Berlin – Die Senatskommission zur Prüfung von Rückständen in Lebensmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft befasste sich 1978 und 1984 mit den Rückständen in Frauenmilch. Sie hat auch eine gesundheitliche Bewertung der Rückstände vorgenommen und dabei unabhängigvon der Höhe der Rückstandsgehalte in Frauenmilch ein uneingeschränktes Stillen in den ersten vier Monaten empfohlen. Gleichzeitig hatte sie jedoch vorgeschlagen, dass Mütter, die länger als vier Monate stillen wollen, ihre Milch auf Rückstände an Organochlorpestiziden und polychlorierten Biphenylen untersuchen lassen sollten. Je nach Höhe der Rückstände sollten die Mütter ihre Säuglinge weniger stillen, da die Vorteile des Stillens ein theoretisch abgeleitetes Risiko dann nicht mehr aufwiegen würden.
Die Nationale Stillkommission sieht in den Rückständen allerdings kein gesundheitliches Risiko für den Säugling und somit keinen Anlass für irgendwelche Einschränkungen des Stillens. Sie empfiehlt den Müttern, ihre Kinder bis zum Übergang auf die Löffelnahrung (d.h. vier bis sechs Monate lang) voll zu stillen, und sieht auch kein gesundheitliches Risiko für den Säugling, wenn danach – zusätzlich zur Beikost und Kleinkindernahrung – noch weiter gestillt wird.
Bisherige Empfehlungen und ihre Auswirkungen
Die Senatskommission zur Prüfung von Rückständen in Lebensmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft hatte sich 1978 in der Mitteilung V und 1984 in der Mitteilung XII mit den Rückständen in Frauenmilch befasst. In der Mitteilung XII hatte diese Kommission auch eine gesundheitliche Bewertung der Rückstände vorgenommen und dabei unabhängig von der Höhe der Rückstandsgehalte in Frauenmilch ein uneingeschränktes Stillen in den ersten vier Monaten empfohlen. Gleichzeitig hatte sie jedoch vorgeschlagen, dass Mütter, die länger als vier Monate stillen wollen, ihre Milch auf Rückstände an Organochlorpestiziden und polychlorierten Biphenylen untersuchen lassen sollten. Für die Gehalte dieser Stoffe in Frauenmilch wurden “Richtwerte” vorgelegt: Je nach Höhe der Rückstände sollten die Mütter danach bei einem weiteren Stillen ihren Säuglingen nur noch maximal 850, 600, 400 oder gar 250 ml Frauenmilch pro Tag geben, da die Vorteile des Stillens ein theoretisch abgeleitetes Risiko dann nicht mehr aufwiegen würden.
Die Untersuchungsanstalten der meisten Bundesländer wurden angewiesen, auf Wunsch der Mütter – unabhängig vom Zeitpunkt nach der Entbindung – deren Milch kostenlos auf die o. a. Stoffe zu untersuchen und dafür die Überwachung der Lebensmittel, die ja den Hauptaufnahmepfad für diese Stoffe bilden, gegebenenfalls zurückzustellen. Beispielsweise wurden 1990 ca. 6000 derartige Muttermilchanalysen in Deutschland durchgeführt.
In keinem anderen Land wurden derartige Richtwerte für Organochlorpestizide und polychlorierte Biphenyle in Frauenmilch aufgestellt, obwohl in Nachbarländern Deutschlands teilweise ähnliche oder in einigen Entwicklungsländern sogar viel höhere Rückstandsgehalte gemessen wurden. Das Bundesgesundheitsamt und das nunmehr für die Bewertung zuständige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV)1 hat die “Richtwerte” für Frauenmilch stets abgelehnt. Auch die Weltgesundheitsorganisation sieht nach wiederholter Bewertung in diesen Rückständen keinen Grund für irgendwelche Einschränkungen des Stillens.
Diese Stillempfehlung von 1984 hat dazu geführt, dass zahlreiche Mütter stark verunsichert wurden, ihre Milch bereits früher untersuchen ließen und zum Teil sogar die Stilldauer verkürzten.
Aktuelle Empfehlungen
Die Nationale Stillkommission der Bundesrepublik Deutschland hat sich bereits auf der konstituierenden Sitzung (1./2. 9. 1994) ausführlich mit den Problemen der Rückstände in Frauenmilch befasst (K. W. Tietze, B. Trumann, C. Sedemund [Hrsg.]: “Stillen in Deutschland”, RKI-Heft 8/1995). So konnte festgestellt werden, dass aufgrund der getroffenen Maßnahmen die Rückstände an persistenten Organochlorverbindungen in der Frauenmilch in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen sind: – bei Organochlorpestiziden um 50-80 %, – bei PCB und Dioxinen um 50 %.
Die Kommission nimmt diese Entwicklung mit Genugtuung zur Kenntnis, fordert jedoch aus Gründen der Vorsorge, auch weiterhin geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Rückstände aller Fremdstoffe in Frauenmilch zu ergreifen. Die Kommission sieht in diesen Rückständen allerdings kein gesundheitliches Risiko für den Säugling und somit keinen Anlass für irgendwelche Einschränkungen des Stillens. Sie empfiehlt den Müttern, ihre Kinder bis zum Übergang auf die Löffelnahrung (d.h. vier bis sechs Monate lang) voll zu stillen, und sieht auch kein gesundheitliches Risiko für den Säugling, wenn danach – zusätzlich zur Beikost und Kleinkindernahrung – noch weiter gestillt wird.
Die Nationale Stillkommission empfiehlt den Bundesländern, die Mütter durch die Gesundheitsämter und andere entsprechende Einrichtungen über diesen Beschluss zu informieren. Sie schlägt vor, die in den Bundesländern bisher auf Wunsch von interessierten Müttern durchgeführten Untersuchungen von Frauenmilchproben einzustellen bzw. sich auf Proben zu beschränken, bei denen ein begründeter Verdacht auf eine besonders hohe Belastung besteht. Es wird dagegen vorgeschlagen, dass die Bundesländer für die weitere Verfolgung und Beurteilung der Rückstandssituation Untersuchungen von repräsentativen Frauenmilchproben im Rahmen koordinierter Monitoring-Programme durchführen.
(Bundesgesundhbl. 2/96, S. 87)
1 Seit 2002 ist die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), einer der Nachfolgeeinrichtungen des BgVV, angesiedelt.