Berlin – Der Chemiker Prof. Thomas Tuschl von der Rockefeller Universität in New York, USA, ist in Berlin für die Entwicklung der Technik, mit der es ihm gelang, in menschlichen Zellen gezielt Gene auszuschalten, mit der Max-Delbrück-Medaille geehrt worden. Die Technik, in der Fachsprache RNA-Interferenz (RNAi) genannt, wird inzwischen weltweit in der Forschung eingesetzt, um in der Zellkultur gezielt Gene stumm zu schalten und daraus Rückschlüsse auf ihre Funktion zu ziehen. Die große Hoffnung der Forscher jedoch ist, mit der RNAi- Technik fehlregulierte Gene zu blockieren, um etwa Augenleiden, neurologische Erkrankungen, Erbleiden und Krebs zu behandeln. Die Laudatio hielt der Bioinformatiker und Systembiologe Prof. Nikolaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch.
Die Ribonukleinsäure (engl. Abk. RNA), die chemische Verwandte der DNA, fungiert nicht nur als Träger der genetischen Information, die die Zellmaschinerie benötigt, um Proteine, die Baustoffe und Maschinen des Lebens, zu produzieren. RNA kommt in der Natur auch doppelsträngig vor, wird dann aber von der Zelle in kleine Stücke zerhackt, die sich an die Boten-RNA anlagern und damit die Proteinproduktion stoppen. Dieser Prozess dient unter anderem der Abwehr von Viren sowie der Genregulation.
Als Postdoktorand am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, legte Thomas Tuschl den Grundstein für seinen später am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen erbrachten Nachweis, dass die Zelle auch künstlich eingebrachte doppelsträngige RNA in kleine Stücke zerlegt. Diese kleinen Stücke, die nur aus 20 – 23 Bausteinen bestehen, sind es, die mit der Boten-RNA interferieren und dadurch Gene stummschalten. 2001 konnte Tuschl, inzwischen am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, zeigen, dass diese RNA- Interferenz auch in menschlichen Zellen vorkommt und dass somit menschliche Gene mit Hilfe doppelsträngiger RNA-Bruchstücke blockiert werden können.
Thomas Tuschl wurde am 1. Juni 1966 in Altdorf bei Nürnberg geboren. Er studierte in Regensburg Chemie und promovierte 1995 am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen. Danach ging er als Postdoktorand für vier Jahre zu Nobelpreisträger Phillip Sharp an das MIT und arbeitete auch in dem benachbarten Whitehead Institute. 1999 kehrte er nach Göttingen zurück und übernahm dort eine Gruppenleiterstelle am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. 2003 erhielt er einen Ruf als Professor und Laborleiter an die Rockefeller Universität von New York, wo er noch heute forscht und wurde kurz danach “Investigator” vom Howard Hughes Medical Institute (HHMI). Zusammen mit Prof. Sharp und einigen anderen Wissenschaftlern gründete er 2002 im amerikanischen Cambridge die Firma Alnylam, deren Ziel die Entwicklung neuartiger Therapien ist, die auf der RNAi-Technik beruhen.
Für seine Arbeiten erhielt Prof. Tuschl zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2005 den Ernst-Schering-Preis in Berlin, den Meyenburg- Preis in Heidelberg und den Dr. Albert Wander Gedenk-Preis in Bern, Schweiz. 2003 wurde er in New York mit dem Mayor’s Award for Excellence in Science and Technology sowie mit dem Wiley Prize in the Biomedical Sciences und dem Newcomb Cleveland Prize der American Association for the Advancement of Science geehrt. 2002 bekam er den Eppendorf Young Investigator Award in Hamburg und den Otto-Kling-Weberbank-Preis in Berlin.
Die Max-Delbrück-Medaille wird seit 1992 jährlich an einen herausragenden Wissenschaftler im Rahmen der “Berlin Lectures on Molecular Medicine” vergeben, die das MDC mit anderen Berliner Forschungseinrichtungen und der Bayer Health Care, Bayer Schering Pharma (zuvor Schering Forschungsgesellschaft) veranstaltet. Der erste Preisträger war der spätere Medizinnobelpreisträger Prof. Günter Blobel.
Ein Photo von Prof. Thomas Tuschl können Sie im sich im Internet herunterladen unter: http://www.mdc-berlin.de