Bad Segeberg – Die Ärztekammer Schleswig-Holstein hat private und öffentliche Arbeitgeber des Landes aufgefordert, bei einem moderaten Umgang mit Krankheitsattesten zu bleiben. Kammerpräsident Dr. Franz-Joseph Bartmann warnte am Donnerstag vor einer Fall-Explosion bei den niedergelassenen Ärzten: “Wer wirklich krank ist, muss natürlich zum Arzt. Aber wenn jeder Arbeitnehmer mit leichtem Unwohlsein oder einem harmlosen Infekt sofort zum Arzt gehen müsste, bleibt Medizinern noch weniger Zeit für die Behandlung tatsächlich wichtiger Fälle. Die Wartezimmer sind schon übervoll.”
Mit dem Appell reagierte die Kammer auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, in dem das Recht der Arbeitgeber auf ein Attest ab dem ersten Tag bestätigt wird.
“Die Deutschen werden statistisch kränker”
Bei einer strengen Auslegung dieses Urteils rechnet der Kammerpräsident mit einer künstlichen Aufblähung der Morbidität: “Ärzte müssen ihre Diagnosen auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach einer international gültigen Krankheitsklassifikation verschlüsseln. Jeder banale Infekt bekommt dann einen eigenen Krankheitswert, der in der Morbiditätsstatistik erfasst wird. Konkret: Ein Attest ab Tag 1 macht die Deutschen rein statistisch kränker als sie sind. Das treibt die Kosten, denn die Vergütung der Ärzte erfolgt zunehmend morbiditätsorientiert. Sie wird gemessen an dem über die ICD-10-Verschlüsselung erfassten Krankheitszustand.”
Bumerang für Arbeitgeber
Eine strenge Umsetzung des Urteils würde sich laut Bartmanns als Bumerang für die Arbeitgeber erweisen: “Sie zahlen knapp die Hälfte der Krankenkassenbeiträge, die durch unnötige Behandlungen und höhere Morbidität steigen dürften.” Arbeitgeber seien gut beraten, es beim Attest ab dem zweiten oder dritten Tag zu belassen, so der Präsident: “Das entlastet die ohnehin angespannte ambulante ärztliche Versorgung und dient dem Betriebsfrieden.”