Berlin – SoVD-Präsident Adolf Bauer und Prof. Dr. Gunnar Winkler, Präsident der Volkssolidarität erklären:
Wir fordern die Große Koalition angesichts der schwerwiegenden Folgen für die Patienten und Versicherten zu einem Neubeginn bei der Gesundheitsreform auf. SoVD und Volkssolidarität wenden sich gemeinsam gegen einen Bruch mit den Grundprinzipien einer solidarisch und paritätisch finanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den daraus erwachsenden Folgen für die 72 Millionen gesetzlich Versicherten und Patienten.
Wir befürchten, dass es zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung für die gesetzlich Krankenversicherten kommt. Der Entwurf der Großen Koalition für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz setzt falsche Wettbewerbsanreize. Er fördert stattdessen einen fatalen Wettlauf um die niedrigsten Kosten bei der Leistungserbringung. Der Gesundheitsfonds zwingt die Krankenkassen in ein zu enges Finanzkorsett und erzeugt eine Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung. Der unzureichende Risikostrukturausgleich führt zu einem ungleichen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Damit droht, dass aus der Zweiklassenmedizin eine Dreiklassenmedizin wird.
Wir lehnen es ab, dass mit der Einführung eines Zusatzbeitrags alle künftigen Kostensteigerungen auf die Versicherten abgewälzt werden sollen. Mittelfristig werden die gesetzlich Krankenversicherten mit rund sieben Milliarden Euro zusätzlich zur Kasse gebeten. Chronisch Kranke, alte und behinderte Menschen sowie Geringverdiener sind die Verlierer dieser Gesundheitsreform. Angesichts der drohenden Unterfinanzierung der Krankenkassen ist außerdem völlig unklar, wie positive Elemente der Reform wie z.B. die Gestaltung geriatrischer Reha als Pflichtleistung finanziert werden sollen. Wir befürchten daher, dass Verbesserungen für die Patienten nicht umgesetzt werden können.
Wir fordern die Große Koalition nachdrücklich auf, insbesondere auf den Gesundheitsfonds zu verzichten. Auf weitere unsinnige und schädliche Elemente der Reform wie z.B. die Einführung des Verschuldensprinzips von Patienten muss ebenfalls verzichtet werden. Auch die Einführung einer Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen, die sich u.a. für die Versicherten nachteilig auswirkt, muss unterbleiben. Sinnvolle Elemente wie z.B. die Rückkehrmöglichkeit nicht krankenversicherter Bürger in die gesetzliche oder private Krankenkasse oder der Ausbau der integrierten Versorgung sollten verabschiedet werden. Besser eine Minireform als ein missratenes Großprojekt, das zu unüberschaubaren Verwerfungen im Gesundheitssystem führt.
Wir brauchen eine Reform des Gesundheitswesens, die die notwendige Finanzbasis für die gesundheitliche Versorgung ermöglicht und zugleich eine gerechtere Verteilung der Gesundheitskosten sichert. Die Gesundheitsreform der Großen Koalition wird dem selbst gesteckten Ziel nicht gerecht, die Finanzierung der Gesundheitsversorgung mittelfristig sicherzustellen. SoVD und Volkssolidarität fordern: Die Steuerzuschüsse aus der Tabaksteuer müssen wie 2004 zugesagt erhalten bleiben, die Mehrwertsteuer für Arzneimittel muss halbiert werden und weitere Einkommensarten müssen in Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden.
Wir fordern, die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu überwinden. Es ist ein Manko der Gesundheitsreform, dass die private Krankenversicherung nicht stärker zu einem Solidarausgleich herangezogen wurde. Hier darf es auf keinen Fall weitere Abstriche von den zwischen den Koalitionspartnern erreichten Kompromissen geben.
V.i.S.d.P.: Dorothee Winden / Tilo Gräser Berlin, 9. Januar 2007