Mainz – Universitätsmedizin Mainz will angehende Ärzte fit machen, damit sie schwer verletzte Notfallpatienten effektiver behandeln können
Was als Pilotprojekt im Herbst 2015 begann, ist ab dem Wintersemester 2016/2017 im Studium der Humanmedizin an der Universitätsmedizin Mainz verankert: Das mit dem Namen „Praktisches Jahr – Trauma-Team“ gestartete Lehrprojekt ist fortan fester Bestandteil des Curriculums. Ziel dieses neuen Lehrmoduls ist es, den Ärztenachwuchs in die Lage zu versetzen, Unfallopfer mit schwersten, gleichzeitig erlittenen Verletzungen verschiedener Körperregionen zu versorgen. Diese Menschen werden somit als lebensbedrohlich verletzt eingestuft. Jährlich sind rund 35.000 Menschen in Deutschland betroffen.
Die Versorgung lebensgefährlich verletzter Patienten ist eine besondere Herausforderung für das gesamte Rettungsteam. Dieses ist interdisziplinär besetzt und besteht unter anderem aus Notärzten, Anästhesisten, Unfallchirurgen, Radiologen und Pflegekräften. Da jede Sekunde zählt, sind medizinisches Know How, technische Fertigkeiten und eine effektive Kommunikation im Team unerlässlich.
„Das neue Lehrmodul, das wir jetzt im Praktischen Jahr (PJ) des Medizinstudiums an der Universitätsmedizin Mainz verankert haben, will bei PJ-Studierenden das Bewusstsein dafür schärfen, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit ist. Es soll sie befähigen, sich unmittelbar nach Studienabschluss bei der Versorgung schwer verletzter Notfallpatienten reibungslos in die Abläufe einzufügen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es mitentscheidend ist, neben dem Wissen und den praktischen Fertigkeiten eine effektive Kommunikation zu beherrschen. Das ist elementar, um im Team die richtigen Entscheidungen zum Wohle des Patienten zu treffen. Den angehenden Ärzten eine effektive Kommunikationskompetenz zu vermitteln, ist daher ganz zentral in unserem neuen Lehrmodul“, erklärt der Wissenschaftliche Vorstand und Dekan der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann. „Wichtig ist ein optimal abgestimmtes Handeln bei der Versorgung polytraumatisierter Patienten. Zum einen um die Letalität dieser Patientengruppe zu verringern. Zum anderen ist es entscheidend für eine bessere Rehabilitation“, ergänzt der Wissenschaftliche Vorstand. Vor dem Hintergrund, dass die Kosten für verlorene Produktivität durch vorzeitigen Tod oder Behinderung in Deutschland sehr hoch sind, ist eine effektive Versorgung polytraumatisierter Patienten auch von gesamtgesellschaftlichem Interesse. Schätzungen zufolge beläuft sich dieser Kostenblock auf rund 600.000 Euro pro schwerstverletztem Patient (vergleiche „Die volkswirtschaftlichen Kosten von Polytrauma“, SUVA, Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, 2008).
Das neue Lehrmodul will die Ärzte im Praktischen Jahr mit den Grundsätzen des Zusammenarbeitens in kritischen Situationen – Crisis Resource Management (CRM) – vertraut machen. CRM bezeichnet die Fähigkeit, Wissen und Fertigkeiten auch beispielsweise in der Stresssituation eines Notfalls in effiziente Maßnahmen im Team umsetzen zu können. „Wir trainieren diese Aspekte unter nahezu realen Bedingungen im Rahmen von Simulationen in der Rudolf Frey-Lernklinik und im Schockraum. Ziel ist es, mit den Ärzten von Morgen den Prozess der Entscheidungsfindung in komplexen Situationen zu üben. Auch geht es darum, dass sie lernen sollen, wie kritische Informationen weitergegeben werden können, ohne dass dabei Relevantes verloren geht. Was wir erreichen wollen, ist, die Prozessabläufe bei der Versorgung schwer- und schwerstverletzter Patienten sicherer zu machen“, unterstreicht Privatdozent Dr. Sebastian Kuhn, Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie und Initiator des Lehrmoduls.
Das neue Lehrmodul fußt auf drei Segmenten: Im ersten Segment setzen sich die PJ-Studierenden im Rahmen von eLearning mit interaktiven medizinischen Fallbeispielen auseinander. Sie erlernen unter anderem die körperliche Erstuntersuchung nach dem ABCDE-Notfall-Schema und lebenssichernde Sofortmaßnahmen. Im zweiten Segment durchlaufen sie einen 12-stündigen Simulationsunterricht. Hierbei geht es primär um das Anwenden der erlernten Erstuntersuchungsmaßnahmen im Team und die Notfall-Sonographie als ein standardisiertes Vorgehen mit dem Ultraschall sowie die zeitkritische Interpretation von Röntgen- und CT-Bildern. Im dritten Segment erfolgt eine vierwöchige klinische Rotation, um die geübten Fähigkeiten unter Aufsicht umzusetzen. Die drei Segmente bedingen einander und ergänzen sich. Kommunikationsfertigkeiten im Team zu vermitteln, ist in jeder Phase zentraler Anspruch. Den Unterricht gestalten Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie, der Klinik für Radiologie, des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie der Rudolf-Frey Lernklinik der Universitätsmedizin Mainz gemeinsam.
Über Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de