Thedinghausen – Am 03. Juni 2017 wird der Tag der Organspende, diesmal in Erfurt, begangen. Auf der offiziellen Homepage unter www.organspendetag.de zu diesem Ereignis steht:
Über 3.000 Menschen in Deutschland wurde im letzten Jahr durch Organspenden die Chance auf ein neues Leben geschenkt. Dafür soll gedankt werden. Den Menschen, die mit einer Organspende geholfen haben. Den Menschen, die sich zu Lebzeiten für eine Organspende entschieden haben.
Tatsächlich ist aber der Dank alleine für eine Nierenlebendspende nicht genug. Etwa ein Drittel der Nierenlebendspender leiden jahre- bzw. lebenslang unter den Folgen des Nierenverlustes.
Der Verlust einer Niere und ca. 30 % der Nierenfunktion hat kurzfristige, aber auch zum Teil langfristige dramatische Folgen.
Medizin
Sinkende Belastbarkeit bis hin zu erheblichen Leistungsverlusten, besonders nach Anstrengungen. Dauerhafte Müdigkeit, migräneartige Kopfschmerzen und altersuntypische Vergesslichkeit sind die Folgen, mit denen sich zu viele Nierenlebendspender lebenslang quälen müssen. Bei nicht wenigen Spendern sind diese Symptome derartig stark ausgeprägt, dass man vom „Fatigue-Syndrom“ nach Nierenlebendspende sprechen muss. Eine schwere, unheilbare neurologisch-immunologische Erkrankung, die eine normale Teilnahme am Alltag unmöglich macht.
Zudem sind durch den Verlust der Nierenfunktion bis zu 45 % der Spender gemäß den medizinischen Leitlinien tatsächlich nierenkrank. Langzeitfolgen wie Herz-Kreislauferkrankungen, früher eintretender Alterungsprozess und eine damit verbundene, durch aktuelle Studien gedeckte, frühere Sterblichkeit sind die Folge.
Und obwohl diese enormen Risiken der Nierenentnahme seit vielen Jahren in Studien thematisiert wurden und werden, ist die Risikoaufklärung durch die Transplantationsmedizin nach wie vor verharmlosend. Mit emotionalen Argumenten und dem Appell an die Liebe und Mitmenschlichkeit, werden gesunde Menschen von Ärzten kaum kalkulierbaren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.
Mit dem immer noch üblichen, aber immer noch falschen Verweis auf den Gesundheitszustand der Normalbevölkerung als Vergleichskollektiv wird suggeriert, dass die Nierenentnahme nahezu risikolos ist. Zugunsten kranker Menschen und zugunsten von Kliniken und Krankenkassen (die hohe Dialysekosten sparen können) werden Menschen um ihre Gesundheit betrogen. Nicht selten erfolgt nach Schadeneintritt der Verweis auf „psychische Folgen“ der Spende, um von den Körperschäden abzulenken.
Die von der Bundesärztekammer angekündigten, verbindlichen Richtlinien zur Organlebendspende werden dringend benötigt. Ohne diese Richtlinien herrscht nach wie vor blanke Willkür bei der Auswahl der Lebendspender. Jede Klinik hat ihr eigenes Risikoprofil. Für einen medizinisch nicht indizierten Eingriff, der nicht dem Wohl des Operierten dient, ein skandalöser Zustand.
Justiz
In einem funktionierenden Rechtsstaat mit einer unabhängigen Justiz müssten diese unerträglichen Missstände einfach aufzuarbeiten sein, so der naive Glaube viele geschädigter Nierenlebendspender. Tatsächlich aber hat sich auch die Justiz der Verteidigung des Staatsziels „Organspende“ verschrieben.
In mehreren Arzthaftungsprozessen bemühen sich geschädigte Nierenlebendspender um Entschädigungen für erlittenes Leid. Durch Beschreiten des Rechtswegs konnte bisher nur eine Spenderin nach mehreren Jahren durch die Instanzen einen Erfolg erzielen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte 2016 Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der Nierenlebendspende. Die berufsunfähige junge Frau muss nun noch jahrelang um die Höhe der Entschädigung kämpfen.
Einige Prozesse sind als Vergleich erledigt worden. Dies kann man als Schuldeingeständnis der beklagten Mediziner werten, jedoch werden solche „stillen Vereinbarungen“ nichts am grundsätzlichen Problem der Aufklärungsdefizite ändern.
Bei der Frage der sinkenden Nierenfunktion nach Nierenverlust umschiffen sämtliche Gerichte mit Hilfe der Gutachter, die selbst in der Transplantationsmedizin tätig sind und somit nicht neutral Stellung nehmen können, den Kern der Problematik: Das Nichtschädigungsgebot des Transplantationsgesetzes (TPG). Jede Nierenentnahme schwächt den Körper des Spenders nachhaltig. Schon der Verlust dringend notwendiger Nierenfunktionsreserven führt im Alter zu überdurchschnittlich niedriger Restnierenfunktion und damit zu deutlich erhöhten Risiken. Der Zusammenhang zwischen niedriger Nierenfunktion und kognitiven Einschränkungen bis zur Demenz ist wissenschaftlich belegt.
Bei korrekter Auslegung des Gesetzes ist eine Nierenlebendspende somit rechtswidrig. Das Staatziel Organspende wäre beim Thema Nierenlebendspende erledigt. Kein Gericht wird sich daher dieser Thematik ernsthaft annehmen.
Versicherungen
In Folge der Erkrankung verlieren zahlreiche Spender die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz. Arbeitszeitreduzierungen und Frühverrentungen sind nicht selten. Wenn schon Medizin und Justiz nicht bereit sind, diesen Menschen zu helfen, dann sollte spätestens nach der Novellierung des TPG 2012 die versicherungsrechtliche Absicherung für diese Menschen greifen.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Die in der Pflicht stehenden Berufsgenossenschaften und Unfallkassen verhindern mit Hilfe höchst unseriös agierender „Beratungsärzte“ nahezu jeden Antrag auf Unfallrente. Der Zusammenhang zwischen Nierenverlust und Folgeerkrankungen wird regelmäßig negiert.
Auch hier laufen mehrere Verfahren vor Sozialgerichten.
Medien
Die Kampagne zur Harmlosigkeit der Nierenlebendspende wird den Medien protegiert. Glückliche Spender (kurz nach der Spende ist das fast noch jeder), dankbare Empfänger, sowie Heldengeschichten sollen die Motivation zur Nierenlebendspende fördern. Ein höchst fragwürdiger Umgang mit einem höchst gefährlichen Eingriff. Dieses harmlose öffentliche Bild sorgt für sehr viel Unverständnis über die „unzufriedenen Spender“ und isoliert sie zusätzlich. Mehr Objektivität, sowie es die Medien für sich gerne in Anspruch nehmen, ist wünschenswert.
Politik
Es ist Aufgabe der Politik dafür zu sorgen, dass erkrankte Nierenlebendspender nicht allein und verbittert zurückbleiben. Doch politisch wird trotz unserer jahrelangen Hinweise auf die Zustände nichts unternommen. Daher unsere Forderungen:
- Jede Organlebendspende ist eine Hochrisikooperation – ohne Nutzen für den Operierten. Die Bundesärztekammer ist anzuhalten endlich Richtlinien herauszugeben, um die Risiken zu minimieren.
- Die Aufklärung an den Kliniken ist zu vereinheitlichen und emotionsfrei und faktenorientiert durchzuführen.
- An die unabhängige Justiz ist zu appellieren, im Sinne von Justitia gerecht und frei von politischem Kalkül zu urteilen.
- Die Unfallkassen sind anzuhalten gemäß dem neuen TPG zu agieren und berechtigte Rentenansprüche entsprechend zu bescheiden. Es gilt die seit 2012 gültige gesetzliche Beweiserleichterung für geschädigte Spender anzuwenden.
Da die Rechtmäßigkeit der Nierenlebendspende äußerst fraglich ist, befürwortet die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. eine Limitierung der Spende auf absolute Ausnahmefälle, wie z. B. die Spende von Eltern für ihre kranken Kinder. Eine Altersuntergrenze zur Spende ist zwingend notwendig.
Tatsächlich besteht bei Nierenerkrankungen mit der Dialyse eine gut funktionierende Therapie zur Verfügung, mit der die meisten Nierenkranken leben können. Eine Nierenlebendspende bedeutet für den Kranken eine zeitlich begrenzte Verbesserung der Lebensqualität, da die gespendete Niere nur eine begrenzte Lebensdauer hat. Allerdings setzt er sich hohen Infektionsrisiken durch die immunsupprimierenden Medikamente aus. Für den Spender kann es jedoch eine lebenslange Einschränkung und mitunter schwere Erkrankung bedeuten.
Jeder potentielle Spender hat das Recht auf ein eigenes gesundes Leben! Der Schutz des gesunden Menschen, steht vor der Hilfe für den kranken Menschen!
Eine Lebendspende kann mit hohen Risiken verbunden sein. (…) Eine umfassende Aufklärung ist daher umso wichtiger. Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e.V. leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (Mai 2016)
Förderung durch die „GKV-Gemeinschaftsförderung Selbsthilfe auf Bundesebene“