Berlin – Die Bürokratie im Gesundheitswesen hat zu einer neuen Rekordmarke geführt: Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) mussten in den letzten Wochen 1.359.503 Datensätze zusätzlich in die Apotheken-EDV eingespielt werden. Grund sind nicht etwa neue Arzneimittel – die Datenflut ist vielmehr Konsequenz der Rabattverträge, die die Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern aushandeln können.
193 der insgesamt 242 Krankenkassen haben dies inzwischen getan und Rabattverträge abgeschlossen, die für 300 bis 4.600 Arzneimittel gelten. Auf Herstellerebene schwankt die Anzahl pro Vertrag zwischen 1 Präparat und 2.574 Präparaten. Insgesamt betreffen die Verträge 12.123 Arzneimittel. Und weil da auch der pharmazeutisch versierteste Apotheker ohne EDV-Unterstützung nicht mehr durchblicken kann, war die Datengigantomanie unausweichlich.
Denn bevor der Patient für sein Rezept das benötigte Arzneimittel bekommt, muss der Apotheker zunächst prüfen, mit welchem Hersteller und über welches Arzneimittel seine Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Solche “Rabatt-Arzneimittel” muss der Apotheker seit dem 01.04.2007 bevorzugt abgeben. Ist eben dieses Medikament nicht vorrätig, muss es beschafft werden – auch wenn die Apotheke mehrere andere gleichwertige Produkte in ihren Regalen und Schubfächern hat.
Dank der eingespielten Logistik von Großhandel und Apotheken gelingt das im Normalfall binnen weniger Stunden. Vorausgesetzt, das von der Kasse “bevorzugte Arzneimittel” ist überhaupt lieferfähig. Vor allem für Versicherte der AOK hat es genau damit aber in der letzten Zeit erheblichen Ärger und Probleme gegeben.
Ist das Rabatt-Arzneimittel nicht lieferfähig, muss der Apotheker eines der drei preisgünstigsten wirkstoffgleichen Medikamente mit derselben Dosierung und Packungsgröße sowie derselben oder einer austauschbaren Darreichungsform abgeben – und zwar selbst dann, wenn das Medikament, mit dem der Patient vertraut ist, nur wenige Cent mehr kostet.
In jedem Fall müssen Patientinnen und Patienten in der Apotheke länger warten. Denn auch modernste Computer brauchen ihre Zeit, bis sie mehr als 1,3 Millionen Datensätze verarbeitet haben. Und es kommen ständig neue Rabattverträge und Datensätze hinzu. Es wird gespart – koste es was es wolle.