Essen – Als Dr. Philipp Rösler (FDP) 2009 Bundesminister für Gesundheit wurde, machte sich Hoffnung breit. Viel wusste man nicht über Rösler, doch man war sich weitgehend einig: Nach Jahren verkorkster Gesundheitsreformen und Fehlentscheidungen konnte es mit frischem Wind im Ministerium nur besser werden. Weit gefehlt! Röslers Gesundheitspolitik ist keinen Deut anders, geschweige denn besser als die seiner Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD): Von Nachhaltigkeit keine Spur, dafür aber wieder einmal nur Belastungen für Patienten, Beitragszahler und die Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Als Belohnung für diese kurzsichtige Politik winkt nun der Posten als Vize-Bundeskanzler und neuer Vorsitzender der FDP. Die Mai-Ausgabe der neuen Allgemeinen Gesundheitszeitung für Deutschland thematisiert diese Politikerkarriere auf dem Rücken von Patienten und Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint deutschlandweit mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist kostenlos in Apotheken erhältlich.
VIZEKANZLER PHILIPP RÖSLER Wie man auf dem Rücken von Patienten und Apotheken Karriere macht
Alle Märchen fangen an mit den raunenden Worten: Es war einmal ….
Es war einmal eine Freie Demokratische Partei. Die wurde von den deutschen Bürgern geliebt. Okay nicht von allen. Aber 14,6 Prozent aller Wähler vertrauten ihr und gaben ihr bei der letzten Bundestagswahl ihre Stimme. Darüber freute sich die FDP. Denn nun hatte sie die Möglichkeit, alles besser zu machen. So, wie sie es im Wahlkampf versprochen hatte.
Das Märchen ist zu Ende. Und es hat kein Happy End. In der neuesten Umfrage des FORSA- Instituts für die Zeitschrift Stern hat die FDP nur noch eine Zustimmung von 3 Prozent in der Bevölkerung. Wäre morgen Bundestagswahl, wäre es aus für die FDP im Bundestag. Sie würde an der 5-Prozent-Hürde scheitern.
Nach dem Rücktritt von Dr. Guido Westerwelle als Parteivorsitzender der FDP soll jetzt Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (38) das Amt bekommen und alles besser machen. Das Amt des Vizekanzlers gibt es noch oben drauf. Erst hat Rösler sich geziert. Aber dann hat er sich für die Partei geopfert. Auf dem Bundesparteitag der FDP in Rostock Mitte dieses Monats will er sich wählen lassen.
Was einen wundert, wenn man Röslers Arbeit als Gesundheitsminister verfolgt hat, ist die Hoffnung der FDP, ausgerechnet Rösler möge sie aus dem Zustimmungstief herausführen. Wie das? Immer noch erreicht man die Zustimmung der Bevölkerung sie drückt sich dann auch in Wählerstimmen aus nur durch eine Politik, die der Mann und die Frau auf der Straße als angemessen, sozial ausgewogen und erfolgreich empfinden.
Angemessen? Sozial ausgewogen? Erfolgreich? Röslers Politik als Gesundheitsminister war alles andere als das.
Sage keiner, die Deutschen hätten es nicht zur Kenntnis genommen: Längst haben sie Philipp Rösler für seine Gesundheitsreform abgestraft: Auf der Beliebtheitsskala der Politiker taucht er regelmäßig auf den hinteren Plätzen auf. Beitragserhöhungen, steigende Zuzahlungen beim Einlösen von Rezepten, Zusatzbeiträge der Kassen und Leistungseinschränkungen sind nach Meinung der Bevölkerung eben kein Zeichen für erfolgreiche Gesundheitspolitik.
Mitgegangen, mitgefangen der FDP hat Rösler als Gesundheitsminister jedenfalls nicht gut getan. Umso verwunderlicher, dass dieser Beitrag des Gesundheitsministers zum Niedergang der FDP innerhalb von einem Jahr bei fast allen Analysen in den Medien konsequent ausgeblendet wird.
Zugegeben Rösler ist vordergründig der Antityp eines Politikers. Die für Merkels Kabinett eher unübliche Bescheidenheit Röslers und die sanfte, unaufgeregte Art des niedersächsischen Familienvaters kommen im Kanzleramt gut an, schrieb die Tageszeitung Rheinische Post. Das glaubt man der Bundeskanzlerin gerne. Sie hat eine Schwäche für offene, fröhliche Charaktere, konnte man in der Spiegel-Ausgabe vom 4. April lesen.
Doch ist das der wahre Rösler? Nach dem Verzicht Westerwelles auf Parteivorsitz und Vizekanzlerschaft überschlugen sich die Medien Anfang April in den Bemühungen, Rösler als den schwächlichen Verlierer eines FDP-Personalkarussels darzustellen, das er geplant, dann aber nicht in Bewegung gesetzt habe.
Doch Rösler ist kein Schwächling. Hinter seinem verbindlichen Wesen, das mit seinem Lächeln und seiner provozierend zurückhaltenden Bescheidenheit die asiatischen Wurzeln nicht verbergen kann, steckt ein knallharter Politiker.
Der nette Herr Rösler kann auch anders, titelte die Wochenzeitung Die Zeit in ihrer Online-Ausgabe vom 6. April, um dann fortzufahren: Rösler kann auch knallhart sein, zu Kollegen wie Mitarbeitern. Wer´s nicht glaubt, soll sich bloß mal zehn Minuten in Niedersachsen umhören … Und weiter: Er sei ein brutaler Machtpolitiker sagt ein Landeschef der FDP. Sonst wäre er nicht überall sofort an die Spitze gekommen.
Und auch Röslers Zaudern bei der Machtübernahme muss nicht seine sprichwörtliche Bescheidenheit gewesen sein, sondern Kalkül. Der Spiegel beschreibt es so: Es war die Taktik des mörderischen Zuschauens. Man kann es weit bringen damit.
So klärt sich das diffuse Bild: Rösler, der kühle Machtpolitiker, nicht der freundliche, bescheidene Zauderer. Rösler, der wieder einmal mit unglaublicher Geschwindigkeit Karriere gemacht hat.
Rösler, der wusste, dass er als Gesundheitsminister einen schnellen Erfolg brauchte, um als Retter der Partei auf den Schild gehoben zu werden um jeden Preis.
Der schnelle Erfolg das war die unausgegorene Gesundheitsreform: das GKV-Finanzierungsgesetz (GKVFinG) und das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Eine Gesundheitsreform, die sich in nichts unterschied von denen seiner Vorgängerin oder allenfalls darin, dass Rösler noch konsequenter als Ulla Schmidt per Gesetz dafür sorgte, dass in Zukunft die Versicherten alle Kostensteigerungen alleine tragen müssen.
Doch das war nicht alles. Den Beitragszahlern hat Gesundheitsminister Rösler gleichzeitig auch noch eine saftige Beitragserhöhung aufgebrummt. Die rächen sich nun. Rösler das ist für die Versicherten die FDP. Verständlich, dass bisherige Sympathisanten mit einem Abstrafen der Partei antworten. Nur noch 3 Prozent Zustimmung sind ein deutliches Zeichen.
Ohne Rücksicht auf Verluste hat Rösler auch die Apotheken getroffen. Hunderte Millionen Euro müssen sie aufbringen nur weil Rösler sich nicht die Zeit nehmen wollte, eine saubere, neue Finanzierung des Gesundheitswesens auf die Beine zu stellen. Das hätte das geduldige Bohren von vielen dicken Brettern bedeutet.
Für viele Apotheken bedeutet diese Belastung das Ende ihrer Existenz. Für den Patienten wird das nur sichtbar, wenn wieder eine Apotheke geschlossen wird und er weitere Wege gehen oder fahren muss, um seine Medikamente zu bekommen. So haben in Hamburg in den ersten beiden Monaten dieses Jahres schon sechs Apotheken geschlossen, wie das Fachblatt ApothekerZeitung im März vermeldete.
An Apothekenschließungen in allen Bundesländern wird man sich in Zukunft gewöhnen müssen. Dr. Jörn Graue, der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins, befürchtet, dass jede vierte Apotheke in Deutschland extrem gefährdet ist. Leidtragende sind neben den Patienten auch die Angestellten. In einem Interview mit der ApothekerZeitung gibt er dafür Gesundheitsminister Philipp Rösler die Schuld, der wie seine Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) die Zahl der Apotheken deutlich reduzieren wolle: Hinter mehr oder weniger verschlossenen Türen wird ungeniert über eine Reduzierung der Apothekenzahl auf 15 000 gesprochen.
Heute gibt es rund 21 000 Apotheken, die Tag und Nacht für ihre Patienten da sind: wohnortnah, kompetent und leistungsfähig. Wer je nachts ein dringend benötigtes Arzneimittel für sein Kind benötigte, weiß um die Wichtigkeit der kurzen Wege.
Schließungen von Apotheken sind dann zwingend, wenn die Erträge nicht mehr ausreichen, um die Kosten für ein gut geschultes Personal, das Warenlager, die übrigen Sachkosten und ein oftmals nur noch bescheidenes Gehalt des Apothekers zu verdienen.
Das Mittel dazu hat die Politik in der Hand: Seit sieben Jahren (!) erhalten die Apotheken die gleiche Vergütung für die Abgabe eines Arzneimittels ungeachtet steigender Kosten, ungeachtet immer neuer finanzieller und organisatorischer Belastungen durch die Politik, ungeachtet der Tatsache, dass der überflüssige Versandhandel und der unkontrollierte Vertrieb über Pick-up-Stellen (Abholstellen) für Medikamente in Tankstellen, Blumenläden und Drogeriemärkten hohe Umsatz- und damit Ertragsverluste für die Apotheke bedeuten.
Rösler hat keins dieser Probleme gelöst im Gegenteil: den bisherigen Belastungen der Apotheken wurden neue, riesige hinzugefügt. Das war der einfachere Weg.
Die Liste seiner Versäumnisse hingegen ist ellenlang. Viele Baustellen, die Rösler hätte bearbeiten müssen, sind seit Jahren bekannt. Ob ein Verbot der Pick-up-Stellen oder ein Ende der unsäglichen Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern, ob die Umstellung von über 40 Milliarden Euro ungerechtfertigter versicherungsfremder Belastungen der GKV auf Steuerfinanzierung oder die Abschaffung des überflüssigen Gesundheitsfonds nichts davon hat Rösler angefasst.
Dazu hatte Rösler, wie jetzt deutlich wird, keine Zeit. Er musste schnell Ergebnisse bringen, um zu beweisen, dass er der Richtige für die Partei war. Abwägendes, die Folgen bedenkendes Handeln und kluges Entscheiden Fehlanzeige.
Deshalb Gesundheitspolitik wie immer: im Zweifel gegen das Gesundheitswesen.
Aber in diesem Gesundheitswesen arbeiten 4,5 Millionen Beschäftigte. Unwahrscheinlich, dass sie sich ausgerechnet vom neuen Parteivorsitzenden Philipp Rösler für die FDP als Wähler zurückholen lassen.
ABLENKUNGSMANÖVER Ein Kommentar der Redaktion
Apotheken sind in der Bevölkerung hoch angesehen. Die Patienten vertrauen den Menschen, die dort arbeiten. Sie fühlen sich gut aufgehoben, weil sie gut beraten werden. Alle Umfragen bestätigen das. Gesundheitsminister Rösler (FDP) interessiert das nicht. Er versucht, das gute Bild der Apotheken in der Öffentlichkeit kaputtzumachen indem er fordert, Apotheken sollten besser beraten. Das tun sie aber schon längst. Warum Rösler das Überflüssige trotzdem fordert, ist klar. Er will damit ablenken von seinen unsäglich schlechten Gesundheitsreformen. Doch das wird ihm nicht gelingen. Die Menschen im Lande wissen, wem sie vertrauen können.