München – “Schritt für Schritt zum Krankenhaus der Zukunft” – unter dieses Motto hatte die PEG Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft ihr diesjähriges Symposium für das Krankenhausmanagement gestellt. Wie wird es aussehen, das Krankenhaus der Zukunft? Sicher ist: Die Medizinwelt und ihre Möglichkeiten werden immer komplexer. Daraus folgt: Die Beschaffung wird in Zukunft eine noch zentraleren Stellenwert als Bindeglied zwischen den Akteuren und als Prozessoptimierer einnehmen. Wir verstehen uns als Brückenbauer, fasste PEG-Vorstandsvorsitzender Anton J. Schmidt diese wichtige Funktion des Beschaffungsmanagements zusammen.
Traditionell kommen beim PEG-Symposium für das Krankenhausmanagement die Akteure der verschiedenen Berufsgruppen zusammen, die gemeinsam den Betrieb Krankenhaus am Laufen halten. Das Dilemma, in dem die Krankenhäuser stecken: Sie müssen höchste Qualität mit immer knapper werdenden Ressourcen erbringen. Um auch noch die letzten Effizienzreserven auszunutzen, sind Vernetzungsmodelle und Sektoren übergreifende Konzepte unerlässlich. Schmidt betonte: Über Preisverhandlungen mit der Industrie ist das Problem nicht zu lösen. Zwar sind rund 39 Prozent der Kosten eines Krankenhauses Sachkosten gegenüber rund 61 Prozent Personalkosten – , doch dürfe im sensiblen Medizinbetrieb nicht allein der Preis kaufentscheidend sein. Der Anwender definiert die Qualität, dem haben die Prozesse zu folgen. Der Ökonom beschafft die für die Leistungserbringung notwendigen Produkte und hier muss der Preis gegenüber der Qualität eine untergeordnete Rolle spielen, betonte Schmidt. Die PEG, die mit rund 2400 Mitgliedseinrichtungen und rund 400 Partnerlieferanten ein wichtiger Player in der Branche ist, fungiere dabei als beratende und flankierende Institution. Die Arbeit trägt Früchte: Wir sehen, dass die Bereitschaft der verschiedenen Berufsgruppen, miteinander einvernehmlich Beschaffungsentscheidungen zu treffen, zunehmend wächst, resümierte Anton J. Schmidt. Moderator Prof. Dr. Rudolf Schmid ergänzte: Die alte Kaufmannssicht wer zahlt, schafft an gilt nicht mehr. Heute sei die Beschaffungsstrategie Teil der Unternehmensstrategie, Beschaffung werde als Kernaufgabe des Managements von Gesundheitsunternehmen begriffen. Dennoch gebe es noch viel zu lernen und Erfahrungen auszutauschen dazu diene das Symposium.
Das Gesetz benachteiligt die Krankenhäuser
Dass nicht alles beim Alten bleibt dafür sorgt unter anderem die Politik. Dies wurde beim ersten Vortrag deutlich, in dem Dr. Rudolf Kösters, Ehrenpräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die Auswirkungen der neuesten Gesetzgebung auf die Krankenhäuser und den Beschaffungsprozess erläuterte. Er machte deutlich: Aus Sicht des Managements bedeutet Beschaffung heute auch, Geld, Personal und neue Arbeitsfelder für die Krankenhäuser zu beschaffen. Leider seien den Krankenhäusern oft enge Grenzen durch die Politik gesetzt. So schneide das im Januar 2012 in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz die Krankenhäuser weiterhin von vielen Möglichkeiten der ambulanten Versorgung ab. Mit verschiedenen Regelungen im Gesetz können die Krankenhäuser nicht zufrieden sein Kösters nannte Beispiele, darunter den Paragrafen 116 b, der die spezialfachärztliche ambulante Versorgung als neuen, eigenständigen Bereich zwischen den Sektoren zwar einführt, aber das Spektrum für die Krankenhäuser auf Fälle mit besonderen Krankheitsverläufen und schweren Verlaufsformen begrenzt. Gleichzeitig gibt es einen Hoffnungsschimmer: Laut Kösters hat die Politik signalisiert, nachlegen zu wollen. 2012 wird dramatisch enden, wenn wir keine Unterstützung bekommen, betonte Kösters und wies auf die jetzt gestartete bundesweite Kampagne Wann immer uns das Leben braucht hin, mit der die Krankenhäuser auf ihre Finanznot und ihre Bedeutung als zentrale Stätten der medizinischen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung aufmerksam machen.
Nicht alles, was neu ist, ist eine Innovation
Dass die Ärzte mit im Boot sind und ihren Beitrag zur Hebung von Effizienzreserven erbringen möchten, machte Moderator Prof. Dr. Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), deutlich. Er richtete die Bitte an das Klinikmanagement, offen für Innovationen zu sein, mahnte aber gleichzeitig seine Kollegen in der Ärzteschaft, gewissenhaft zu prüfen, welche Neuerung tatsächlich eine Innovation sei und ob es lohnt, in sie zu investieren. Innovationen seien dadurch gekennzeichnet, dass sie einen echten Fortschritt bedeuteten und einen zusätzlichen Nutzen brächten. Dazu komme: Ärzte dürften Standardisierung nicht primär als unangemessenen Eingriff in ihre ureigensten Kompetenzen begreifen. Fazit: Nur wenn beides in Beschaffungsentscheidungen einfließt ärztliches Wissen und ökonomisches Denken können sinnvolle Kompromisse gefunden werden.
Was erwartet das Management?
Was erwarten Klinikleiter von Ärzten, Pflege und Einkauf? Ganzheitliche Beschaffungsprozesse, um eine sektorenübergreifende Versorgung zu ermöglichen. So fasste es Bernd Schulte, Geschäftsführer der Städtisches Krankenhauses Maria Hilf gGmbH in Brilon, zusammen. Das 200-Betten-Haus im Hochsauerland ist den Weg vom solitären Haus der Grundversorgung bis zum regionalen Gesundheitszentrum gegangen. Dabei war und ist es auf einen hohen Grad an Vernetzung angewiesen und darauf, mit möglichst vielen Kooperationspartner ein umfangreiches Spektrum von Gesundheitsleistungen anzubieten. Entstanden ist der Gesundheitspark Brilon. Die Erwartungen an den strategischen Einkauf: Zu den traditionellen Parametern Preis, Qualität und Service nun auch Anforderungen wie Versorgungsforschung, Kompatibilität, Finanzierungsmodelle und Aufbau einer Marke mit Alleinstellungscharakter zu erfüllen.
Was erwarten die Ärzte?
Was sich Mediziner von Management, Pflege und Einkauf wünschen, schilderte Prof. Dr. Christoph-T. Germer, Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Würzburg. Das, was den Chirurgen wirklich interessiert, fasste er in einem Satz zusammen: Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung müssen alle notwendigen Ressourcen vorhanden sein. Räume, Personal, Instrumente, Geräte und Medizinprodukte alles müsse den Anforderungen der Ärzte entsprechen, just in time und ohne jeden Lieferengpass verfügbar sein. Wie das zu organisieren ist darum will sich ein Chirurg nicht kümmern müssen. Der Operateur erwartet, dass das funktioniert, sagte Germer. Dennoch seien Ärzte natürlich in Entscheidungsprozess einzubeziehen und transparent über alle Abläufe zu informieren. Management, Personal und Einkauf müssten eng zusammenarbeiten, damit alles reibungslos funktioniere.
Was erwartet die Pflege?
Cornelia Teichmann, in der Medical-Park-Fachklinik in Bad Rodach Pflegedienstleitung und auch für Qualitätsmanagement zuständig, zeigte anhand von Fallbeispielen auf, welche Wirkmechanismen in der Beschaffung herrschen und welche Konsequenzen falsche Kaufentscheidungen auf den Pflegebetrieb haben können. Hier gilt häufig: (Scheinbar) kleine Ursache – große Wirkung. Billig ist oft teuer, warnte Teichmann. Beispiel: Wundversorgung: Hier hatte der Einkauf beschlossen, ein preisgünstigeres Produkt zu bestellen, das sich jedoch nicht bewährte. Hier lautet der Wunsch der Pflege, das Fachwissen der Wundmanager bei der Sortimentsgestaltung einzubeziehen, um Fehlkäufe und Komplikationen zu vermeiden. Teichmann empfiehlt den Aufbau einer professionellen Pflegelogistik, die Sortimentsauswahl unter Einbeziehung aller Beteiligten und den Einsatz einer interdisziplinär besetzten Beschaffungskommission.
Last but not least: Der Einkauf
Die Erwartungen an Management, Ärzte und Pflege aus kaufmännischer Sicht formulierte Reimund Vogel, Leitung Einkauf und Technik in den Waldburg Zeil Kliniken in Isny. Auch er empfahl die Implementierung einer Beschaffungskommission. Unter anderem seien Standards festzulegen und der Einkauf zu bündeln sowie Wartungsverträge abzuschließen, die genau der Art und Dauer der Nutzung entsprächen. Gegenüber der Industrie empfehle sich ein geschlossenes, transparentes Auftreten als seriöser und verlässlicher Partner – dann seien auch die Hersteller zu Zugeständnissen und weitreichenden kooperativen Regelungen bereit.
Beschaffung in der Praxis
Wie sehen Beschaffungsprozesse in der Praxis aus? Damit befasste sich der zweite Teil des Symposiums, und dies vor allem unter dem Aspekt der Standardisierung.
Wie ein Standardisierungsprozess aus Sicht der Medizin funktionieren kann, beschrieb Dr. Benjamin Fricke, Projektleiter bei der Med Advisors GmbH in Hamburg. Er schilderte die Vor- und Nachteile der Evidenzbasierten Medizin für die ärztliche Leistungserbringung. So könnten einerseits bestehende Behandlungspfade überprüft und optimiert werden, auf der anderen Seite bestehe die Befürchtung der Ärzte, Medizin nach Checkliste leisten zu müssen. In Beschaffungsprozessen sei daher die Kommunikation mit den Medizinern der entscheidende Erfolgsfaktor. Ärzte müssten wissen, wo Einsparpotenziale liegen. Sei ein Produkt- oder Verfahrenswechsel angezeigt, seien die Ärzte von der Sinnhaftigkeit des Vorgehens zu überzeugen.
Viel Potenzial in der Endoprothetik
Auch in der Endoprothetik kann kräftig gespart werden, wenn Produkt- und Lieferantenanzahl reduziert werden. Dies schilderte Andreas Wolf, Einkaufsleiter und Leiter Patientenmanagement in den Isar Kliniken, München. Die Ausganglage 2010: Absolute Wahlfreiheit der Operateure bei den Produkten für Hüft- und Knie-TEPs. Im Einsatz waren 13 Systeme von acht Herstellern. Man erhoffte sich Einsparungen durch die Reduzierung der Lieferntenanzahl, Mengenbündelung und Senkung der Einkaufspreise. Dies gestaltete sich schwierig. Das Hauptproblem laut Wolf: Die Sprach- und Verständnisbarriere. Die Ärzte zeigten zunächst wenig Bereitschaft, von ihren angestammten Produkten abzulassen, und die Hersteller verstanden es, ihre ärztlichen Kunden mit psychologischem Geschick und Sachkenntnis bei der Stange zu halten. Doch die Einkaufsabteilung ließ nicht locker und arbeitete sich akribisch in die Produktwelt der Knie- und Hüft-Endoprothetik ein. Nach einem umfangreichen Analyse- und Auswahlprozess wurden Verhandlungen mit den Herstellern geführt und Verträge geschlossen natürlich unter Einbeziehung der Ärzte. Das Ergebnis: Beim Knie konnte eine Reduktion von acht auf vier, bei der Hüfte von acht auf zwei Hersteller erreicht werden. Das Leistungsvolumen bei Hüft- und Knie-TEP stieg von 2009 bis 2011 um insgesamt 62 Prozent die Kosten aber nur um 26 Prozent.
Vorhandenes Know How nutzen
Doch nicht alle Klinikunternehmen wollen und können diesen Aufwand betreiben, um mit eigenen Kräften komplexe Beschaffungsprozesse zu steuern. Und das muss auch nicht sein, denn Einkaufsgemeinschaften und genossenschaften wie die PEG verfügen über das Know-how, um Standardisierungsprozesse durchzuführen und auch skeptische Mediziner im Haus zu überzeugen mit fundierter Sachkenntnis, guten Argumenten und überzeugenden wirtschaftlichen Ergebnissen. Wie dies gelingen kann, schilderten Georg Schäfer, Geschäftsbereichsleiter Strategischer Einkauf bei der Dienstleistungs- und Einkaufsgemeinschaft Kommunaler Krankenhäuser (EKK) in Köln, sowie Udo Sohn, Leiter Strategischer Einkauf bei der PEG. Das Ziel beider Dienstleister: Ein ganzheitlicher Beschaffungsprozess mit optimalen Strukturen und Ergebnissen und der Sicherstellung des medizinischen Fortschrittes und der Patientensicherheit.
Keine Abstriche bei der Hygiene
Welche Auswirkungen Nachlässigkeiten im Bereich Hygiene haben können, beschrieb Prof. Dr. Ojan Assadian, tätig am klinischen Institut für Krankenhaushygiene in Wien. Die Hygiene ist im Beschaffungsprozess ein oft vernachlässigter, aber enorm wichtiger Bereich können doch an jeder Stelle der Versorgungskette Fehler passieren, die verheerende bis hin zu tödlichen Folgen haben können. Unter anderem sind kontaminierte Produkte Ursachen für nosokomiale Infektionen. Oft kommt es zu unsachgemäßer Handhabung, Lagerung und Reinigung von Medizinprodukten. Die Nachlässigkeit fängt häufig schon bei den Herstellern an, die den Anwendern keine klaren Anweisungen für die Verwendung und Aufbereitung der Produkte mit an die Hand geben, kritisiert Prof. Assadjan. Wieso kommen CE-gekennzeichnete Medizinprodukte ohne nachvollziehbare oder glaubhafte Anwendungsanweisungen überhaupt auf den Markt?, so seine Frage. In Wien werden Neuanschaffungen, die ins Haus kommen, intern auf ihre Produktsicherheit hin bewertet. 68 Prozent von ihnen werden freigegeben, bei 54 Prozent sind Nachfragen notwendig, fünf Prozent werden abgelehnt.
Catering – ein traditioneller Outsourcingbereich
Mit einem anderen wichtigen Bereich im Krankenhaus befasste sich der fünfte und letzte Praxisbericht: Mit dem Catering. Carsten Bick, Geschäftsführer Einkauf der Compass Group Deutschland, stellte sein Unternehmen vor, das mit rund 470.000 Mitarbeitern in 50 Ländern zu den zehn größten Arbeitgebern weltweit gehört. In Deutschland hat das Unternehmen rund 1000 Kunden, darunter werden auch Krankenhäuser von Medirest, der Tochter der Compass Group für den Health Care Markt, im Bereich Catering betreut. Erfolgsrezepte sind Prozesssicherheit, Volumenbündelung und Standardisierung. Ein weiteres Prinzip ist die Balance zwischen Zentralisierung und Regionalität.
Was Manager von einem Olympiasieger lernen können
Was haben Hochleistungssport und Management gemeinsam? Vieles, denn ohne Disziplin, systematisches Vorgehen und den unbedingten Willen, an die Spitze zu gelangen, werden sich keine Erfolge einstellen. Doch das ist nicht alles, wie Biathlon-Legende Fitz Fischer zum Abschluss der Tagung vermittelte. Hinter der sachlich klingenden Überschrift Standards und Automatismen im Hochleistungssport verbarg sich ein mit viel Engagement und Herzblut vorgetragenes Plädoyer des Trainers der deutschen Biathlon-Nationalmannschaft, immer mit Leidenschaft, Teamgeist und Herz bei der Sache zu sein und auch auf das Bauchgefühl zu hören – dann gelinge das scheinbar Unmögliche. Wichtig sei zudem Selbstkritik, sonst könne man sich nie verbessern. Auch die Bedeutung des Faktors Mensch kam heraus: Ebenso wenig, wie ein Top-Ski aus einem mittelmäßigen Skiläufer einen Spitzen-Langläufer machen kann, ebenso wenig kann das beste Instrument aus einem mittelmäßigen Chirurgen einen Spitzenmediziner machen. Übertragen auf das Thema Beschaffung könnte man sagen, dass die Einflussmöglichkeiten des Einkäufers auf die medizinische Qualität letztendlich begrenzt sind er muss für die besten Voraussetzungen sorgen, machen muss es der Arzt, der wiederum nur arbeiten kann, wenn sein Team funktioniert. Die begeisterte Reaktion der Zuhörer auf den Vortrag zeigte: Wieder einmal hat sich das Konzept der PEG-Tagungen bewährt, einen branchenfremden Referenten mit dazu zu nehmen, der die Dinge aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet und die Führungskräfte dazu anregt, das eigene Tun und den eigenen Führungsstil kritisch zu hinterfragen.
Marina Reif Freie Journalistin und Fachredakteurin