Eppstein – Rein statistisch verdienen die Frauen in Deutschland erst am 21. März so viel wie Männer bereits am Ende des Vorjahres. Zu dieser gesamtwirtschaftlichen Entgeltlücke von 22 Prozent trägt die Beschäftigungs- und Entlohnungssituation in den Gesundheitsberufen wesentlich bei. Auf diesen Zusammenhang machte Eva Maria Welskop-Deffaa bei einer Expertinnenrunde zum Equal Pay Day 2013 aufmerksam. Zu dem Gespräch über „Verdienst mit Lücken“ hatte der Verband medizinischer Fachberufe e.V. u.a. die Ministerialdirektorin a.D. sowie die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats Hannelore Buls am 1. März nach Dortmund eingeladen.
Gefragt nach der Ursache dafür, warum die Arbeit von Frauen im Humandienstleistungsbereich so niedrig bewertet wird, erklärte Hannelore Buls: „Wir haben in Deutschland heute eine starke Konkurrenz zwischen professionellen Dienstleistungen, die als Erwerbstätigkeit ausgeübt werden und dem ganzen Bereich der in der Familie unbezahlt erbrachten Arbeit. Die unbezahlte Arbeit wurde traditionell den Frauen zugeschrieben, die bezahlte, aushäusige Beschäftigung den Männern. Die Folge für die Frauen: In allen Bereichen, die mit der Haushaltsführung, der Pflege von Kranken, der Sorge für Gesunde oder der Erziehung verbunden sind, galt die Arbeit lange Zeit als geldlich nicht einschätzbar, sogar als ‚unbezahlbar’, in jedem Fall aber wurde ihr ein geringer Wert beigemessen, schließlich könne das ja jede Frau, auch ohne formale Qualifikation.“
In der Diskussion zeigte sich, dass das Gesundheitssystem noch heute darauf aufbaut, dass frauendominierte Berufe geringer bezahlt werden. „Care“-Aufgaben im Umfeld der Sozial- und Gesundheitsberufe würden noch zu großen Teilen unbezahlt im familiären Kontext erbracht, so Eva Maria Welskop-Deffaa. Das mache ihre adäquate Bezahlung als Beruf weiter schwer. § 3 SGB IX sei ein Beispiel für die gesetzliche Fixierung dieser historischen Nähe: „Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen.“
„Diese gesellschaftliche Bewertung muss sich ändern“, erklärte dazu Sabine Ridder, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. „Unsere Berufsangehörigen üben keine einfachen Tätigkeiten aus. Allein 578.000 Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sorgen in den Arzt- und Zahnarztpraxen dafür, dass die Patientinnen und Patienten vor, während und nach der Behandlung fachkundig und kompetent betreut, Anforderungen an die Hygiene und das Qualitätsmanagement erfüllt, Umweltschutzvorschriften eingehalten, Betriebsabläufe und Terminplanungen organisiert, medizinische Geräte bedient, Behandlungen dokumentiert und abgerechnet sowie Ärzte und Zahnärzte entlastet werden. Noch werden sie dafür aber im Niedriglohnbereich bezahlt. Um die Öffentlichkeit und die Politiker auf dieses Problem aufmerksam zu machen, beteiligen sich unsere Verbandsmitglieder mit Engagement, Kreativität, Ideen und viel Leidenschaft an zahlreichen Aktionen des Equal Pay Days in ganz Deutschland.“
Die Zukunft der Gesundheitsberufe müsse eine Zukunft guter Arbeit für Frauen im Gesundheitswesen sein. Diesem Fazit von Eva Maria Welskop-Deffaa stimmten auch die Anwesenden der Expertenrunde zu. Dabei sei ein Ende der Bescheidenheit nicht das Ende der Arbeit aus Liebe zu den Menschen. Denn die Qualität der Arbeit, die Empathie für den Patienten und eine leistungsgerechte Bezahlung seien verschiedene Seiten derselben Medaille.
Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. wurde 1963 als Berufsverband der Arzthelferinnen (BdA) gegründet und vertritt als Gewerkschaft seit 1980 auch die Interessen der Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen. Seit dem 6. Juni 2006 trägt der ehemalige BdA den Namen Verband medizinischer Fachberufe e.V. Mit der Satzungsänderung 2010 können auch angestellte Zahntechniker/innen den Verband beitreten. Mehr Infos unter www.vmf-online.de.
EPD-Termine finden Sie www.vmf-online.de/epd-termine-2013