Würzburg/Mainz – Erstmals auf dem europäischen Kontinent kommt ab sofort eine neuartige Enzymersatztherapie zum Einsatz, mit der Knochenschwäche und Gelenkentzündungen gleichzeitig bekämpft werden können.
Dazu findet derzeit an den Standorten Würzburg und Mainz eine klinische Studie mit einem neuartigen Enzympräparat eines kanadischen Pharmaunternehmens statt. Zum Hintergrund: Bei einem Mangel des Enzyms alkalische Phosphatase (aP) kommt es bei den Betroffenen zu einer allgemeinen Knochenschwäche und zusätzlich zu entzündlichen Veränderungen an Knochen und Gelenken. Dieses Krankheitsbild heißt Hypophosphatasie (HPP), und einer aktuellen Veröffentlichung der Uni Versailles zufolge tritt es in Europa deutlich häufiger auf als jahrzehntelang angenommen.
Bei einem Mangel an alkalischer Phosphatase können Kalzium und Phosphat nicht in die Knochen eingelagert werden. Stattdessen verbinden sich die Mineralien zu Kristallen, die zu Entzündungen führen und das Skelett zusätzlich schädigen.
Wie viele Menschen an Hypophosphatasie leiden, ist bislang weitgehend unbekannt, da die Krankheit meist mit einer normalen Osteoporose oder einer rheumatischen Erkrankung verwechselt wird. Überdies ist vielen Ärzten nicht bewusst, dass ein zu niedriger aP-Spiegel ein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung sein kann. Meist wird nur auf einen erhöhten Wert geachtet.
Da die Hypophosphatasie schon bei Kleinkindern auftreten und dann auch einen tödlichen Verlauf nehmen kann, wurde diesen bei der aktuellen Studie der Vorrang gegeben. Sowohl in der Kinderklinik der Universität Würzburg als auch in der Villa Metabolica der Universität Mainz können ab sofort Kinder bis 5 Jahre mit dem experimentellen Medikament ENB-0040 behandelt werden. Für dieses Medikament wurde gentechnisch hergestellte, menschliche aP mit einem zusätzlichen Knochenanker versehen, so dass das Enzym direkt in den Knochen wandern und dort innerhalb von 48-72 Stunden seine Wirkung entfalten kann.
Darin liegt auch das Revolutionäre der neuen Therapie. In der Vergangenheit scheiterten sämtliche Versuche den HPP-Patienten alkalische Phosphatase zuzuführen daran, dass das Enzym nicht in die Knochen gelangte bzw. sich dort nicht an die Membran der knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) anheftete. Dies scheint nun mit dem neuen experimentellen Medikament, das den Arbeitstitel ENB-0040 trägt, erstmals gelungen zu sein.
Bis spätestens Anfang 2012 ist zusätzlich eine weitere Enzymersatztherapie-Studie mit erwachsenen Hypophosphatasie-Patienten geplant, die ebenfalls in Würzburg stattfinden soll, dem größten europäischen Zentrum für die HPP.
Der Patientenverband HPP Deutschland e.V. erhofft sich von den nun anlaufenden klinischen Studien ebenso positive Ergebnisse wie sie bei den bisherigen Testreihen in den USA und Kanada zu beobachten waren.