Düsseldorf – “Diese Kasse macht mich krank!” Wenn Erwin Treiss (Name geändert) an die laut Eigenwerbung “internette Krankenkasse” IKK-Direkt denkt, erfasst ihn Reue. Der Erkelenzer gehört zu den zehntausenden von gesetzlich Versicherten, die seit Anfang des Jahres zu der 2003 gegründeten Kieler Kasse gewechselt sind.
Während andere Gesellschaften wegen der Gesundheitsreform ihre Beiträge kräftig erhöht haben, hält die IKK-Direkt standhaft ihren Niedrig-Satz von zwölf Prozent – und landet so in Rankings für bundesweit geöffnete Kassen auf dem ersten Platz.
“Moderne Kommunikationsmittel, prompte Erreichbarkeit und schnelle Bearbeitung dank einer schlanken und optimierten Organisation – das ist unser Konzept”, verspricht die Kasse obendrein. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
So wartete beispielsweise Neu-Mitglied Treiss wochenlang auf die Karten für seine mitversicherten drei Kinder. Diverse Hotline-Anrufe im vergangenen Monat brachten lediglich das immer wieder gebrochene Versprechen: “Die Karten sind unterwegs.”
Ansonsten gab sich die Kasse kafkaesk. Die Telefon-Odyssee zwischen Beratern und Sachbearbeitern endete in der Sackgasse: “Mehr kann ich für Sie nicht tun.” Einen Zahnarzt-Besuch der Kinder musste Treiss mittlerweile ohne Karte regeln.
Wochenlang versuchten auch Klaus Fischer und Ehefrau Gabi (Namen geändert) täglich die IKK-Direkt per Mail, Fax, Brief und Telefon zu erreichen. “Zwei Mal, bei insgesamt sicher 100 Versuchen, hatten wir die Ehre mit einem der viel zu überlasteten Mitarbeiter verbunden zu werden.” Beide Male wurde versprochen, unverzüglich eine vorläufige Mitgliedsbescheinigung per Post zu versenden und zur Sicherheit auch per E-Mail.
“Meine Frau muss zum Arzt und kann dies nun nicht, da sie quasi nicht versichert ist und wir alles bar bezahlen müssten”, beschwert sich Neukunde Fischer. “Gott weiß, ob die IKK-Direkt jemals die Rechnung übernehmen wird.”
Auch Detlev Venn (Name geändert) hat seit Monaten “großen Ärger”. Sieben Operationen im vergangenen Jahr – da gibt es für den Bielefelder “einiges zu klären”. Doch weder per Telefon, Brief oder E-Mail gelang der Kontakt. Venns Resumee: “faktisch Betrug wegen Leistungsverweigerung”.
“Keine schöne Situation für uns”, nennt Pressesprecher Daniel Burgstaler solche Klagen, die derzeit bei der Verbraucherzentrale NRW oder in Internet-Foren eingehen. Sie seien die Folge des aktuell “großen Wachstums” bei der IKK-Direkt.
Da soll es trösten, dass die von Kunden überrannte Billig-Kasse bereits einen Reha-Plan erstellt hat: “Wir lagern großflächig aus, ändern Prozesse und stellen massiv ein”, sagt Burgstaler.
Was der Pressesprecher als “Hype” erlebt, ist für Wolfgang Schuldzinski allerdings schlicht “unfassbar”. Für den Gesundheitsexperten der Verbraucherzentrale NRW grenzt es “an Vorsatz, wenn die billigste Krankenkasse sich nicht direkt auf eine starke Nachfrage einrichtet”. Schuldzinski fordert, “dass die Kunden zumindest per Homepage über die derzeit desolate Situation informiert werden”.
Denn schließlich gilt: Wer nicht innerhalb von zehn Tagen nach einer Behandlung dem Arzt seine Versicherung nachweist, muss eine Privatrechnung einkalkulieren. Betroffene Mitglieder sollten deshalb um ihre Rechte wissen. “Die Kasse muss das Geld erstatten, wenn sie die Rechnung wegen ihrer schlechten Organisation zu vertreten hat”, erklärt Verbraucherschützer Schuldzinski. Ärgerlich nur: In Einzelfällen kann bei der Erstattung ein Restrisiko für Mitglieder bleiben.
Wie lange Kunden und Callcenter-Mitarbeiter noch unter den Problemen der IKK-Direkt zu leiden haben, ist offen. Pressesprecher Daniel Burgstaler jedenfalls mag keine Zeitzusage machen, “wann das zu Ende ist”.
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt. Stand: 25.05.2007