Berlin – Zur heutigen Abstimmung über das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) im Deutschen Bundestag erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach:
Das Arzneimittelgesetz wird im Allgemeinen als Sparpaket bezeichnet. Dieser Ausdruck ist falsch. Denn es sparen allenfalls die Krankenkassen; wobei selbst dies unsicher ist. Der Gesetzgeber spricht von zwei Milliarden Euro, realistischerweise dürften die Einsparnisse der Krankenkassen allenfalls im Bereich von 500 Millionen Euro liegen, die im wesentlichen auf den erhöhten Zwangsrabatt von sechs auf 16 Prozent zurückgehen. Dem stehen aber erhebliche Zusatzbelastungen der Versicherten gegenüber, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Die wichtigste teure Neuregelung ist die Einführung von sogenannten “Aufzahlungen” bei Nachahmerprodukten (Generika), die 75 Prozent aller in der Apotheke abgegebenen Packungen ausmachen. Wenn der Patient in Zukunft ein Generikapräparat erhält, für das seine Krankenkasse keinen Rabattvertrag abgeschlossen hat, und das nicht mindestens 30 Prozent billiger als der Festbetragspreis ist, muss er die komplette Differenz zwischen dem Preis des Rabattmedikaments und dem eigenen aus eigener Tasche bezahlen. Kostet das Rabattmedikament zum Beispiel acht Euro, das vom Patienten aber wegen einer Arzt- oder Apothekerempfehlung gewählte Medikament 16 Euro, zahlt man neben der Zuzahlung von fünf Euro die Aufzahlung von acht Euro, also insgesamt 13 Euro. Da es sich nur um Nachahmerprodukte handelt, geht auch keinerlei Impuls dieser Abzocke auf die Forschung für neue Arzneimittel aus. Es handelt sich lediglich um ein Geschenk an die Unternehmen auf Kosten der Patienten.
Weniger Sicherheit bei neuen Arzneimitteln, insbesondere für Krebspatienten.
Schon heute werden neue Arzneimittel oft als Mittel gegen seltene Erkrankungen zugelassen, wenn sie dann bei nicht so seltenen Krankheiten eingesetzt werden sollen. Der Vorteil in der Zulassung eines Medikamentes für seltene Krankheiten ist eine schnellere und oft einfachere Zulassung. Dies wird von der Industrie schon seit Jahren ausgenutzt, indem eine große Krankheit in viele kleine Unterkrankheiten unterteilt wird (sogenanntes “Slicing”), für die dann die Medikamente mit weniger Aufwand, weniger Sicherheit und schneller zugelassen werden können. Statt diese Rechtslücke zu schließen wird sie jetzt auch noch aufgebohrt, indem die so zugelassenen Medikamente nicht auf ihren medizinischen Nutzen hin überprüft werden müssen, um von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet zu werden. Hier werden die Gewinninteressen der Industrie bedient bei gleichzeitiger Verschlechterung der Versorgung für die betroffenen Patienten, ein besonders unethischer Sieg der Pharmalobby über die Interessen der Verbraucher.
Pharmaindustrie beeinflusst die Auswahl der Medikamente direkt.
Durch die neu geschaffene Möglichkeit, dass Pharmakonzerne selbst direkte Partner in der Integrierten Versorgung werden, können diese in Zukunft indirekt an der Auswahl der Medikamente für die Patienten mitwirken. Diese Regelung ist eine legalisierte Form der Bestechung in so weit, als dass der Arzt oder die Klinik hier im Rahmen des Vertrages Geld für den Einsatz bestimmter Medikamente bekommen. Da eine moderne Chemotherapie bis zu 100.000 Euro pro Patient kosten kann, sind die Gefahren für den Patienten sehr groß. Arzt oder Klinik bekommen eine Sonderzahlung aus dem Vertrag. Die Pharmafirma bekommt den Umsatz durch den zusätzlichen Patienten. Alle gewinnen, nur der Patient nicht, weil er möglicherweise das falsche Medikament bekommt, an dem aber alle anderen Beteiligten verdienen.