Brüssel – In Deutschland und den anderen Ländern der Europäischen Union ist es zu einem schwerwiegenden Engpass bei der Versorgung mit radioaktiven Arzneimitteln (Radionuklide) gekommen, die dringend zur Therapie und Diagnostik von Patienten mit Krebs-, Schilddrüsen- und Herzerkrankungen benötigt werden.
Die Ursache liegt darin, dass von den weltweit sechs Reaktoren, die für die Produktion wichtiger Ausgangsisotope für die Medizin zuständig sind, derzeit vier ausgefallen sind. Zwei Reaktoren befinden sich in Frankreich, einer in Belgien, einer in den Niederlanden. Die beiden französischen und der niederländische Reaktor sind planmäßig, jedoch ohne Absprache zwischen den Staaten zu Wartungszwecken heruntergefahren worden. Der Vierte in Belgien ist wegen eines Störfalles außer Betrieb. Es ist zu befürchten, dass auch der fünfte Reaktor in Südafrika in den nächsten Wochen planmäßig heruntergefahren wird. Dadurch können nicht mehr alle nuklearmedizinischen Kliniken und Praxen ihre Patienten gleichermaßen versorgen. Der Notstand betrifft in erster Linie Molybdän 99, das in Technetium 99m zerfällt, ein Isotop mit einer Halbwertzeit von nur sechs Stunden, das in der Szintigrafie eingesetzt wird. Deshalb ist die Nuklearmedizin auf eine regelmäßige Zufuhr angewiesen. Die Nuklearmediziner in Deutschland haben zunächst reagiert, in dem sie einen Notfallplan erstellt haben und nur noch dringende Untersuchungen und Therapien durchführen. Alles was aufgeschoben werden kann, wird zunächst aufgeschoben. Dazu erklärte der CDU-Europaabgeordnete und Arzt Dr. med. Peter Liese: Ein solches Versorgungsdefizit darf es in den hoch entwickelten Ländern Mitteleuropas nicht geben. Ich finde es vor allem für die Patienten schade, dass unser hoher Standard in der Medizin nun leidet. Als Konsequenz aus dem Vorfall wird nun diskutiert, einen eigenen Reaktor in Deutschland (in Garching bei München) zur Produktion von radiaktiven Arzneimitteln zu nutzen. Dies ist sicher sinnvoll, aber alleine dadurch kann das Problem nicht gelöst werden, denn auch dieser Reaktor kann einmal einen Störfall haben. Wenn wir nicht mit unseren Nachbarn in Belgien, Niederlande und Frankreich reden und hier ein abgestimmtes Vorgehen stattfindet, kann sich die Situation jederzeit wiederholen. Die Europäische Kommission und die europäischen Gesundheitsminister haben das Thema daher auf die Tagesordnung gesetzt um solchen Vorfällen in Zukunft vorzubeugen. Der Vorfall zeigt, dass wir in Europa zusammenarbeiten müssen, da viele Probleme, auch in der Medizin, sonst nicht gelöst werden können.