Berlin – Zur Kritik von Arbeitgeberpräsident Hundt an der Idee einer gesetzlichen Pflegezeit erklärt Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflegepolitik:
Der Arbeitgeberverband und sein Präsident zeigen sich der Lebenswirklichkeit entrückt. Die eigenen kurzfristigen Vorteile im Blick, bleiben die Menschen auf der Strecke. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen die im Konzept der Regierung vorgesehene Pflegezeit ein Jahr im Voraus beim Arbeitgeber anmelden. Eine absurde Idee. Noch nicht einmal bei der immerhin einige Monate absehbaren Elternzeit gibt es diesen langen Vorlauf.
Sprichwörtlich über Nacht stellt sich häufig das Problem der Pflegebedürftigkeit. Lange Vorlaufzeiten gibt es da für die Betroffenen nicht. Wie geht es weiter? Zu Hause oder ins Heim? Diese Fragen müssen beantwortet werden. Gut, nicht schnell! Wer Pflege organisieren muss, braucht dafür eine Auszeit vom Beruf. Nicht selten sehen die meist weiblichen Angehörigen die einzige Lösung in der Kündigung ihres Arbeitsplatzes. Die Pflegezeit ist hier ein Mittel, die nötige Zeit zur Verfügung zu stellen. Dies ist im Sinne der Pflegebedürftigen, der arbeitenden Angehörigen – und auch ihrer Arbeitgeber.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die während dieser schweren Zeit ihre Probleme mit an den Arbeitsplatz bringen, sind kaum produktiv. Unproduktivität und gesteigerte Fehlzeiten oder gar der Verlust einer Fachkraft in Zeiten des sich abzeichnenden Fachkräftemangels sind kaum im Interesse der Arbeitgeber. Dies haben beispielsweise Ford und die Deutsche Telekom erkannt und gehen mit eigenen Konzepten voran. Der Arbeitgeberverband hechelt hinterher.
Ebenso kritikwürdig ist der Vorschlag, die Pflegezeit nur jenen Beschäftigten zu gewähren, deren Betrieb mindestens 20 Beschäftigte hat. Der Pflegebedürftige braucht Unterstützung, egal wie groß die Firma seines Angehörigen ist. Darüber hinaus treffen kleinere Betriebe die Unproduktivität, vermehrte Fehlzeiten oder gar der Verlust einer Arbeitskraft ähnlich hart, wie der zwar plötzliche aber zeitlich begrenzte Ausfall und Ersatz.
Die Vorschläge der Koalition zur Pflegezeit weisen wenigstens prinzipiell in die richtige Richtung. Die unbrauchbaren Vorschläge des Arbeitgeberpräsidenten sind von Abgehobenheit und einer Verweigerungshaltung gegenüber einem Problem gekennzeichnet, das bald sehr viel mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit Betriebe betreffen wird.