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OLG Urteil: Nierenlebendspende 2007 an der Universitätsklinik Düsseldorf rechtswidrig
Düsseldorfer Transplantationsmediziner haben Nierenlebendspenderin mangelhaft aufgeklärt.

Pressemitteilung – Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V.

Düsseldorf/Thedinghausen – 13.09.2016 – Düsseldorfer Transplantationsmediziner haben Nierenlebendspenderin mangelhaft aufgeklärt.
Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen I-8 U 115/12)

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat am 25. August 2016 die Berufung des Universitätsklinikums Düsseldorf und zweier beklagter Ärzte gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf (LG), Aktenzeichen 3 O 388/10, das zuvor bereits zu Gunsten der Klägerin ergangen war, zurückgewiesen.

Der Fall
Im Jahr 2007 spendete die damals 28-jährige Klägerin ihrer Mutter eine Niere. Infolge des Nierenverlustes erlitt die zuvor gesunde und sportliche junge Frau einen so immensen Leistungseinbruch, dass sie ihren Beruf als aktive Fluglotsin aufgeben musste. Die chronischen Erschöpfungserscheinungen auf Grund der Einnierigkeit und der dadurch gesunkenen Nierenfunktion, auch diskutiert als sogenanntes „Fatigue-Syndrom“ nach Nierenlebendspende, führten bei der Spenderin zu erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich der körperlichen Fitness und kognitiven Verarbeitung. Die Klägerin ist nur noch sehr eingeschränkt berufstätig.

Kein Verstoß gegen formale Vorschriften
Das OLG sah jedoch, anders als zuvor das LG, keine Rechtswidrigkeit der Nierenlebendspende auf Grund formaler Aufklärungsfehler. Zwar schreibe das Transplantationsgesetz vor, dass ein zweiter, weisungsfreier und unabhängiger Arzt an den Aufklärungsgesprächen vor der Spende teilzunehmen habe, was von den Beklagten missachtet worden sei, sähe aber keine Sanktionen vor, wenn sich die Transplanteure hieran nicht halten würden. Daher könne alleine auf Grund der nicht eingehaltenen formalen Aufklärungsvorschriften noch keine Rechtswidrigkeit einer Spende angenommen werden, so das OLG.

Nach Auffassung der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN e. V.) missachtet das OLG damit den Schutzzweck dieser Regelung. Denn gerade ein unabhängiger Arzt kann einem potentiellen Organlebendspender ermöglichen, eine Entscheidung ohne Druck und unbeeinflusst von Interessen Dritter zu treffen. Die vom OLG angenommene Gesetzeslücke, sollte unbedingt geschlossen werden.

Inhaltliche Aufklärung fehlerhaft
Das Gericht stellt in seinem Urteil aber fest, dass bei Organlebendspenden besonders hohe Anforderungen an die Aufklärung über Operationsrisiken zu stellen sind. In Anlehnung an die besonders umfassende Risikoaufklärung bei kosmetischen Eingriffen, sind auch die Anforderungen an die Aufklärung über Risiken bei „fremdnützigen“ Eingriffen, wie Blut- und Organlebendspenden zu werten. Auch Risiken, die eventuell nur „entfernt als Folge“ in Betracht kommen, seien in die Aufklärung einzubeziehen.

Das OLG betont in seinem Urteil, dass die Klägerin im konkreten Fall nicht ausreichend über die gesundheitlichen Risiken einer Nierenlebendspende aufgeklärt worden sei. Gutachterlich bestätigt und vom Gericht entsprechend gewertet wurde, dass bereits im Jahr 2007 über das Risiko „einer anhaltenden Müdigkeits- und Erschöpfungs-symptomatik (Fatigue) nach erfolgter Nierenlebendspende“ aufgeklärt hätte werden müssen. Die zum Zeitpunkt der Nierenlebendspende vorliegende Studienlage bestätige laut OLG das Risiko eine solche körperliche Beeinträchtigung in Folge der Spende zu erleiden. Dieses liege bei fünf bis zehn Prozent der Nierenlebendspender nach Spende.

Über dieses Risiko sei aufzuklären, heißt es im Urteil. Dabei sei auch unerheblich, so das OLG ausdrücklich, wie gesichert die Risikoeinschätzung auf Grund der Studienlage zum Zeitpunkt der Spende schon war. Maßgeblich sei viel-mehr, dass das Risiko in Folge der Spende eine anhaltende Müdigkeits- und Erschöpfungssymptomatik zu erleiden, bereits nach Kenntnisstand und Studienlage zum Zeitpunkt der Spende von den Transplanteuren in Betracht zu ziehen war.

Diese zutreffende Feststellung des OLG wird seitens der IGN e. V. begrüßt. Die Klinik und die transplantierenden Ärzte hatten sich im Laufe des Verfahrens immer wieder auf den Standpunkt zurückgezogen, dass es zwar möglicherweise Berichte und Studien über ein anhaltendes Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom nach einer Lebendnierenspende gebe, jedenfalls zum Zeitpunkt der Spende der Klägerin, sei dieses Risiko – so die Beklagten – noch nicht gesichert. Deshalb sei es auch nicht allgemein üblich gewesen, die Spender über dieses Risiko aufzuklären.

Zu Recht hat das OLG einer derartigen Haltung, die auch tatsächlich bisher auf dem gesundheitlichen Rücken der Organspender ausgetragen wurde, mit seinem Urteil eine deutliche Absage erteilt. Die IGN e. V. wird die zukünftige Aufklärungspraxis der Kliniken mit Interesse verfolgen.

Entscheidungskonflikt glaubhaft
Die Klägerin habe, so das Gericht, auch plausibel dargelegt, dass sie bei ordentlicher Aufklärung einer Nierenlebendspende nicht zugestimmt hätte. Zudem konnte die beklagte Behandlerseite laut Gericht nicht nachweisen, dass die Nierenlebendspenderin bei ordentlicher Aufklärung trotzdem den Eingriff hätte vornehmen lassen. Ob überhaupt die Darlegung eines Entscheidungskonflikts bei einer fremdnützigen Operation notwendig ist, wird zudem in juristischen Fachkreisen diskutiert. Das OLG jedenfalls entschied sich für die Darlegungspflicht.

Keine Revision zugelassen
Das Urteil wurde vom OLG nicht zur Revision zugelassen. Hiergegen kann innerhalb von einem Monat eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingereicht werden. So lange ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Kommentar der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. zum Urteil des OLG Düsseldorf

Das Ende einer Lüge
Jahrzehntelang wurde durch die Transplantationsmedizin die Harmlosigkeit der Nierenlebendspende propagiert. Noch im Jahr 2010 wurde öffentlichkeitswirksam behauptet, dass Nierenlebendspender länger leben würden (www.aerzteblatt.de). Diese Darstellung beruhte bewusst auf falschen Grunddaten und entpuppte sich durch die intensive Recherche- und Aufklärungsarbeit der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN e. V.) als Lüge. Seit Jahren sind die hohen Risiken des Nierenverlustes der Transplantationsmedizin bekannt. Dies wurde nun auch gerichtlich festgestellt. Dennoch wurden und werden potentielle Spender nach wie vor nicht ordentlich aufgeklärt. Tatsächlich zeigen aktuelle Studien neben dem Verlust an Leistungsvermögen und Lebensqualität eine erhöhte Sterblichkeit und höhere Dialyseanfälligkeit von Nierenlebendspendern gegenüber einer vergleichbaren Kontrollgruppe.

Ralf Zietz, 1. Vorsitzender der IGN e. V.: „Dieses Urteil muss zu einer nachhaltigen Änderung der Aufklärungspraxis bei der Nierenlebendspende führen. Dass Transplantationsmediziner, nicht nur in Düsseldorf bewusst bekannte Risiken verschwiegen, ist skandalös. Der Schutz des gesunden potentiellen Spenders steht an erster Stelle vor allen anderen Interessen. Darüber hinaus darf eine Ablehnung der Spende oder ein Rücktritt von der Spende-Absicht gesellschaftlich nicht geächtet werden. Nichts anderes verlangt Artikel 2 Absatz 2 unseres Grundgesetztes, der klarstellt, dass jeder ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat“.

Seit 2011 kämpft die IGN e. V. für eine wahrheitsgemäße Aufklärung und klare Benennung der Risiken des Nierenverlustes. Zudem setzt sich der Verein für einen umfassenden Versicherungsschutz ein, der nach wie vor, trotz gegenteiliger Behauptungen der Politik, nicht gegeben ist.

Die IGN e. V. widerspricht auf das Schärfste sämtlichen Bestrebungen, die Nierenlebendspende gesetzlich aufzuweichen und auszuweiten. Überlegungen in Richtung „Cross-Over-Spende“, „Ring-Tausch-Modell“ oder gar „anonyme Spende“ müssen eine klare Absage erteilt werden.

Die dauerhaften gesundheitlichen Risiken und Folgen einer Nierenlebendspende sind derartig bedeutend, dass eine Spende nur unter emotional sehr eng verbundenen Menschen in Frage kommt. Das Gesetz ist entsprechend eng auszulegen. Außerdem sollten medizinischen und psychologischen Hürden weitaus höher angesetzt und die individuellen Lebensumstände intensiver beleuchtet werden als gegenwärtig. Die IGN e. V. hat dazu auf ihrer Homepage unter www.nierenlebendspende.com klare Empfehlungen veröffentlicht.

Weitere Verfahren gegen diverse Kliniken und Transplantationsmediziner zur mangelnden Risikoaufklärung im Zusammenhang mit einer Nierenlebendspende, sind anhängig.

Weitere juristische Auskünfte erteilt der juristische Beirat der IGN e. V. Herr Rechtsanwalt Martin Wittke, LL.M., c/o Rassek, Ehinger & Partner, 77815 Bühl, Tel.: 07223–9876–0