Berlin – Anlässlich des Koalitionsstreits um die Details für eine gesetzliche Pflegezeit erklärt Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflegepolitik:
Drei Tage unbezahlter Pflegeurlaub, sechs Monate unbezahlte Pflegezeit, die Begrenzung auf Blutsverwandte und schwer Pflegebedürftige: Diese Pflegezeit ist ein Programm für Besserverdienende in antiquierten Familienverhältnissen. Sie ignoriert den gesellschaftlichen Wandel der Familienformen und des Erwerbslebens. Kurz: Sie wird nicht einmal der Vergangenheit gerecht.
Wir haben immer unterstützt, dass die Koalition eine Pflegezeit einführen will, fordern aber, dass sie ihr Konzept den Herausforderungen der Zukunft anpasst. Mit jedem Tag mehr jedoch wird diese schwarz-rote Pflegezeit zu einem politischen Symbol ohne jede reale Bedeutung.
Wenn die Union mickrige zehn bezahlte Tage auf drei unbezahlte kürzen will, dann kann man es auch gleich lassen. Von einem “vernünftigen Kompromiss für Arbeitgeber und -nehmer”, wie Annette Widmann-Mauz meint, kann doch wohl keine Rede sein.
Wenn die Union klagt, man habe “nur 2,5 Milliarden” zur Verfügung, dann lamentiert sie über hausgemachte Probleme. Schließlich verweigert sich auch die Union einer umfassenden und nachhaltigen Finanzierungsreform.
Dann hört man aus dem Gesundheitsministerium, es gehe bei der Pflegezeit um den Vorrang der häuslichen Pflege. Das riecht verdächtig nach einem verkappten Kostensparmodell. Vor allem muss eine Pflegezeit der Unterstützung von Angehörigen und der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf dienen. Davon hört man aus der Koalition nichts mehr.
Völlig unverständlich ist auch, dass das Gesundheitsministerium nun die Kosten für die Pflegezeit noch weiter senken und die Anspruchshürden noch weiter erhöhen will. Bei allem Verständnis für politische Kompromisse, aber um wie viel unattraktiver soll diese unattraktive Pflegezeit denn noch werden? Wer soll sie eigentlich noch in Anspruch nehmen können?
Wir plädieren stattdessen für eine dreimonatige Pflegezeit. Sie soll den Angehörigen Raum bieten, die Pflege eines Angehörigen zu organisieren, um dann in den Beruf zurückkehren zu können. Das müssen sich auch Geringverdiener leisten können.
Deshalb soll es in dieser Zeit eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung von maximal 1.000 Euro pro Monat geben.
Die geplanten “Pflegestützpunkte” und “Pflegebegleiter” werden ebenfalls von der Union torpediert. Für sie ist das alles nur “unproduktiv” und teuer. Auch wir sehen erhebliche Mängel in der Umsetzung dieser Modelle. Aber sie gehen in die richtige Richtung. Deswegen werden wir wie bisher in den kommenden Wochen konstruktive Verbesserungsvorschläge machen. Denn wir brauchen dringend neue Strukturen für die individuelle Betreuung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen. Das scheint die Union reichlich wenig zu interessieren.