Berlin. Die eurocom veröffentlicht zur Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni 2024 ein Positionspapier, das Handlungsbedarf an Straßburg und Brüssel adressiert. Denn EU-weite Regelungen wie die Medical Device Regulation (MDR) und zahlreiche andere EU-Verordnungen sorgen zwar für gleiche Anforderungen und Standards innerhalb der Europäischen Union, stellen aber gleichzeitig ein enges Korsett von Bestimmungen für Medizinprodukte dar. Insbesondere, wenn es darum geht, unterschiedliche Ziele und Anforderungen in Einklang zu bringen. Frank Weniger, Leitung Politik eurocom, erklärt: „Deshalb sind Regelungen mit Augenmaß notwendig, um den Standort für die überwiegend kleinen und mittelständischen Hilfsmittelhersteller in der Europäischen Union und damit die unmittelbare Verfügbarkeit von hochwertigen und innovativen Hilfsmitteln zugunsten des Patientenwohls zu sichern.“
Das ausführliche Positionspapier „Forderungen zur Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni 2024“ finden Sie hier.
MDR sachgerecht überarbeiten
Die MDR stellt teils zu hohe regulatorische Hürden für eine wirtschaftliche und verfügbare Hilfsmittelversorgung auf. Die eurocom begrüßt daher die Entscheidung der EU-Kommission, die Evaluierung der MDR auf 2024 vorzuziehen, und fordert eine sachgerechte Überarbeitung der MDR, um Hürden abzubauen, Abläufe zu vereinfachen und Unklarheiten aufzulösen. Dazu gehören insbesondere folgende wesentliche Forderungen:
Die MDR wird zum abschließenden Regelungswerk für Medizinprodukte auf EU-Ebene. Andere Regelungswerke nehmen Medizinprodukte entweder komplett aus, oder es werden zusätzliche Bestimmungen in die MDR aufgenommen. Gleichzeitig sind ergänzende nationale Regelungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, und der Vorrang der MDR ist besser zu überwachen.Außerdem sind die Anforderungen an die sicheren und wirksamen Medizinprodukte der Klasse I zu hoch angesetzt und müssen gesenkt werden. Es sollten klare Regeln festgelegt werden, unter denen eine klinische Bewertung bei Medizinprodukten der Klasse I nicht erforderlich ist. Etwa wenn das Produkt ähnlichen bereits auf dem Markt befindlichen Produkten entspricht oder es auf einfachen physikalischen Prinzipien basiert. Bei Medizinprodukten der Klasse I sollte eine Bescheinigung einer Benannten Stelle für das Umpacken, Umkennzeichnen oder die Übersetzung einer Gebrauchsanweisung durch einen Händler entfallen.
Schließlich müssen undefinierte Begriffe und falsche Zuordnungen, die die MDR stellenweise enthält und zu Rechtsunsicherheit und Mehraufwand führen, beseitigt werden. Klarstellungen sind etwa in der Definition und Abgrenzung der Begriffe Sonderanfertigung und Maßanfertigung notwendig.
Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) und andere Materialien sachgerecht begrenzen
Die EU sorgt sich zu Recht um die Umweltbelastungen durch das tägliche Leben. Angestrebt wird das Verbot potenziell für Mensch und Umwelt schädlicher Substanzen durch die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). Betroffen etwa ist die Nutzung der sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS, von Siloxanen zur Herstellung von Silikon oder auch von Mikroplastik. Hierbei darf es keine Verbote nach dem Gießkannenprinzip geben, sondern es sind Ausnahmen für Medizinprodukte und Grenzwerte zu definieren. Nur sachgerechte Lösungen für die Gesundheitswirtschaft können den Ausgleich zwischen den Zielen ‚Umweltbelastung minimieren‘ und ‚Hilfsmittelversorgung aufrechterhalten‘ herstellen.
Mehrwertsteuersatz einheitlich auf sieben Prozent absenken
In Deutschland unterliegen Hilfsmittel nur teilweise dem abgesenkten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Hinzu kommt die Uneinheitlichkeit der angewendeten Mehrwertsteuersätze: Gerade bei Bandagen und Orthesen werden – je nach Produkt und örtlicher Zuständigkeit von Finanzamt und Hauptzollamt – 7 Prozent oder 19 Prozent Mehrwertsteuer angesetzt. Eine Vereinheitlichung gibt es seit Jahren nicht, da die EU-Kommission keine Durchführungsverordnung dazu erlässt.Der abgesenkte Mehrwertsteuersatz für Hilfsmittel ist den EU-Mitgliedstaaten in der Richtlinie zum gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verpflichtend vorzugeben. Bis zur Umsetzung dieser Forderung ist eine Vereinheitlichung des abgesenkten Steuersatzes durch eine EU-Durchführungsverordnung geboten. Denn Hilfsmittel dienen der Gesundheitsversorgung. Patienten können sich die Anschaffung nicht aussuchen, sondern sind zwingend darauf angewiesen.
Über eurocom
eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie, orthopädische Hilfsmittel und digitale Gesundheitsanwendungen. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle – aktuell 37 – im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.