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Nutzloser Ultraschall zur Krebsfrüherkennung / Werbeversprechen von Frauenarztpraxen abgemahnt

P r e s s e I n f o

Düsseldorf – Mit haltlosen Versprechen für nutzlosen Ultraschall der Eierstöcke versuchen viele Frauenärztinnen und -ärzte, mit einer Selbstzahler-Leistung zur vermeintlichen Krebsfrüherkennung Kasse zu machen. So das Ergebnis einer Internetrecherche der Verbrau­cherzentrale NRW. Beim Check der Webauftritte von 157 Frauen­arztpraxen in neun Städten „diagnostizierten“ die Juristen bei fast 40 Prozent ausdrückliche „Empfehlungen” für diese Untersuchung oder machten deren Bewerbung als „einzig sinnvolle Leistung” zur Krebsvorsorge aus. Und das, obwohl es für den Nutzen der „Sono­grafie der Eierstöcke” keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. Zehn Frau­enarztpraxen mahnte die Verbraucherzentrale NRW jetzt wegen unlauterer Werbung ab. Vom Gesetzgeber fordert NRW-Verbraucherzentralenvorstand Klaus Müller, dass im aktuellen Ent­wurf zum Patientenrechtegesetz der Bundesregierung wirksame Vor­gaben für den Verkauf von IGeL-Leistungen durch Ärzte festgeschrie­ben werden.

Rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr zahlen gesetzlich Krankenversi­cherte aus eigener Tasche für individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL): Ein ganzes Paket an Vorsorge-, Früherkennungs- oder alter­nativen Behandlungsmethoden, die nicht zum festgeschriebenen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören, wird von Ärzten beworben und auf eigene Rechnung verkauft. Ein Bestseller unter den angebotenen Selbstzahler-Leistungen ist ein Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. Eine Untersuchung, deren Nut­zen-Schaden-Bilanz vom IGeL-Monitor eindeutig negativ ausfällt: Dieses unabhängige Portal, erstellt vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, gibt „Patienten als Kun­den” auf Grundlage wissenschaftlicher Bewertungen Entscheidungs­hilfen, ob die offerierte Untersuchung eher das Konto des Arztes kuriert oder doch Pluspunkte für die eigene Gesundheit bringt. Dass laut IGeL-Monitor vorliegende Studien „keine Hinweise auf deren Nutzen” geben und Frauen „aufgrund der Untersuchung unnötig beunruhigt” würden, hält Gynäkologen nicht davon ab, Patientinnen mit vollmundigen Versprechen zum „Ultraschall-IGeL” zu locken. Obwohl wissenschaftliche Studien gezeigt haben, dass mit Sonogra­fie gleich viele Frauen an Eierstockkrebs sterben wie ohne diese Selbstzahler-Vorsorgeuntersuchung, versuchen Gynäkologen ihren Patientinnen das Gegenteil Glauben zu machen. So versprechen schon die Internetauftritte der Praxen, durch „Vorsorge plus”, „erwei­terte Krebsvorsorge” oder “einem Plus an Leistung zur Optimierung der Vorsorge” krankhafte Veränderungen von Gebärmutter und Eierstöcken besser erkennen zu können. Laut IGeL-Monitor mit Kosten zwischen 16 und 31 Euro, privat abgerechnet von den „Ärztinnen und Ärzten des Vertrauens” – und zwar unabhängig jeder medizinischen Notwendigkeit: Denn besteht Verdacht auf Eierstockkrebs, ist der Ultraschall eine Kassenleistung!

Beim Check von 157 Frauenarzt-Homepages – das sind immerhin die Seiten von rund 25 Prozent der insgesamt 611 Frauenmedizinerinnen und -mediziner, die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen Nord­rhein und Westfalen-Lippe zugelassen sind – durch die Verbraucher­zentrale NRW zeigten sich die Gynäkologen als „Meister des Ver­kaufs”. Da wurde die Ultraschalluntersuchung als „wunderbare Mög­lichkeit“ angepriesen, um „Zysten und Tumore rechtzeitig zu erken­nen und zu behandeln, was die Heilungschancen bei bösartigen Ver­änderungen zu einem hohen Prozentsatz erhöhe”. Mal steigerte die „medizinisch sinnvolle Zusatzleistung die Aussagekraft der Krebsvor­sorge erheblich”, mal prognostizierte ein Webauftritt, dass „krankhafte Veränderungen in rund 70 Prozent aller Fälle früher als mit der übli­chen Tastuntersuchung zu erkennen” seien. Eine andere Webseite berief sich darauf, dass erfahrene Gynäkologen weltweit „diese Untersu­chung nicht nur empfehlen, sondern für dringend erforderlich halten”. Ein Düsseldorfer Frauenarzt pries auf seiner Praxis-Home­page die Zusatzleistung gar als „durch wissenschaftliche Studien belegt” an. Allein deren Nachweis blieb er schuldig. Unseriös – so das Urteil der Verbraucherjuristen für zehn Prozent der 157 über­prüften Anpreisun­gen im Web, für die nun die ersten Mediziner mit „blauen Briefen“ abgemahnt wurden.

Jeder Vierte (44) der begutachteten Praxenauftritte empfahl Patien­tinnen den Selbstzahler-Ultraschall ganz unverblümt, weil die Kas­senleistung zur Krebs­vorsorge unzureichend sei. 14 stellten ihn gar als „einzig sinnvolle Leistung” besonders heraus. Nur auf 45 Home­pages notierte die Verbraucherzentrale NRW in Sachen IGeL-Sono­grafie keinen Befund.

Mit Abmahnungen und der Aufforderung, die unlauteren Versprechen aus dem Netz zu nehmen, will die Verbraucherzentrale NRW die unliebsamen Nebenwirkungen des Modells „Arzt als Verkäufer” zunächst kurieren.

Im vorliegenden Entwurf zum Patientenrechtegesetz der Bundes­regierung müssen darüber hinaus dringend verbindliche Vorgaben für den Umgang mit IGeL-Leistungen für Ärzte, wie verpflichtende Auf­klärung und schriftlicher Vertragsabschluss, vorgesehen werden. „Derzeit sind dort Regelungen zu finden, die noch hinter die gelten­den Standards zurückgehen”, mahnt Klaus Müller mehr Verbraucher­schutz an, wenn Patienten in Arztpraxen zum Kunden werden.

Übrigens: Noch bis zum 16. Juli 2012 läuft eine bundesweite Online­befragung (http://www.vz-nrw.de ) der Verbraucherzentralen zu Erfahrungen von gesetzlich Krankenversicherten mit „Selbst­zahler-Leistungen”. So soll ein Überblick gewonnen werden, welche Zusatzleistungen Ärzte von sich aus offerieren und welche Patienten nachfragen. Außerdem soll eine “Diagnose” zur Kosteninformation bei IGeL-Leistungen gestellt sowie überprüft werden, ob Mediziner als Verkäufer ihre Privatleistungen mit ihrer Kundschaft wie vorge­schrieben schriftlich vereinbaren. Die Befragung wurde durch eine Projektförderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt­schaft und Verbraucherschutz ermöglicht.

Informationen rund um IGeL-Leistungen gibt es auch unter http://www.vz-nrw.de

Rechtsberatung im Gesundheitswesen bietet die Verbraucherzentrale NRW in 22 Beratungsstellen an. Adressen unter http://www.vz-nrw.de