Berlin – Die gesetzlichen Krankenkassen weisen in ihren vorläufigen Finanzergebnissen des 1. Quartals 2012 einen Überschuss von rund 1,51 Mrd. Euro aus. Einnahmen in Höhe von rd. 47,47 Mrd. Euro standen Ausgaben in Höhe von rd. 45,96 Mrd. Euro gegenüber.
Dazu erklärt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr: “Die anhaltend positive Finanzentwicklung bei den Krankenkassen ist sehr erfreulich und bestätigt die Erfolge der Bundesregierung. Die Bundesregierung setzt sich für solide Finanzen der Krankenkassen ein und achtet auf die künftige Ausgabenentwicklung.
Die Lage bei den Kassen ist weiterhin unterschiedlich, aber alle profitieren von der Situation. Überschüsse sind das Geld der Versicherten, was auch ihnen zugute kommen muss, das kann zum Beispiel durch Leistungsverbesserungen und Prämienzahlungen geschehen. Angesichts der aktuellen Zahlen besteht aber überhaupt kein Anlass bei notwendigen und überschaubaren Mehrausgaben bereits wieder eine defizitäre Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen an die Wand zu malen.”
Bei einer differenzierten Betrachtung der Krankenkassenarten wiesen Kassenarten mit den meisten Versicherten die höchsten Überschüsse aus. So erzielten die AOKen einen Überschuss von rund 553 Mio. Euro und die Ersatzkassen einen Überschuss von rund 568 Mio. Euro. Bei den kleineren Kassenarten erzielten die Betriebskrankenkassen Überschüsse von 165 Mio. Euro, die Innungskrankenkassen von 154 Mio. Euro und die Knappschaft-Bahn-See von 71 Mio. Euro.
Dieser Überschuss entspricht weitgehend dem Ergebnis des 1. Quartals 2011, in dem die Krankenkassen ein Plus von rund 1,47 Mrd. Euro erzielten. Auch wenn die Überschüsse im Durchschnitt der drei folgenden Quartale erfahrungsgemäß deutlich geringer ausfallen als in den Monaten Januar bis März, kann im Gesamtjahr 2012 mit einer weiterhin positiven Finanzentwicklung gerechnet werden.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im 1. Quartal 2012 ein saisonübliches Defizit von 1,05 Mrd. Euro. Dies ist auf die Auszahlungssystematik des Fonds zurückzuführen. Die Ausgaben des Fonds in Form von Zuweisungen fließen in monatlich gleichen Teilbeträgen an die Kassen. Die Beitragseinnahmen des Gesundheitsfonds unterliegen dagegen Schwankungen. Die finanzielle Situation des Gesundheitsfonds wird sich anders als bei den Krankenkassen daher im weiteren Jahresverlauf deutlich verbessern. Grund sind beitragspflichtige Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld, höhere Tarifabschlüsse sowie höhere Renten zum 1. Juli. Insofern kann auch der Fonds im Gesamtjahr 2012 mit einem Überschuss rechnen.
In der Gesamtbetrachtung der Finanzergebnisse von Krankenkassen und Gesundheitsfonds verzeichnete die GKV im 1. Quartal 2012 einen Überschuss von rund 462 Mio. Euro (1. Quartal 2011: 950 Mio. Euro)
Ausgabenzuwächse bei 3,5 Prozent
Je Versicherten gab es im 1. Quartal 2012 einen Ausgabenzuwachs von 3,5 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 3,6 Prozent je Versicherten. Prognost-iziert war ein Ausgabenanstieg von 4,5 Prozent. Damit zeigt sich, dass die Politik der Bundesregierung wirkt.
Solides finanzielles Fundament
Nach dem Rekord-Schuldenstand von 8,3 Mrd. Euro Ende 2003 steht die gesetzliche Krankenversicherung zum Jahresanfang 2012 auf einem soliden finanziellen Fundament. Gesundheitsfonds und Krankenkassen verfügen rechnerisch am Ende des 1. Quartals 2012 insgesamt über Finanzreserven in einer Größenordnung von rund 20 Mrd. Euro, davon rund 11,5 Mrd. Euro bei den Krankenkassen und rund 8,5 Mrd. Euro beim Gesundheitsfonds.
Alle Krankenkassen partizipieren an dieser positiven Entwicklung. Einige Krankenversicherungsträger konnten erstmals wieder Rücklagen aufbauen und im Verlauf des Jahres 2012 auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen verzichten.
Es gibt auch Krankenkassen, die mittlerweile über ein Vielfaches der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve in Höhe von 25 Prozent einer durchschnitt-lichen Monatsausgabe verfügen und ihre Reserven auch im 1. Quartal 2012 nochmals deutlich erhöht haben. Gegenwärtig lassen aber nur etwa 10 überwiegend kleinere Krankenkassen mit rund 700.000 Versicherten ihre Mitglieder durch Prämien an ihrer positiven Finanzentwicklung partizipieren.
Verschiedene Ursachen der positiven Entwicklung
Die positive Finanzentwicklung der GKV ist zu einem großen Teil auf die Entwicklung der Beitragseinnahmen bei einer bislang günstigen Lohn- und Beschäftigungsentwicklung zurückzuführen, auch wenn die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone weiterhin mit erheblichen Risiken behaftet ist.
Daneben haben aber auch die ausgabenbegrenzenden Maßnahmen insbesondere im Arzneimittelbereich sowie bei den Verwaltungsausgaben der Krankenkassen zu einer Ausgabenstabilisierung beigetragen.
Arzneimittel-Sparpaket führt weiterhin zu Entlastungen
In den Monaten Januar bis März sind die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen je Versicherten vor dem Hintergrund der deutlichen Rückgänge im vergangenen Jahr im 1. Quartal 2012 wieder um 3,7 Prozent gestiegen. Trotz dieser Zuwachsrate blieben die Arzneimittelausgaben im 1. Quartal 2012 immer noch um rund 100 Mio. Euro unterhalb der Ausgaben des 1. Quartals 2010.
Dieser Vergleich zeigt, dass das Arzneimittel-Sparpaket, das die Bundesregierung in 2010 auf den Weg gebracht hatte, weiterhin seine Wirkung entfaltet. Sie zeigt aber auch, dass die kurzfristig wirksamen Maßnahmen – insbesondere das bis Ende 2013 befristete Preismoratorium und der erhöhte Herstellerrabatt für Nicht-Festbetragsarzneimittel weiterhin erforderlich sind. Denn wenn die Bundesregierung – wie von der pharmazeutischen Industrie gefordert – den erhöhten Herstellerrabatt und das Preismoratorium frühzeitig aufgehoben hätte, läge der aktuelle Zuwachs vermutlich wieder im annähernd zweistelligen Bereich.
Jetzt kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen für Wirtschaftlichkeit und Preiswettbewerb in der Arzneimittelversorgung und bei der Versorgung mit Impf-stoffen dauerhaft zu verbessern. Dafür schafft das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) die entscheidenden Voraussetzungen. Mit der frühen Nutzenbewert-ung für patentgeschützte Arzneimittel durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und einer erstmalig erfolgten Preisvereinbarung zwischen Krankenkassen und einem Pharmaunternehmen Ende Mai wurden jetzt wichtige Weichenstellungen für faire Arzneimittelpreise auch im Nicht-Festbetragsbereich vorgenommen. Dies sind entscheidende Schritte, um die Ausgabendynamik, die bislang immer von den patentgeschützten Arzneimitteln ausging, in den Griff zu bekommen.
Im Festbetragsbereich verzeichneten die Krankenkassen durch die Rabatt-Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen weitere Entlastungen. Im Vergleich zum 1. Quartal 2011 konnten die Einsparungen durch vertraglich vereinbarte Rabatte von 304 Mio. Euro um 105 Mio. Euro auf 409 Mio. Euro erhöht werden. Neben den Rabattvereinbarungen hat auch die Einführung neuer Festbeträge zu finanziellen Entlastungen in diesem Bereich beigetragen.
Unterschiedliche Entwicklung in anderen Leistungsbereichen
In den anderen größeren Leistungsbereichen ist die Entwicklung der Ausgaben sehr unterschiedlich verlaufen:
Der Zuwachs von 2,3 Prozent je Versicherten bei den Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung lässt noch keine validen Schlüsse auf die Ausgabenent-wicklung im Gesamtjahr zu, da für das 1. Quartal noch keine Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen bei den Krankenkassen vorliegen.
Der Anstieg bei den Ausgaben für Krankenhausbehandlung lag je Versicherten bei 3,3 Prozent. Zu einem Anstieg der Ausgaben der Krankenkassen haben dabei insbesondere die weiterhin dynamischen Zuwächse bei den Leistungsmengen geführt. Um die Ursachen dieser dynamischen Entwicklung zu untersuchen und Lös-ungsansätze zu entwickeln, werden die Selbstverwaltungspartner (GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft) auf Bundesebene kurzfristig mit der Vergabe eines gemeinsamen Forschungsauftrags beauftragt. Dies ist im Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz), das noch im Bundesrat behandelt wird und im August in Kraft treten soll, geregelt. Übergangsweise werden bis zum Jahr 2014 Mehrleistungsabschläge erhoben.
Beim Krankengeld hat sich nach mehreren Jahren mit annähernd zweistelligen Zuwächsen der Zuwachs mit einem Plus von 5,7 Prozent auf hohem Niveau erstmals deutlich verlangsamt. Dies ist allerdings kein Anlass zur Entwarnung. Als maßgebliche Ursachen für diesen Anstieg sind weiterhin eine Zunahme der Kranken-geldbezieher in höheren Altersgruppen vor der Verrentung sowie der Anstieg von lang andauernden psychischen Erkrankungen zu nennen. Hier sind nicht zu-letzt die Unternehmen und die Krankenkassen gemeinsam gefordert, im Rahmen einer verstärkten betrieblichen Gesundheitsförderung diesem Trend entgegen
zu wirken.
Positiv zu bewerten ist die Entwicklung im Bereich der Mütter-Väter-Kind-Maßnahmen. In diesem Leistungsbereich gab es nach deutlichen Ausgabenrückgängen in den letzten drei Jahren im 1. Quartal 2012 erstmals wieder einen Zuwachs von rund 20 Prozent. Die Bemühungen der Bundesregierung, in Kooperation mit den Krankenkassen und den Einrichtungen zu einer verbesserten Bewilligungspraxis und einer Verstetigung des Leistungsgeschehens zu kommen, tragen offenbar erste Früchte.
Die Netto-Verwaltungskosten der Krankenkassen, die für das 1. Quartal 2012 eine unterproportionale Zunahme von 1,0 Prozent je Versicherten aufzeigen, verlaufen unauffällig. Da es im Gesamtjahr 2011 einen Ausgabenrückgang von 1 Prozent gab, besteht derzeit kein Anlass zu der Befürchtung, dass die gesetzliche Ausgabenbegrenzung insgesamt nicht eingehalten werden kann. Danach sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, die Verwaltungsausgaben 2012 (wie die des Jahres 2011) auf das Niveau des Jahres 2010 zu begrenzen.
Weitere Perspektive 2012
Trotz der konjunkturellen Risiken in der Euro-Zone zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die gesetzliche Krankenversicherung auch Ende 2012 auf einer soliden Finanzgrundlage stehen wird. Die Krankenkassen erhalten im Jahr 2012 Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die mehr als ausreichen werden, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken. Anhand der nunmehr vorliegenden vorläufigen Finanzdaten des 1. Quartals 2012 kann davon ausgegangen werden, dass die Krankenkassen insgesamt auch das Jahr 2012 mit einem – wenn auch deutlich geringeren Überschuss als in 2011 – abschließen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einnahmen von rund 700 Mio. Euro, die ein Teil der Krankenkassen in 2011 aus Zusatzbeiträgen erzielte, in 2012 nur noch in einem geringen Umfang anfallen werden.
Ähnliches ist auch für den Gesundheitsfonds im weiteren Jahresverlauf zu erwarten. Der Gesundheitsfonds wird zum Jahresende 2012 somit über ein ausreichendes Finanzpolster verfügen, um weiterhin für konjunkturelle Einnahmerisiken gewappnet zu sein. Er wird außerdem zu Beginn des nächsten Jahres ungekürzte Zuweisungen an die Krankenkassen leisten können, da die einmalige Reduzierung des Bundeszuschusses um 2 Mrd. Euro in 2013 durch eine entsprechende Entnahme aus der Liquiditätsreserve ausgeglichen werden kann.
Konkretere Prognosen zur Finanzentwicklung der GKV im laufenden und im Folgejahr wird Mitte Oktober der gemeinsame Schätzerkreis von BVA, BMG und GKV-Spitzenverband vornehmen. Unter Berücksichtigung der Finanzergebnisse des 1. Halbjahres 2012 sowie der aktuellsten Eckwerte zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird dann eine Aktualisierung der Prognose für 2012 und eine erstmalige Prognose für 2013 erfolgen.