGA das EU-Projekt ‚EurSafety Health-net Euregionales Netzwerk für Patientensicherheit und Infektionsschutz’ durch. Neben der direkten Vernetzung vor Ort gingen von diesem Projekt wichtige Impulse für Initiativen gegen Antibiotika-Resistenzen und nosokomiale Infektionen auch in andere Teile Niedersachsens aus.
Servicehinweis: www.antibiotikastrategie.niedersachsen.de