BERLIN/HAMBURG – Weltweit leiden 125 Millionen Menschen an der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Psoriasis (Schuppenflechte). Viele von ihnen werden immer noch nicht effizient und schnell genug behandelt – trotz deutlicher Fortschritte bei den Therapiemöglichkeiten. Für eine am Nutzen für Patienten orientierte Versorgung machen sich Betroffene und Experten am 29. Oktober 2013 stark, dem Welt-Psoriasis-Tag.
„Allein etwa 180.000 der 400.000 Patienten mit schwerer Psoriasis in Deutschland erhalten keine Systemtherapie – obwohl nach Leitlinie angezeigt“, erkärt Professor Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie an der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf. Die Untersuchungen des Instituts belegten, so Augustin, dass immer noch zu viele Patienten mit schwerer Psoriasis und Psoriasis-Arthritis unzureichend versorgt sind.
In Deutschland sind etwa zwei Millionen Menschen an einer Schuppenflechte der Haut lebenslang erkrankt – davon etwa 400.000 in einer schweren bis schwersten Form. Über 1,2 Millionen Menschen mit Psoriasis leiden darüber hinaus an sogenannten Komorbiditäten wie zum Beispiel einer Arthritis, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, an Diabetes oder an einer Depression. „Diese Begleiterkrankungen erhöhen nicht nur die Krankheitslast, sie führen bei unbehandelten Patienten mit schwerer Psoriasis auch zu schweren Komplikationen und einer um durchschnittlich vier Jahre verminderten Lebenserwartung“, erläutert Prof. Augustin.
Der Deutsche Psoriasis Bund (DPB), die Selbsthilfeorganisation bei Schuppenflechte, spricht von einer unzureichenden Versorgung der chronisch kranken Patienten. Der DPB fordert seit Jahren die nachhaltige Finanzierung von Konzepten zur gesundheitlichen Selbsthilfe bei Schuppenflechte, die Harmonisierung von SGB V und SGB VI bei Leistungen zur Rehabilitation bei Psoriasis, eine deutlich bessere Dotierung der “sprechenden Medizin” sowie die Anerkennung des DPBs als Fachkreis für die Indikation Psoriasis mit der Beschränkung des Heilmittelwerbegesetzes sowie eine geminderte Umsatzsteuer auf verschreibungspflichtige Arzneimittel.
2010 wurden von deutschen Dermatologen „Nationale Versorgungsziele“ für das Jahr 2015 formuliert. Zur Verbesserung der Versorgung aller Psoriasis-Patienten in Deutschland haben die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) im Frühjahr 2010 die „Nationalen Versorgungsziele 2010-2015“ aufgestellt. Vier Zielfelder wurden formuliert: „Patienten mit Psoriasis haben eine gute Lebensqualität“, „Psoriasis-Arthritis wird frühzeitig erkannt und behandelt“, „Komorbidität bei Patienten mit Psoriasis wird frühzeitig erkannt und behandelt“ und „Kinder mit Psoriasis werden frühzeitig behandelt und erlangen eine gute Lebensqualität“. Die Entwicklung überprüfen die Dermatologen anhand empirischer Begleitstudien, die das Centrum für Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm) durchführt.
„Die Zwischenbilanz macht Hoffnung, die Ziele auch erreichen zu können“, zeigt sich BVDD-Vorstandsmitglied Dr. Ralph von Kiedrowski optimistisch. Als Beispiele nennt er die S3-Leitlinie Psoriasis, die intensiv in der Fachgruppe kommuniziert wird, sowie die Veröffentlichung eines Früherkennungs-Algorithmus und eines interdisziplinären Leitfadens für die Psoriasis-Arthritis. Allerdings vermisst die Fachgruppe die nötige Unterstützung. „In der Politik und bei den Kostenträgern fehlt es nach wie vor an Bewusstsein für die Erkrankung“, unterstreicht von Kiedrowski.
Über die deutschen Grenzen hinaus haben Experten nun auch die europäische Dimension der Erkrankung ins Visier genommen. Die European Expert Working Group for Healthcare in Psoriasis (EEWGHP) hat ein „Psoriasis White Paper“ ausgearbeitet. Es enthält im Kern fünf Forderungen, mit denen Schuppenflechte-Patienten ein frühzeitiger Zugang zur Versorgung und einer adäquaten therapeutischen Behandlung ermöglicht werden soll.
Verbunden mit dem White Paper war eine Petition an die europäische Kommission für Gesundheit, die inzwischen ein großes Echo gefunden hat. Am 7. November 2013 findet in Brüssel eine Anhörung statt. „Damit Psoriasis als schwere Erkrankung ernst genommen und eine bestmögliche Versorgung ermöglicht wird, braucht es veränderte Rahmenbedingungen, mehr Aufmerksamkeit, ein gesteigertes Verständnis und umfassendere Kenntnisse auch unter den Entscheidern im Gesundheitswesen“, ist Augustin überzeugt.
Mehr zum Thema unter: www.weltpsoriasistag.de