Berlin – Als halbherzig und unzureichend bewertet der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Pflegereform. “Demenzkranke bleiben unzureichend versorgt und die Finanzierung steht auf wackeligen Füßen”, kritisiert Evelyn Schmidtke, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit und Ernährung. Damit erreicht die Bundesregierung ihre im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele nicht. Der vzbv fordert, zur Finanzierung der Pflegeversicherung weitere Einkommensarten einzubeziehen. Zudem müsse der Bedürftigkeitsbegriff auf Demenzkranke ausgeweitet und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert werden. Heute finde im BMG eine Anhörung zum Referentenentwurf der Pflegereform statt.
Die vorgesehene Beitragserhöhung um 0,1 Prozentpunkte gewährleistet keine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung. Denn sie wird maximal eine Milliarde Euro in die Kassen spülen, während die Mehrheit der Experten den Finanzbedarf auf sechs bis sieben Milliarden beziffert. Der vzbv fordert Bundesgesundheitsminister Bahr auf, die gesetzliche Pflegeversicherung zu stärken, indem weitere Einkommensarten und Personenkreise zu ihrer Finanzierung herangezogen werden. Â?Eine nachhaltige Absicherung des Pflegerisikos muss solidarisch erfolgenÂ?, so Schmidtke.
Pflegebedürftige zweiter Klasse
Obwohl demenziell und psychisch Erkrankte laut Referentenentwurf erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen sollen, bleiben sie Bedürftige zweiter Klasse. Denn ihr Leiden wird auch künftig vom geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht erfasst, der sich weiterhin am Grad physischer Beeinträchtigung orientiert. Statt den Empfehlungen des entsprechenden BMG-Beirates zu folgen und den Bedürftigkeitsbegriff auf Demenzkranke auszuweiten, soll dieser vorerst weiter prüfen. “Ein Vorschlag liegt auf dem Tisch. Diesen muss Minister Bahr nun umsetzen”, fordert Schmidtke. Das für die geplanten Leistungsverbesserungen vorgesehene Geld reiche nicht aus. Es sei absehbar, dass die Pflegekräfte damit zusätzlich belastet würden.
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege vereinfachen
Darüber hinaus bedarf es einer konsistenten Regelung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Derzeit existieren mit Pflegezeit- und Familienpflegegesetz zwei konkurrierende Regelungen mit teilweise gegensätzlichen Inhalten. “Die Gesetze müssen zusammengeführt werden. Es muss eindeutig sein, wie lange der Rechtsanspruch auf Pflegezeit gilt und wie die Lohnersatzleistungen geregelt sind”, so Schmidtke. Es sei dringend nötig, den Angehörigen auf diesem Wege ihre ohnehin schon schwere Aufgabe zu erleichtern.
Fortschritt bei der Mitbestimmung
Punktuell enthält der Referentenentwurf jedoch auch positive Ansätze. So sollen neben der pflegerischen Versorgung künftig auch andere Formen der Betreuung, wie Spaziergänge oder Begleitung in der Freizeit, in den Kanon der gesetzlichen Regelleistungen aufgenommen werden. Zudem sieht der Entwurf erweiterte Mitbestimmungsrechte der maßgeblichen Organisationen vor, die die Interessen von pflegebedürftigen und behinderten Menschen vertreten. Diese sollen auf Bundesebene künftig nicht nur Stellungnahmen einreichen, sondern auch an Verhandlungen teilnehmen dürfen. Der vzbv fordert jedoch, die Interessenvertreter müssten auch eigene Anträge einbringen können. Zudem sei die Mitbestimmung auch auf Landesebene auszuweiten.