Gütersloh – Lange Zeit galt der Schlaganfall als Krankheit alter Leute. Neuere Studienarbeiten machen deutlich, dass diese These nicht ganz zutrifft. Er trifft auch jüngere Menschen – nur anders.
Noch immer ist das Alter Risikofaktor Nummer eins für den Schlaganfall. Doch neuere Studien gehen davon aus, dass der Anteil der jüngeren Betroffenen größer ist als früher angenommen. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat jetzt einen Themenschwerpunkt dazu in ihrem Online-Portal veröffentlicht.
30.000 Patienten pro Jahr
„Wir gehen in Deutschland von 30.000 Betroffenen unter 55 Jahren pro Jahr aus“, sagt Dr. Lars Kellert, Oberarzt am Universitätsklinikum München. Gemeinsam mit anderen Autoren hat der Neurologe zahlreiche Studien zum Schlaganfall bei jüngeren Menschen ausgewertet und die Ergebnisse zusammengefasst.
Klassische Faktoren spielen keine große Rolle
Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen sind klassische Risikofaktoren eines Schlaganfalls. Häufig führen sie zu Arteriosklerose, die dann einen Gefäßverschluss verursachen kann. Doch diese Ursachen „spielen bei jungen Menschen fast keine Rolle“ sagt Kellert. Dissektionen sind häufig Ursache Häufig seien zum Beispiel sogenannte spontane Gefäßdissektionen einer Halsarterie verantwortlich. Durch eine kleine Verletzung kommt es zu einem Einriss in der Gefäßinnenwand. Es bildet sich ein Wandhämatom, das zu einer Engstelle oder sogar einem Gefäßverschluss führt. „Diese Patienten sind oft Mitte 40 oder jünger, im höheren Lebensalter sind solche Dissektionen eine Rarität“ so Kellert.
Komplexe Diagnose
Nach Studienlage geht das Autorenteam davon aus, dass 15 bis 25 Prozent der so genannten juvenilen Schlaganfälle Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe (unter 55 Jahre) durch solche Dissektionen entstehen. Andere seltenere Ursachen sind zum Beispiel Gerinnungsstörungen. Schlaganfälle bei jungen Menschen sind deshalb komplexer und schwieriger zu diagnostizieren.
Mit der Unsicherheit leben lernen
In 30 bis 50 Prozent der Fälle wird die Schlaganfall-Ursache trotz intensiver Diagnostik nicht gefunden. Viele Patienten fürchten sich deshalb vor einem wiederholten Schlaganfall. Für sie hat der Experte jedoch eine gute Botschaft. „Wenn man keine eindeutige Ursache findet, ist das Wiederholungsrisiko wesentlich geringer“, erklärt er seinen Patienten. „Sie müssen zwar lernen, mit dieser Unsicherheit zu leben, aber im Prinzip ist das die bessere Nachricht.“
Themenschwerpunkt im Online-Portal
Im Internet-Portal der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe spricht Dr. Lars Kellert über den Schlaganfall bei jungen Menschen. Außerdem im Video: Zugbegleiter Manuel Gebhard, der mit 12 Jahren einen Schlaganfall erlitt und sich heute zu den glücklichsten Menschen der Welt zählt.