Eschborn – Aufgrund der zunehmenden Resistenzproblematik empfehlen die Autoren der S3-Leitlinie „unkomplizierte Harnwegsinfektionen“ in ihrer Aktualisierung 2017 die Indikation zu einer Antibiotikatherapie kritisch zu stellen und auch alternative Therapiestrategien einzusetzen[1]. Bei einfachen Harnwegsinfektionen eignen sich zum Beispiel pflanzliche Arzneimittel als First-Line-Therapie, bei denen eine vergleichbare Wirkung zur antibiotischen Standardtherapie gezeigt werden konnte. Eine aktuelle Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass eine rein symptomatische Therapie mit einem Phytotherapeutikum aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckel und Rosmarin bei akuten Harnwegsinfekten den Einsatz des Antibiotikums Fosfomycin reduzieren kann[2]. Zwei weitere Untersuchungen zeigen darüber hinaus die Wirksamkeit und Verträglichkeit des pflanzlichen Arzneimittels ANGOCIN® Anti-Infekt N aus Kapuzinerkresse und Meerrettich in der Therapie akuter Infektionen der Harnwege im Vergleich zu verschiedenen Antibiotika (vgl. Grafik)[3,4]. Eine weitere Studie ergab darüber hinaus, dass die Pflanzenkombination, die eine symptomatische und eine antiinfektive Therapie ermöglicht, die Rückfallquote bei Blasenentzündungen signifikant verringern kann (vgl. Grafik)[5]. In diesem Sinne wird in der 2017 aktualisierten S3-Leitlinie zur Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen der Einsatz von Kapuzinerkresse und Meerrettich als phytotherapeutische Option bei häufig rezidivierender Zystitis empfohlen[1].
Jede dritte Frau möchte einer Studie zufolge bei einer unkomplizierten Blasenentzündung gerne auf ein Antibiotikum verzichten[6]. Mit antibakteriellen und entzündungshemmenden Pflanzenstoffen wie den Senfölen (Isothiocyanate) aus Kapuzinerkresse und Meerrettich können unkomplizierte Harnwegsinfekte behandelt werden, ohne häufige Nachteile der Antibiotika wie Resistenzen und Nebenwirkungen wie Durchfall oder Vaginalmykosen in Kauf nehmen zu müssen.
Auch nach der aktuellen Leitlinie ist die Indikation zu einer Antibiotikatherapie kritisch zu stellen, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren. Bei der Wahl des Antibiotikums sollte neben dem Erregerspektrum auch die Resistenzsituation in der jeweiligen Region beachtet werden. Aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresistenzen wird derzeit das aktuell noch zur Therapie von Harnwegsinfekten viel verschriebene Antibiotikum Fosfomycin hinsichtlich der Resistenzentwicklung von der EMA neu bewertet[7] und immer mehr Ärzte plädieren dafür, pflanzliche Arzneimittel als First-Line-Therapie einzusetzen.
Ob eine rein symptomatische Therapie wie z. B. mit Ibuprofen[8] oder durchspülenden Arzneipflanzen[2] in Frage kommt, ist sorgfältig abzuwägen, denn hier besteht mangels antibakterieller Wirkung das Risiko, eine Nierenbeckenentzündung zu entwickeln. Um ein Aufsteigen der Bakterien und damit eine gefährliche Besiedelung der Nierenbecken zu verhindern, sollte bei der Wahl des Arzneimittels die antibakterielle Wirkung im Vordergrund stehen und eine Therapie mit nur schmerzstillenden, durchspülenden oder antiadhäsiven Effekten abgewogen werden.
Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich wirken entzündungshemmend[9-17] und antibakteriell[18-25] und stellen daher bei einfachen Harnwegsinfekten eine sinnvolle Behandlungsoption dar. Ihre Wirkung und Verträglichkeit ist durch mehrere Studien belegt[3,4,5]. Da alle diese Studien in Deutschland durchgeführt wurden, basieren die Ergebnisse auf den hier vorliegenden Erregerspektren, -empfindlichkeiten und Resistenzsituationen.
Senföle – Naturstoffe mit multimodaler Wirkung
Das antibakterielle Potential der Senföle beruht auf einer multimodalen Wirkweise, wodurch die Erreger auf mehreren Ebenen angegriffen werden können: Sie verändern zum einen die Membraneigenschaften der Erreger (bakterizide Wirkung)[21], zum anderen greifen sie in deren Stoffwechsel ein und wirken somit bakteriostatisch[27]. Zahlreiche unabhängige und auch internationale Forschungsarbeiten bestätigen die antientzündliche[9-17] und antibakterielle[18-25] Wirkung der Senföle, sogar gegen Problemkeime wie MRSA, Vancomycin-resistente Enterokokken oder Penicillin-resistente Pneumokokken. Bei mikrobiologischen Laboruntersuchungen der Senföle an der Universität Freiburg wurden keine wesentlichen Wirkunterschiede zwischen den multiresistenten und den korrespondierenden nicht-resistenten Phänotypen beobachtet[23].
Die Senföle sind in der Lage, das bakterielle Kommunikationssystem Quorum Sensing (QS) und damit die Bildung von Biofilmen zu hemmen[28-31], die häufig für wiederkehrende Infekte und Resistenzentwicklungen verantwortlich gemacht werden. Weitere Untersuchungen zeigen außerdem, dass diese Pflanzenstoffe auch die Internalisierung von uropathogenen E. coli-Stämmen (UPEC) in das Blasenepithel hemmen und somit helfen können, das Auftreten eines möglichen Rezidivs einer Harnwegsinfektion zu verhindern[32].
Resistenzentwicklungen der Bakterien gegen die Senföle aus Kapuzinerkresse und Meerrettich wurden bisher selbst nach Langzeittherapie nicht beobachtet. Auf Grund des multimodalen Wirkmechanismus dieser Pflanzenstoffe wird bei den Bakterien die Entwicklung möglicher Resistenzmechanismen gegen die Senföle deutlich erschwert[18,21].
Literatur:
Die Quellen 1-32 können auf Wunsch unter folgendem Pressekontakt angefordert werden: