Studie offenbart mangelhafte Verbraucherkommunikation bei Sonnenstudioketten
Bonn/Hamburg (sts) – Unvollständig, irreführend, falsch. Die Internetseiten von Sonnenstudioketten in Deutschland informieren unzureichend über die gesundheitlichen Risiken der Solariennutzung. Ein Sachverhalt, der gegen geltendes Recht verstößt und es Verbrauchern unmöglich macht, Nutzen und Risiken fundiert gegeneinander abzuwiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP). Die Deutsche Krebshilfe und die ADP erneuern aus diesem Anlass eindringlich ihre Forderung nach einem Verbot des Solarienbetriebs zu rein kosmetischen Zwecken.
Das Internet ist eine wesentliche Informationsquelle für potenzielle Nutzer von Solarien. Eine qualitative Studie untersuchte daher exemplarisch die Internetauftritte von zehn Sonnenstudioketten in Deutschland. Die Stichprobe repräsentiert 325 Studios. Dies entspricht 80 Prozent der zu Sonnenstudioketten gehörigen Betriebsstätten. Die Ergebnisse zeigen eklatante Mängel bei der Gesundheitskommunikation.
Hautkrebsgefahr verschwiegen und verneint
Neun von zehn der untersuchten Sonnenstudioketten-Websites informieren zwar darüber, dass UV-Strahlung auf die Haut wirkt. Jedoch weist keine der Internetseiten darauf hin, dass das Sonnen im Solarium das Hautkrebsrisiko erhöht. Drei von zehn Ketten bestreiten sogar einen Zusammenhang. So heißt es beispielsweise: „Kein erhöhtes Hautkrebsrisiko bei dosierter Nutzung moderner Sonnenbänke! Die positive Wirkung von künstlichem Sonnenlicht ist 10-mal größer als das Risiko möglicher UV-Schäden!“ „Diese Aussage ist falsch“, betont Professor Dr. Eckhard Breitbart, Dermatologe und Vorsitzender der ADP. „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft künstliche und natürliche UV-Strahlung seit 2009 in die höchste Kategorie krebserregender Faktoren ein. Bereits eine regelmäßige monatliche Solariennutzung erhöht das Risiko, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken, um 60 Prozent.“ Diese auch als malignes Melanom bekannte Hautkrebsart gilt als besonders gefährlich, da sie schnell Tochtergeschwulste bildet und schwer heilbar ist.
Schäden für Augen und Immunsystem verschleiert
UV-Strahlung im Solarium führt ohne den Gebrauch von UV-Schutzbrillen zu massiven Augenschäden. Innerhalb der untersuchten Stichprobe informieren lediglich drei der zehn Sonnenstudioketten über Risiken der UV-Strahlen für die Augen. Nur eine Kette beschreibt spezifisch das Austrocknen der Netzhaut des Auges als potenzielle Folge. Weitere UV-bedingte Augenschäden, wie Binde- und Hornhautentzündungen, frühzeitige Trübung der Augenlinse (Grauer Star) sowie okuläre Tumore, bleiben unerwähnt. Intensive UV-Strahlung aus Solarien schwächt zudem kurzfristig die körpereigene Immunabwehr. Über diesen Einfluss informiert lediglich eine Sonnenstudiokette. Drei von zehn Ketten werben mit einer Stärkung des Immunsystems, können hierfür allerdings keine wissenschaftliche Evidenz anführen.
Vermeintliche Anti-Aging-Effekte
Zwei der untersuchten Solarienketten attestieren der künstlichen UV-Strahlung auf ihren Websites sogar Anti-Aging-Effekte, sechs Ketten werben für die Wirkung von künstlichen UV-Strahlen in Kombination mit sogenanntem Collagen-Licht. Bei Collagen-Licht handelt es sich um Wärmestrahlung im Infrarot-Bereich. Das Infrarotlicht soll nach Aussage der Anbieter die Kollagenfasern der Haut stimulieren und dadurch für eine straffere Haut sorgen. „Im perfekten Zusammenspiel von Collagen-Licht-Therapie und wahlweise UV-Besonnung werden ihre Wünsche wahr. * Anti-Aging * Straffung der Haut * Faltenreduzierung.“ Das Gegenteil ist jedoch der Fall: „Die in Solariengeräten verwendete UV-A-Strahlung dringt tief in die Haut ein und schädigt die elastischen Fasern des Bindegewebes. Als Folge altert die Haut schneller und bildet vermehrt Falten“, so Breitbart. „Diesen Effekt hat UV-Strahlung auch, wenn sie mit anderen Lichtquellen kombiniert wird. Zudem gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Infrarotlicht dem UV-Strahlungsbedingtem Altern der Haut entgegenwirken kann.“
Irreführung von Verbrauchern ist gesetzeswidrig
Die Inhalte, die Solarienbetriebe auf ihren Webseiten veröffentlichen, dienen der Informierung potenzieller Kundinnen und Kunden und somit als Marketing und Werbeplattform. Nach Paragraf 5a „Irreführung durch Unterlassen“ des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) „handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen.“ Laut Yvonne de Buhr, der stellvertretenden Vorsitzenden der ADP und Initiatorin der aktuellen Studie, verstoßen einige der untersuchten Internetdarstellungen gegen diesen Paragrafen: „Die Auswertung aller von uns untersuchten Webseiten der Sonnenstudioketten zeigt: Risiken werden gar nicht, unvollständig oder verharmlosend dargestellt. Nutzen werden propagiert, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Betreiber von Sonnenstudios verhalten sich damit überwiegend nicht gesetzeskonform.“
Deutsche Krebshilfe und ADP fordern Solarienbetriebsverbot für kosmetische Zwecke
„Wenn Solarienbetriebe Gesetze missachten und Desinformationen bezüglich bestehender Gefahren verbreiten, muss die Politik handeln“, fordert Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Die bestehenden Vorgaben für Solarien greifen ganz offensichtlich nicht.“ Jährlich erkranken deutschlandweit rund 309.000 Menschen an Hautkrebs, 42.000 davon am malignen Melanom. „Jede einzelne Solariennutzung erhöht das Hautkrebsrisiko. Eine Verharmlosung dieses Sachverhalts ist nicht länger hinnehmbar. Deutschland benötigt ein Betriebsverbot von Solarien zu kosmetischen Zwecken“, so Nettekoven. Die Deutsche Krebshilfe fordert bereits seit 2020 gemeinsam mit der ADP ein Solarienbetriebsverbot.
Informationen zur Studie
Die Studie mit dem Titel „Risikokommunikation von Sonnenstudioketten: Qualitative Inhaltsanalyse der webbasierten Informierung über Gesundheitsrisiken der Solariumnutzung“ wurde Ende 2023 in Prävention und Gesundheitsförderung veröffentlicht. Die Autoren sind Elisa Großmann, Meret Gödecke, Eckhard W. Breitbart und Yvonne de Buhr. Unter folgendem Link ist die Studie abrufbar: doi.org/10.1007/s11553-023-01078-9
In Deutschland wird der Betrieb von Solariengeräten durch das Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung der Anwendung am Menschen (NiSG) und die UV-Schutz-Verordnung (UVSV) reguliert. Letztere verpflichtet Solarienbetriebe dazu, ihre Kunden über die gesundheitsschädliche Wirkung von UV-Strahlung zu informieren. Internetseiten von Solarienbetreibenden sind wichtige Instrumente zur Kundeninformation. Erstmals wurden diese in Deutschland hinsichtlich der Kommunikation von Gesundheitsrisiken untersucht. Ältere Studien zu den Internetauftritten von Solarienbetrieben anderer Länder, wie beispielsweise Australien und den USA, deckten ähnliche Kommunikationsdefizite auf. In Australien sind kommerzielle Solarien seit 2015 verboten.