Köln/Bonn – Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ), Dr. Wolfram Hartmann, und der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH), Hans-Georg Hoffmann, sehen in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung der Arzneimittel-Richtlinie eine Konterkarierung der besonderen therapeutischen Belange von Kindern und Jugendlichen. Der medizinische Versorgungsbedarf auch mit rezeptfreien Arzneimitteln werde bei diesen geschützten Patientengruppen ignoriert. BVKJ und BAH rufen deshalb gemeinsam das Bundesministerium für Gesundheit zur Revision der Richtlinie auf, mit dem Ziel, der ungerechtfertigten Einschränkung von OTC-Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen entgegenzutreten. Nur so könne das mit der Gesundheitsreform 2004 verfolgte Ziel der Berücksichtigung der besonderen Belange von Familien mit Kindern erreicht werden.
Seit der Gesundheitsreform 2004 gehören nicht verschreibungspflichtige Medikamente, auch OTC-Arzneimittel genannt, nicht mehr zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und dürfen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden. Um jedoch die besonderen Belange von Familien mit Kindern zu berücksichtigen und finanzielle Härten zu vermeiden, hat der Gesetzgeber gleichzeitig entschieden, dass diese Arzneimittel für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und darüber hinaus für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen weiterhin ärztlich verordnet werden dürfen. Die jetzt gerade (1. April 2009) in Kraft getretene Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses sieht jedoch zahlreiche Ausschlüsse von OTC-Arzneimitteln speziell bei Kindern vor und stellt damit das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers zur Berücksichtigung von Familien mit Kindern in Frage.
Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und legitimiert, die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln über die gesetzlichen Regelungen hinaus zu konkretisieren, hatte bereits in der Vergangenheit versucht, die Verordnungsfähigkeit der OTC-Arzneimittel auch bei Kindern generell zu untersagen. Dieser Versuch wurde im Jahr 2007 vom Bundesministerium für Gesundheit unterbunden, da der Bundesausschuss mit einer solchen Regelung die Grenzen seiner vom Gesetzgeber vorgegebenen Ermächtigung klar überschritten hätte. Gleichwohl hat der Gemeinsame Bundesausschuss seine Absicht weiter verfolgt und in seiner aktuellen Richtlinie für fast alle dort genannten Arzneimittelgruppen mit Relevanz für Kinder und Jugendliche die Verordnungsfähigkeit bei eben diesen Altersgruppen ausgeschlossen. Die Richtlinie wurde Anfang des Jahres vom Ministerium trotzdem genehmigt.