Homburg – Dr. Eva-Marie Braun ist Expertin für integrative gynäkologische Onkologie. In der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes berät sie Patientinnen zu den Möglichkeiten integrativer Maßnahmen im Rahmen ihrer leitliniengerechten Tumorbehandlung. Diese sogenannte „NATUM-Sprechstunde“ ist seit Mitte 2018 zertifiziert und erfährt großes Interesse. Im Interview gibt Frau Dr. Braun Einblicke, welche Maßnahmen sie ihren Patientinnen empfiehlt.
Worin besteht Ihre Motivation zur Umsetzung integrativer Medizin?
Es ist mein persönliches und berufliches Ziel, integrative Medizin zu leben und zu verbreiten, denn sie ermöglicht nicht nur ein sinnvolles Nebenwirkungsmanagement, sondern ist meiner Meinung nach notwendig, weil sie im Umkehrschluss auch den Umgang mit schulmedizinischen Maßnahmen verbessert: Patienten, welche z.B. nicht durch eine krebsbedingte Müdigkeit isoliert sind, nehmen eher Chemotherapie- oder Kontrolltermine wahr – nicht zuletzt, weil sie als „Rückendeckung“ wissen, wie sie Nebenwirkungen selbst in den Griff bekommen können.
Was bietet Ihre Sprechstunde?
In unsere Sprechstunde kommen Patientinnen aus Abteilungen unserer Klinik ebenso wie von außerhalb. Die Onkologen bzw. wir als gynäkologische Onkologen steuern die Tumortherapie, während unsere integrative Therapie dafür sorgt, dass die Nebenwirkungen geringer ausfallen und ein weitgehend „normaler“ Lebensstil möglich ist.
Abgestimmt auf die jeweils vorherrschenden Probleme (Temperaturempfindlichkeit, Schlafprobleme, Schmerzen) entwickeln wir gemeinsam mit der Patientin ein integratives Behandlungskonzept, das wir in regelmäßigen Abständen anpassen. Entsprechend variabel gestaltet sich die Behandlungsempfehlung.
Welche Maßnahmen sind wichtig?
Einige grundlegende Maßnahmen gehören fast immer dazu: Die Kombination aus Ausdauer- und Kraftsport, Ernährungsempfehlungen und Entspannungsmaßnahmen. Oft verweise ich auf das Angebot der Psychoonkologie in unserem Haus. Zu den weiteren Maßnahmen gehören Naturheilverfahren, Homöopathie, Anthroposophische Medizin mit der Misteltherapie, Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, orthomolekulare Medizin, Physiotherapie, Hydrotherapie mit Kneipp´schen Anwendungen, Paar- oder Sexualtherapie.
Welche Rolle spielt die Misteltherapie?
Für mich war die Misteltherapie von Anfang an Teil eines integrativen Behandlungskonzepts. Ich war überrascht, wie häufig die Misteltherapie von den Patientinnen angesprochen wird. Der überwiegende Teil unserer Patientinnen empfindet die Misteltherapie als effektiv.
Wann empfehlen Sie die Misteltherapie?
Wenn unsere Indikationsstellung mit dem Patientenwunsch übereinstimmt und die Patientin über die Handhabung und Erstattungsmöglichkeiten informiert ist, empfehle ich die Misteltherapie individuell, von der Diagnosestellung, während Chemo-, Hormontherapie oder Bestrahlung bis zur Rezidivprophylaxe.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Misteltherapie?
Unsere Erfahrungen mit der Misteltherapie sind sehr gut – vor allem nach einer Chemotherapie erfahren die Patientinnen eine Grundstabilisierung bezüglich Stimmung, Tagesrhythmus und Körpertemperatur. Die Frauen berichteten, dass sie sich „normaler“ fühlen, teils wie vor der Erkrankung. Das erscheint nicht bahnbrechend, doch ich bewerte diesen Aspekt als überaus positiv: Gerade in dieser Zeit brauchen die Patientinnen das Gefühl, dass in ihrem Leben wieder ein Stück Normalität einkehrt.
So viele Lebensbereiche bekommen durch die Tumordiagnose und -therapie Risse, oft geht das Vertrauen in den Körper verloren. Dank der Misteltherapie empfinden sich die Patientinnen nicht mehr als so „krank“, sie unterwerfen sich nicht fremdgesteuert einer Behandlung, sondern gestalten ihre Therapie aktiv mit. Die Misteltherapie kann das als mögliches Nebenwirkungsspektrum bestehende Gefühl des Ausgeliefertseins während einer Krebserkrankung beenden, gerade wenn eine krebsbedingte Müdigkeit jegliche Aktivität lahmlegt. Die Frauen finden wieder Halt auf eigenen Füßen.
Dr. med. Eva-Marie Braun
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin
Kirrberger Straße 100, 66421 Homburg
Service: Weitere integrativ-medizinische Anlaufstellen in Deutschland
- Universitäres Cancer Center Hamburg (UCCH): www.uke.de/kliniken-institute/zentren/universit%C3%A4res-cancer-center-hamburg-(ucch)/sprechstunden/komplement%C3%A4rmedizin/index.html
- Klinikum rechts der Isar, Zentrum für Integrative Gynäkologie und Geburtshilfe, München: www.frauenklinik.med.tum.de/node/459
- Mitglieder im “Kompetenznetz für integrative Medizin”: www.helixor.de/unternehmen/integrative-medizin